!!!Im nördlichen Niederösterreich findet man die schönsten Sgraffitohäuser

!!Herausgeputzt

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''Mit freundlicher Genehmigung der NIEDERÖSTERREICH PERSPEKTIVEN Sommer 2013''

Von

__Werner Lamm__

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''Als der Geist der Reformation im 16. Jahrhundert auch bei den Bürgern Fuß fasste,
wollten diese, so sie die Mittel hatten, es nach außen hin dem – vorwiegend lutherischen – Adel gleichtun und ihre Häuser ebenso im Geist der Renaissance gestalten. Dabei kam ihnen die von Italien ausgehende Putztechnik des Sgraffito zu gute.''

Anfangs waren es noch bescheidene Zierelemente
wie Quaderungen, einfache Friese oder
Girlanden, später schon Fensterumrahmungen,
Elemente der Scheinarchitektur und schließlich
einfache Szenen. Den Höhepunkt bildeten aber die
großen Sgraffitohäuser mit ihren oft umfangreichen
Bilderzyklen. Die schönsten davon findet man im
nördlichen Niederösterreich – und im angrenzenden
mährischen Raum.


!Gmünd und Weitra 

Am Stadtplatz von Gmünd etwa
zeigt das Haus Nr. 33 einige weniger bekannte Szenen
aus den Metamorphosen des Ovid und der griechischen
Sagenwelt sowie die Samsongeschichte aus dem Alten
Testament, während das Nachbarhaus durch seine
großartige Diamantierung besticht.


Ein reiches Angebot birgt das nahe Städtchen Weitra.
Am Haus Rathausplatz Nr. 4 wurden erst 1931 Sgraffiti
entdeckt und in der Folge zum großen Teil nach alten
Vorbildern rekonstruiert. Neben etlichen Bildern aus der
„Römischen Geschichte“ des Livius zeigt es auch eine
Reihe der Lebensalter samt dazugehörigen Sprüchen.
Die Sgraffiti des Hauses Rathausplatz Nr. 8 wiederum
sind leider bei einem Brand verloren gegangen; von ihnen
gibt es nur Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert,
während an der Seitenfront des Hauses Nr. 9 noch zwei
Bilder erhalten sind: eine Taufe Christi und darunter
eine spinnende Frau, vermutlich Arachne, die Pallas
Athene zum Wettkampf im Spinnen herausgefordert
hatte und zur Strafe in eine Spinne verwandelt wurde,
worauf das Spinnennetz links oben hinweisen könnte.
Das Haus Nr. 13 zeigt mit einigen personifizierten Tugenden
die vermutlich ältesten Sgraffiti. Spärliche Reste
– mit einer Venus samt Cupido und Mars – findet man
auch noch am Haus Nr. 48.

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[{Image src='Weitra_neu.png' height='200' class='image_block' caption='Weitra, Rathausplatz 4 - Foto: Werner Lamm' alt='Weitra, Rathausplatz 4' width='169'}]
[{Image src='Gmuend.png' height='200' class='image_block' caption='Gmünd, Häuser am Stadtplatz - Foto: Werner Lamm' alt='Gmünd, Häuser am Stadtplatz' width='295'}]
[{Image src='Schrift.png' height='200' class='image_block' caption='Detailansicht des Rathauses von Zwettl Foto: Günter Filzwieser' alt='Detail Rathaus Zwettl' width='387'}]
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!Zwettl und Horn 

Am Rathaus von Zwettl sind
neben Bildnissen aus dem Alten Testament – Judith,
Saul, Gideon – vor allem die Darstellungen von Kaiser
Karl V. und Ferdinand I. interessant, letzterer noch als
König bezeichnet.
Darüber hat sich ein Jüngstes Gericht,
gestaltet nach einem Holzschnitt von Albrecht Dürer,
erhalten.


In Horn wurden 1899 am Haus Kirchenplatz Nr. 3
Sgraffiti entdeckt, in der Zwischenzeit mehrfach restauriert
und teilweise einfühlsam „nachempfunden“. Am
obersten Stockwerk dominiert die Darstellung der Planeten,
darunter eine Reihe der Lebensalter, ähnlich wie
in Weitra oder auch Retz. Die Fabeln des Äsop wechseln
sich sodann mit Bildnissen aus dem Alten Testament
– der Josephslegende und dem Opfer Abrahams – ab,
ergänzt durch belehrende Sprüche.


!Eggenburg und Retz 

[{Image src='Retz.png' height='270' class='image_right' caption='Retz, Hauptplatz, das „Sgraffitohaus“ mit umfangreicher Bilderfolge zur Belehrung und Ermahnung der Bürger (Foto: Werner Lamm)' alt='Retz, Hauptplatz, das „Sgraffitohaus“ mit umfangreicher Bilderfolge zur Belehrung und Ermahnung der Bürger' width='343'}]

In Eggenburg zeigt das Eckhaus Hauptplatz Nr. 1/Kremser Straße reichen Sgraffitoschmuck,
leider allerdings in bräunlicher Farbe, was
die Lesbarkeit erschwert. In der Kremser Straße dominieren
Darstellungen der Planeten – Saturn, Jupiter,
Mars, Venus und Merkur – nach Stichen von Burgkmair.
Unter einer Reihe von Tierkreiszeichen befinden sich
großflächige Szenen aus dem Alten Testament, gestaltet
nach den Genesisbildern von Lukas Cranach. Die Bilder der Hauptplatzseite hingegen zeigen Gleichnisse aus
dem Neuen Testament und Kaiser Ferdinand I. mit
seiner Gattin Anna. Die umfangreichste Bilderfolge bietet zweifellos
das Eckhaus am Retzer Hauptplatz/Kremser Straße.
Die Hauptplatzseite zeigt antike Themen, jene in der
Kremser Straße biblische. Die lehrhaften Bilder aus
der antiken Mythologie, ergänzt mit dazugehörigen
Sprüchen, stellen gute und schlechte Eigenschaften dar.
Darunter folgt eine Reihe der Lebensalter des Mannes
und weitere, heute teilweise nicht mehr so bekannte
Themen aus der Antike. In der Kremser Straße beginnen
die Bilder mit den Lebensaltern der Frau, gefolgt
von Darstellungen aus dem Alten Testament; neben der
Josephslegende sind es vor allem Szenen vom Auszug
der Israeliten aus Ägypten. Besonderen Lokalbezug
hat das Bild mit der Rückkehr der Kundschafter mit
der Weintraube, das im Hintergrund die Silhouette
von Retz zeigt. Im Zusammenhang mit der Darstellung
des Mannaregens können diese beiden Bilder somit als
verdeckten Hinweis auf das Abendmahl in beiderlei
Gestalt – und damit auf eine stark protestantische
Orientierung – gewertet werden.


!Krems und Langenlois 

Das „Große Sgraffitohaus“
in der Kremser Margarethenstraße Nr. 5 wurde erst
1925 großteils wieder entdeckt. In der angrenzenden
Althangasse haben sich Bilder aus dem Alten Testament
erhalten, so neben dem Urteil König Salomons und
den „ägyptischen Plagen“ der Mannaregen und die
Kundschafter mit der Traube, wieder als theologischer
Hinweis. In der Margarethenstraße dominieren neben
einigen Herrscherporträts Bilder aus der „Römischen
Geschichte“ des Livius, Szenen aus dem Gleichnis vom
verlorenen Sohn und natürlich auch Fabeln des Äsop,
samt einer Darstellung des Dichters. Das „Kleine Sgraffitohaus“
in der Unteren Landstraße Nr. 69 wiederum
zeigt einen Zyklus zum Gleichnis vom verlorenen Sohn,
Bilder aus dem Alten Testament und einige Fabeln des
Äsop.

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[{Image src='Ecke.png' class='image_block' caption='Hausfassade Kleines Sgraffitohaus, Untere Landstraße 69 Krems - Foto: Günter Filzwieser' alt='Hausfassade Kleines Sgraffitohaus, Untere Landstraße 69 Krems' height='200' width='386'}]
[{Image src='Langenlois_Detail.png' height='200' class='image_block' caption='Detailansicht „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ - Foto: Werner Lamm' alt='Detailansicht „Gleichnis vom verlorenen Sohn“' width='309'}]
[{Image src='Langenlois.png' height='200' class='image_block' caption='Haus Bahnstraße Nr. 1 in Langenlois - Foto Günter Filzwieser' alt='Haus Bahnstraße Nr. 1 in Langenlois' width='310'}] 
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Auch in der Bahnstraße Nr. 1 im nahegelegenen
Langenlois hat sich ein, erst um 1960 wieder entdecktes,
Sgraffitohaus erhalten; in der Zeit, da die Bilder übertüncht
waren, wurde etliches durch Fenstereinbauten
beeinträchtigt, sodass neben Elementen einer Scheinarchitektur
nur noch schwer deutbare Fragmente erhalten
blieben: Eine Jagdszene ist ebenso erkennbar wie eine
durch die Inschrift leicht erkennbare Darstellung „kunig
David und de frowen Betsabeth“, daneben die als
Vorbilder geltenden Frauen Lucretia, Jahel und Judith.
Auftraggeber dieser Bilderfolgen waren, wie sich aus
den jeweiligen Häuserchroniken ergibt, vorwiegend anerkannte
Persönlichkeiten wie Stadtrichter, Bürgermeister
oder erfolgreiche Kaufleute. Neben diesen „großen“
Sgraffitohäusern findet man natürlich immer wieder
auch kleinere Fragmente, die zeigen, dass sich diese
Technik der Fassadengestaltung in der Renaissance, der
ja in Österreich nur ein kurzer Zeitraum beschieden war,
großer Beliebtheit erfreute.


__Werner Lamm__\\ \\
Mit freundlicher Genehmigung der NIEDERÖSTERREICH PERSPEKTIVEN Sommer 2013