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Bachmann, Ingeborg #

Pseudonym: Ruth Keller


* 25. 6. 1926, Klagenfurt

† 17. 10. 1973, Rom (Italien)


Lyrikerin, Erzählerin, Hörspielautorin


Ingeborg Bachmann
Ingeborg Bachmann. Foto
© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU
Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt als Tochter eines Lehrers geboren. Dort besuchte sie auch die Schule und maturierte 1944.

Von 1945 bis 1950 absolvierte sie ein Studium der Philosophie in Graz, Innsbruck und Wien, das sie 1950 mit einer Dissertation über "Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie M. Heideggers" abschloss.

Schon ab 1946 veröffentlichte sie Lyrik und Prosa in österreichischen Zeitungen und Zeitschriften.

Während ihrer Studienjahre lernte Ingeborg Bachmann Paul Celan, Ilse Aichinger und Klaus Demus kennen.
In ihrer Zeit als Hörfunkredakteurin beim Wiener Sender 'Rot-Weiß-Rot' schrieb sie 1952 ihr erstes Hörspiel "Ein Geschäft mit Träumen". Ebenfalls 1952 las sie zum ersten Mal auf der Tagung der Gruppe 47 und reiste zum ersten Mal nach Italien. Es begann die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Werner Henze (Hörspiele etc.).

Ab dem Spätsommer dieses Jahres lebte sie als freie Schriftstellerin meist in Italien, wo sie sich 1965 endgültig in Rom niederließ.
1954/55 war sie Rom-Korrespondentin der Zeitung "Westdeutsche Allgemeine", 1957/58 arbeitet sie als Dramaturgin beim Bayerischen Fernsehen, 1959/60 war sie die erste Gastdozentin für Poetik an der Universität Frankfurt am Main.

Ab 1957 war Bachmann Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, ab 1961 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (West) und 1965 Vorstandsmitglied der "Comunità Europea degli Scrittori".
1973 führte sie Vortragsreise nach Polen und sie besuchte das Konzentrationslager Auschwitz.

Ingeborg Bachmann
Gedenktafel, Wien 3, Beatrixgasse 26
© Rainer Lenius
Die Schriftstellerin und Lyrikerin kam in Rom auf tragische Weise ums Leben: Am 26. September 1973 erlitt sie in ihrer Wohnung schwere Verbrennungen und starb knapp drei Wochen später, am 17. Oktober 1973.


Ingeborg Bachmann ist am Klagenfurter Friedhof Annabichl begraben.

An ihrem Wiener Wohnhaus Wien 3, Beatrixgasse 26, erinnert eine Gedenktafel an sie.
Im 22. Wiener Bezirk ist ihr der Ingeborg-Bachmann-Platz gewidmet, und ebenfalls im 22. Bezirk, Melangasse/Rennbahnweg ist ein Park nach ihr benannt.


Bachmann gilt vor allem als große Lyrikerin; in ihrem Gedichtband "Die gestundete Zeit" (1953) verurteilte sie die restaurativen gesellschaftlichen Kräfte der Nachkriegszeit, die Thematik von "Anrufung des großen Bären" (1956) kreist in Rückgriff auf Mythologisches um die Zerstörung und die Utopie des menschlichen Lebens. In den "Frankfurter Vorlesungen" (im Rahmen der Gastdozentur für Poetik) erörtert Bachmann Fragen des schreibenden Ich und der Literatur als Medium der Weltveränderung.

1961 veröffentlichte sie den Erzählband "Das dreißigste Jahr", in dem sie sich mit Formen des Zusammenlebens und der Aufarbeitung des Faschismus befasste. 1965 entwarf sie den Plan zum so genannten "Todesarten-Zyklus", der aufzeigt, wie Frauen durch ihre Partner in die Isolation getrieben und zum Verstummen gebracht werden.

Vollendet wurde nur der Roman "Malina" (1971), "Der Fall Franza" und "Requiem für Fanny Goldmann" blieben Fragmente (1979 publiziert). Das Spätwerk Bachmanns wird in der Frauenforschung als "Paradigma weiblichen Schreibens" angesehen.

Seit 1977 wird im Gedächtnis und zu Ehren von Ingeborg Bachmann ein Literaturpreis, der "Ingeborg-Bachmann-Preis", gestiftet von der Landeshauptstadt Klagenfurt, vergeben.

Preise, Auszeichnungen (Auswahl)#

  • 1953 Preis der "Gruppe 47"
  • 1955 Literaturpreis des Kulturkreises der Deutschen Industrie
  • 1957 Bremer Literaturpreis der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung
  • 1959 Hörspielpreis der Kriegsblinden des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands/Bonn
  • 1961 Kritikerpreis für Literatur des Verbands der deutschen Kritiker Berlin
  • 1964 Georg-Büchner-Preis für Literatur der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt
  • 1968 Großer Österreichischer Staatspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur
  • 1971 Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie für Literatur

Werke (Auswahl)#

Bücher:

  • Die gestundete Zeit. Gedichte. Hrsg.: A. Andersch. Frankfurt/M.: Frankfurter Verlagsanstalt, 1953.
  • Der Idiot. Ballett-Pantomime nach F. M. Dostojewski von Tatjana Gsovsky. Text von Ingeborg Bachmann. Mainz: Schott, 1955.
  • Anrufung des Großen Bären. Gedichte. München: Piper, 1956.
  • Der gute Gott von Manhattan. Hörspiel. München: Piper, 1958.
  • Nachtstücke und Arien nach Gedichten von Ingeborg Bachmann. Für Sopran und großes Orchester. Musik: Hans Werner Henze. Studien-Partitur. Mainz: Schott, 1958.
  • Der Prinz von Homburg. Oper in drei Akten nach dem Schauspiel von Heinrich von Kleist. Musik: Hans Werner Henze. (Textbuch). Mainz: Schott, 1960.
  • Das dreißigste Jahr. Erzählungen. München: Piper, 1961.
  • Jugend in einer österreichischen Stadt. Ill.: Rudolf Schoofs. Wülfrath/Rheinland: Heiderhoff, 1961.
  • Der gute Gott von Manhattan - Die Zikaden. Zwei Hörspiele. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1963.
  • Chorfantasie über die "Lieder von einer Insel". Für gemischten Chor, Posaune, zwei Violoncelli, Kontrabaß, Portativ, Pauken und Schlagwerk. Musik: Hans Werner Henze. Partitur. Mainz: Schott, 1964.
  • Gedichte, Erzählungen, Hörspiel, Essays. München: Piper, 1964.
  • Der junge Lord. Komische Oper in zwei Akten nach einer Parabel aus "Der Scheik von Allessandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff. Musik: Hans Werner Henze. [Textbuch]. Mainz: Schott, 1965.
  • Ein Ort für Zufälle. Ill.: Günter Grass. Berlin: Wagenbach, 1965.
  • Malina. Roman. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1971.
  • Simultan. Neue Erzählungen. München: Piper, 1972.
  • Der Tag des Friedens. München: Piper, 1976.
  • Die Hörspiele. Ein Geschäft mit Träumen. Die Zikaden. Der gute Gott von Manhattan. München: Piper, 1976.
  • Der Fall Franza. Requiem für Fanny Goldmann. München: Piper, 1979.
  • Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar: Essays, Reden, kleinere Schriften. München: Piper, 1981.
  • Der dunkle Schatten, dem ich schon seit Anfang folge. Vorschläge zu einer neuen Lektüre des Werks. Hrsg.: Hans Höller. Mit der Erstveröffentlichung des Erzählfragments "Gier", aus dem literarischen Nachlaß hrsg. von Robert Pichl. Wien, München: Löcker, 1982.
  • Wir müssen wahre Sätze finden. Gespräche und Interviews. Hrsg.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum. München, Zürich: Piper, 1983.
  • Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers. [Dissertation: Wien, 1949]. Hrsg.: Robert Pichl, Nachw.: Friedrich Wallner. München: Piper, 1985.
  • Daß noch tausend und ein Morgen wird. Ausw., Einf.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum. Farbfotos: Erika Haudörffer, Alfred Darda. München, Zürich: Piper, 1986.
  • Briefe an Felician. Mit acht Kupferaquatinta-Radierungen von Peter Bischof. Ill.: Peter Bischof. Vorw.: Isolde Moser. München: Piper, 1991.
  • Römische Reportagen. Eine Wiederentdeckung. Hrsg., Nachw.: Jörg-Dieter Kogel. München: Piper, 1998.
  • Letzte, unveröffentlichte Gedichte, Entwürfe und Fassungen. Edition und Kommentar von Hans Höller. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1998.
  • Ich weiß keine bessere Welt. Unveröffentlichte Gedichte. Hrsg. v. Isolde Moser, Heinz Bachmann, Christian Moser. München: Piper, 2000.

Ausgaben:

  • Gedichte. Hörspiele. Libretti. Übersetzungen. Werke 1. Hrsg.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. München, Zürich: Piper, 1978.
  • Erzählungen. Werke 2. Hrsg.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. München, Zürich: Piper, 1978.
  • Todesarten: Malina und unvollendete Romane. Werke 3. Hrsg.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. München, Zürich: Piper, 1978.
  • Essays. Reden. Vermischte Schriften. Anhang. Werke 4. Hrsg.: Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. München, Zürich: Piper, 1978.

Hörspiele:

  • Ein Geschäft mit Träumen. Regie: Walter Davy. Wien: RWR, 1953.
  • Die Zikaden. Erzählhörspiel. Regie: Gert Westphal. Hamburg: NWDR, 1955.
  • Der gute Gott von Manhattan. Regie: Fritz Schröder-Jahn. BR, NDR, SWF, 1958.
  • Unter Mördern und Irren. ORF Kärnten, 1971.

Übersetzungen:

  • Bücher
    • Giuseppe Ungaretti: Gedichte. Italienisch / Deutsch. Übers. a. d. Ital., Nachw.: Ingeborg Bachmann. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1961.
    • Giuseppe Ungaretti: Un' altra notte - Eine andere Nacht. Gedichte. Übers. a. d. Ital.: Ingeborg Bachmann. Ill.: P. Staechelin. Freiburg im Breisgau: Syrinx Presse, 1963.
  • Hörspiele
    • Albert Camus: Belagerungszustand. Übers. a. d. Franz.: Ingeborg Bachmann, Regie: Günther Rennert, Lothar Timm. SWF, 1959

Literatur#

  • H. Höller, I. Bachmann - Das Werk, 1987
  • A. Stoll, I. Bachmann. "Malina", 1992
  • E. Demski, I. Bachmann, 1995
  • K. Bartsch, I. Bachmann, 1997
  • S. Weigel, I. Bachmann, 1999

Leseproben #

Die folgenden drei Gedichte sind mit freundlicher Genehmigung des Piper Verlages den beiden Bänden "Die Gestundete Zeit" (Piper 1957) und "Anrufung des großen Bären" (Piper 1974) entnommen.


DIE GESTUNDETE ZEIT

Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.
Bald musst du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.

Drüben versinkt dir die Geliebte im Sand,
er steigt um ihr wehendes Haar,
er fällt ihr ins Wort,
er befiehlt ihr zu schweigen,
er findet sie sterblich
und willig dem Abschied
nach jeder Umarmung.

Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!

Es kommen härtere Tage.


ANRUFUNG DES GROSSEN BÄREN

Großer Bär, komm herab, zottige Nacht,
Wolkenpelztier mit den alten Augen,
Sternenaugen,
durch das Dickicht brechen schimmernd
deine Pfoten mit den Krallen,
Sternenkrallen,
wachsam halten wir die Herden,
doch gebannt von dir, und misstrauen
deinen müden Flanken und den scharfen
halbentblößten Zähnen,
alter Bär.

Ein Zapfen: eure Welt.
Ihr: die Schuppen dran.
Ich treib sie, roll sie
von den Tannen im Anfang
zu den Tannen am Ende,
schnaub sie an, prüf sie im Maul
und pack zu mit den Tatzen.

Fürchtet euch oder fürchtet euch nicht!
Zahlt in den Klingelbeutel und gebt
dem blinden Mann ein gutes Wort,
dass er den Bären an der Leine hält.
Und würzt die Lämmer gut.

's könnt sein, dass dieser Bär
sich losreißt, nicht mehr droht
und alle Zapfen jagt, die von den Tannen
gefallen sind, den großen, geflügelten,
die aus dem Paradiese stürzten.


DIE GROSSE FRACHT

Die große Fracht des Sommers ist verladen,
das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.
Die große Fracht des Sommers ist verladen.

Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,
und auf die Lippen der Galionsfiguren
tritt unverhüllt das Lächeln der Lemuren.
Das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit.

Wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,
kommt aus dem Westen der Befehl zu sinken;
doch offnen Augs wirst du im Licht ertrinken,
wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit.


Hörproben #



Hörprobe Österreichische Mediathek

Ausschnitte aus Originallesungen:

Böhmen liegt am Meer.
Autorenlesung; Ausschnitt Wien, 10. 5. 1965

Vorlesen

Ihr Worte.
Autorenlesung; Ausschnitt Wien, 10. 5. 1965

Vorlesen

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl