!!!Wald und Mensch 

!!Der Wald war die erste und lange die wertvollste Ressource des Menschen. Er ist Nährer – und fallweise auch Verteidiger. Die kulturhistorische Analyse einer Beziehung


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''Die nachfolgenden Essays wurden mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] (31. März 2011).''

Von 

__Hansjörg Küster__


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[{Image src='mensch_u_wald.jpg' caption='Nutzung des Waldes\\Foto: Istockphoto' alt='gefällter Baum' width='300' class='image_right' height='322'}]

Seit Jahrtausenden ist die Menschheit aufs Innigste mit Wäldern verbunden, und zwar wirtschaftlich und kulturell. Holz war lange Zeit einer der wichtigsten Rohstoffe. Vor allem stabiles und widerstandsfähiges Eichenholz brauchte man zum Bauen von Häusern; als Brennholz und zur Herstellung von Werkzeug verwendete man auch andere Holzarten. Die eine eignete sich eher für Axtschäfte, eine andere zur Anfertigung von Pfeil und Bogen, wieder eine andere nahm man, wenn man Schüsseln schnitzen wollte. Schon vor mehr als 7000 Jahren kannte man sich bestens mit den Eigenschaften verschiedener Hölzer aus. Die damalige Jungsteinzeit wird von den Archäologen deshalb so genannt, weil man bei Ausgrabungen vor allem steinerne Gegenstände fand. Holz war zwar der viel wichtigere Werk- und Baustoff, hielt sich aber über die Jahrtausende meist nicht. Man müsste die Steinzeit eigentlich zur „Holzzeit“ rechnen. Sie dauerte noch länger an: Bronze- und Eisenzeit, ja selbst das Mittelalter sollten als weitere Teile der Holzzeit aufgefasst werden, der Ära also, in der Holz das wichtigste Material war, das Menschen verarbeiteten. 

!Wechselnde Siedlungsplätze

Bis zum Mittelalter bestanden Siedlungen nur für einige Jahrzehnte, dann wurden sie verlassen. Wir können nur vermuten, warum die Menschen immer wieder weiterzogen, um neue Siedlungen zu gründen. Wahrscheinlich bestand irgendwann eine Voraussetzung für ihr weiteres Leben am alten Wohnplatz nicht mehr. Ließen die Getreideerträge auf ausgelaugten Böden nach? Weil die Menschen damals beste Böden beackerten, ist dies wenig wahrscheinlich. Aber möglicherweise gab es am Siedlungsplatz nach einigen Jahrzehnten kein Bauholz mehr, mit dem man schadhafte, baufällige oder abgebrannte Hütten erneuern konnte. Man rodete eine neue Waldparzelle und baute das Holz an Ort und Stelle in neue Häuser ein. Der alte Siedlungsplatz blieb ungenutzt liegen; bald stellte sich wieder Wald ein. Er sah nicht in jedem Fall genauso aus wie derjenige, der vor der Gründung der Siedlung abgeholzt worden war. In den neuen Wäldern gab es zunächst viele Birken, dann wieder Eichen, aber es gesellten sich weitere Bäume hinzu: Buchen, die heute viele mitteleuropäische Wälder prägen. 

[{Image src='mensch_u_wald_2.jpg' caption='Brauchtum. Die mitteleuropäische Verbundenheit mit dem Wald zeigt sich auch im Brauchtum. Vom Maibaum bis zum Christbaum wird der Wald symbolisch in die menschliche Kultur integriert.\\Foto: Istockphoto' alt='Verbundenheit mit dem Wald zeigt sich auch im Brauchtum' width='300' class='image_left' height='199'}]

Als die Römer in der Zeit um Christi Geburt ins Gebiet nördlich der Alpen vordrangen, stießen sie auf Menschen, die sie für Waldbewohner hielten; Tacitus berichtete dies über die Germanen. Es gelang den Römern nicht, in den großen Waldgebieten eine Infrastruktur von Verwaltung und Handel aufzubauen. Die brauchte man aber, wenn Siedlungen, wie im römischen Reich üblich, ortsfest bleiben sollten. Sie mussten dann, wenn es an lebensnotwendigen Gütern wie beispielsweise Holz mangelte, über eine Handelsinfrastruktur versorgt werden können. 

!Rohstoff-Ressource

Die Ausbreitung des Imperium Romanum ging zu Ende, und die Römer zogen sich aus vielen zuvor unterworfenen Gebieten wieder zurück. Im Mittelalter breitete sich dann aber die ortsfeste Siedelweise endgültig in weiten Teilen Europas aus. Damit war eine Intensivierung der Landbewirtschaftung verbunden. Wald wurde immer weiter zurückgedrängt; vor allem in Städten wurde ungeheuer viel Holz gebraucht. Im Inneren des Kontinentes konnte man mit Holz gutes Geld verdienen, indem man es schlug, die Flüsse hinunter triftete oder flößte und es dann in den Hafenstädten am Meer verkaufte. Besonders gut ließ sich mitteleuropäisches Holz in den Niederlanden und in Norditalien absetzen, beispielsweise in Venedig. In den Ostalpen, im böhmischen und sächsischen Erzgebirge, im Harz und im Schwarzwald baute man im Mittelalter reiche Erzvorkommen ab. Zum Verhütten des metallhaltigen Gesteins brauchte man große Mengen an Holz. Viel Holz wurde auch zum Kalkbrennen, in Glashütten und Köhlereien benötigt. Die Wälder wurden immer weiter zurückgedrängt. 

Schließlich, im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert, stellte man fest, dass es so mit dem Raubbau an den Wäldern nicht weitergehen konnte. Man war sich darüber im Klaren, dass man auch in Zukunft noch Wald nutzen musste, daher durfte nicht allzu rücksichtslos abgeholzt werden. Diese Forderung findet sich unter anderem in der „Sylvicultura oeconomica“, die der sächsische Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz 1713 verfasste. Für viele gilt er als der erste Förster; aber er hatte eigentlich eine andere Aufgabe: Er befasste sich mit dem Bergbau im Erzgebirge. Dazu gehörte auch die Beschaffung von Holz für die Erzverhüttung. Carlowitz bekräftigte seine Forderung, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, mit dem Hinweis auf Tacitus, der von den weiten Wäldern der Germanen gesprochen hatte. Diese Wälder sollten wieder erstehen!


[{Image src='mensch_u_wald_1.jpg' caption='Köhler. Jahrtausendelang war der Wald Lieferant von Brennstoff – auch in Form von Holzkohle. Schon im 16. Jahrhundert wurde Raubbau beklagt.\\Foto: K.K.' alt='Jahrtausendelang war der Wald Lieferant von Brennstoff' width='300' class='image_right' height='231'}]

!Umdenken im 19. Jahrhundert

In den folgenden Jahrzehnten wurde nach allen Regeln der Kunst versucht, Mitteleuropas Wälder zu schonen und neue Gehölzbestände aufzubauen, was dank einer damals neu eingesetzten Forstverwaltung in vielen Gegenden auch gelang. An der Wende zum 19. Jahrhundert kam noch ein weiterer Grund hinzu, warum man Wälder pflanzte. Damals stießen Napoleons Truppen nach Mitteleuropa vor. Man verglich die Franzosen mit den alten Römern, waren doch beide „Romanen“. Man forderte damals allen Ernstes, an der Grenze zu Frankreich Wälder zu pflanzen, in denen sich die Franzosen verlaufen sollten. Caspar David Friedrich malte nach der Völkerschlacht von Leipzig, in der die Franzosen vernichtend geschlagen worden waren, den „Chasseur im Walde“: Ein geschlagener französischer Soldat irrt durch aufgeforsteten Fichtenwald. 

Vor allem die Deutschen, deren Wünsche nach nationaler Erneuerung auf dem Wiener Kongress nicht erfüllt wurden, befassten sich danach mit ihrer anderen „patriotischen Aufgabe“, der Pflege von Wäldern. Förster bauten sie auf, Dichter verherrlichten sie, Grimms Märchen sind ohne sie nicht denkbar, Münzen wurden mit Waldsymbolen verziert. Damals ging auch die Holzzeit zu Ende: Mit Dampfmaschinen kam man an tief im Untergrund liegende Kohle heran, wenig später begann man, Erdöl zu fördern. Endlich konnte man mit anderen Rohstoffen heizen und brauchte auch in den Erzhütten kein Holz mehr. 

Wälder konnten geschont werden. Bald nahm man aber neue Probleme wahr, Wälder litten unter dem Einfluss von Luftschadstoffen. Ein Aufschrei ging durch die Lande, als man Anzeichen eines Waldsterbens sah. Vor allem die Mitteleuropäer machten sich Gedanken um „ihren“ Wald, während sich die Franzosen über „le waldsterbén“ amüsierten. Um das Waldsterben zu bekämpfen, wurden erheblich strengere Umweltstandards entwickelt. Dank Filtern und Katalysatoren ist unsere Luft sauberer geworden. Eigentlich sollte damit der Wald geschützt werden, aber wir haben uns so selbst etwas Gutes getan. Nachhaltige Waldnutzung in vielen Industrieländern konnte in den letzten beiden Jahrhunderten vor allem dank Kohle und Erdöl durchgesetzt werden, auch leider dadurch, dass man Regenwälder abholzte. Für unser nachhaltiges Überleben brauchen wir nun aber neue Konzepte. Möglicherweise wird die Nutzung des einheimischen Waldes wieder zunehmen müssen. Im Internationalen Jahr des Waldes 2011 sollte man sich bewusst machen, dass Wälder nicht nur Natur sind, sondern auch wichtige Bestandteile unserer Kultur: Sie sind überlebenswichtig für die Menschheit. 

Köhler Jahrtausendelang war der Wald Lieferant von Brennstoff – auch in Form von Holzkohle. Schon im 16. Jahrhundert wurde Raubbau beklagt.

Brauchtum Die mitteleuropäische Verbundenheit mit dem Wald zeigt sich auch im Brauchtum. Vom Maibaum bis zum Christbaum wird der Wald symbolisch in die menschliche Kultur integriert. 

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!!!Die Arbeit am großen Forst 

!!Für mehr als 145.000 Österreicher ist Wald eine zumeist spärliche Einkunftsquelle. Doch der Wert der Forstarbeit ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Für manch einen ist der Wald zum Sinn und Inhalt geworden. Eine Reportage.



!''„Hohe Kosten, aber kaum vorhandene Erträge: Waldpflege ist nichts für schnellen Reichtum. Forstbesitzer wie Hans Lennkh sind trotzdem glücklich.“ ''



Von 

__Gerlinde Wallner __

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[{Image src='Arbeit_am_forst.jpg' class='image_right' caption='Tradition. Seit dem 18. Jahrhundert begannen die Fürsten, ihre Wälder mit Förstern zu bewirtschaften.\\Foto: Istockphoto' alt='' width='300' height='199'}]

„So ein großer Liebling“, sagt Hans Lennkh und umschlingt eine 30 Meter hohe Buche, 120 Jahre alt und damit doppelt so lange auf der Welt wie er. Die Buche steht inmitten seines Waldes, genauer gesagt seines Schutzwaldes, der rund die Hälfte des 250 Hektar umfassenden Forstbetriebes im oberösterreichischen Weyregg einnimmt. Und sie steht gefährlich, denn das Gelände hat eine Hangneigung von bis zu 80 Prozent, der Boden besteht großteils aus Flysch, einem sehr rutschfreudigen Sedimentgestein. Als ob das nicht schon genügen würde, verläuft direkt unterhalb des Waldes eine Bundesstraße, die vor allem im Sommer häufig befahren wird – immerhin führt sie direkt am Attersee entlang. 

Viel Zeit für Naturgenuss bleibt dem Waldbesitzer aber nicht. Zu groß ist die Verantwortung seiner Arbeit, denn wenn sich die Buche und damit zehn Tonnen Gewicht Richtung Tal aufmachen, weiß Lennkh: „Da gibt es nichts, was den Baum hält.“ Je älter der Baum, desto wahrscheinlicher wird ein derartiges Horrorszenario. „Mein Ziel ist ja letztendlich, keine Bestände über 100 Jahre zu haben. Das sind noch alte Reserven, aber je schwieriger das Gelände ist, desto schwerer und später kommt man zur Nutzung.“ Hangrutschung, Schneeschub und Steinschlag sind nur einige der Gefährdungen im Schutzwald. 

[{Image src='Arbeit_am_forst_2.jpg' class='image_left' caption='Der Attersee in Oberösterreich vom Lennkh’schen Schutzwald aus gesehen.\\Foto: G. Wallner' alt='Wald' height='300' width='201'}]

Zum Schutz vor Erdrutschen setzt Lennkh auf Vielfalt und Tiefwurzler: „Die Lärche mit ihren Pfahlwurzeln wirkt in den Beständen stabilisierend. Die Fichte, ein Flachwurzler, ist hier weniger interessant. Die Buche hat Herzwurzeln, ist ebenfalls tiefwurzelnd“, zählt Lennkh auf. Gesetzt wird nach dem Grundsatz: „Wir fördern hier, was die Natur am besten bringt, das ist etwa die Buche, die hier beste Bedingungen vorfindet.“ Ein „Buchenoptimum“ nennt Lennkh den Fachbegriff dafür. Etwa die Hälfte seiner Holzvorräte ist Buchenholz. 


!Holz als Gewinnbranche

Weniger optimal schneidet das Holz ab, wenn es um den Ertrag geht: „Als Bestpreis bekomme ich für Buche 54 Euro je Festmeter. Bei Nadelholz liegt der Durchschnittspreis etwa bei rund 70 Euro, noch dazu wächst es schneller, ist leichter zu bewirtschaften.“ Kein Wunder also, dass der österreichische Holzvorrat zu 80 Prozent aus Nadelbäumen besteht. Die Land und Forst Betriebe Österreich bejubeln 2010 als Gewinnjahr aufgrund höherer Holzpreise. Lennkh stellt dagegen ernüchternd fest: „Die Preise sind zwar besser als in den vergangenen Jahren, befinden sich aber generell auf dem Niveau der 90er Jahre, mit dem Unterschied, dass die Bewirtschaftungskosten seither gestiegen sind.“ Er hat nach Jahren der Verluste zu seiner Freude 2009 ein positives Ergebnis erwirtschaftet: „Weil ich mit beiden Füßen auf der ausgabenseitigen Bremse gestanden bin“, erklärt er und fügt an: „Wenn man permanent rote Zahlen schreibt, läuft man Gefahr, dass das Finanzamt den Betrieb als Voluptuar, als Liebhaberei, einstuft. Ich lege aber Wert darauf, zu wirtschaften.“

[{Image src='Arbeit_am_forst_1.jpg' class='image_right' caption='In Österreich gibt es 145.000 Waldbesitzer. Für viele von ihnen ist es eine Leidenschaft: Hans Lennkh mit seiner 120 Jahre alten Lieblingsbuche.\\Foto: G. Wallner' alt='In Österreich gibt es 145.000 Waldbesitzer' width='200' height='298'}]

Lennkh ist, was seine Waldbewirtschaftung betrifft, zweigeteilt, denn sein Schutz- und sein Wirtschaftswald benötigen jeweils andere Arbeitsstrategien: „Nicht mehr der wirtschaftliche Erfolg von der nächsten Generation ist maßgeblich, sondern der Schutz der untenliegenden Bundesstraße“, erklärt Lennkh das Schutzwaldprinzip. Nur, wenn aus dem Schutzwald kein Ertrag erwirtschaftet werden kann, woher soll dann das Geld genommen werden für die Pflegemaßnahmen? Eine Frage, die auch Lennkh bisweilen Kopfzerbrechen schafft und ihn zum Entschluss veranlasst hat, den Schutzwald unter Bann legen zu lassen. Der Bannwald hat den Vorteil, dass ein Begünstigter – in dem Fall die Straße und damit das Land Oberösterreich – Kosten, die über dem Ertrag liegen, übernimmt. Einen Strich durch die Rechnung macht ihm derzeit eine Pflanze, die prächtig gedeiht und die Kronen der zehn- bis 20-jährigen Mischwaldbestände am Waldhang überwuchert. Waldrebe nennt sich besagte Pflanze, auch bekannt unter dem Stichwort „Ich Tarzan, du Jane“, wie Lennkh lachend erklärt: „eine Liane“. 

!Pflege und Schutzwald

Das Lachen kann ihm bisweilen vergehen, derzeit versucht ein Arbeitstrupp aus Deutschland, das Gewächs zu minimieren. In bisher mehr als 500 Stunden haben Arbeiter im steilen Gelände die Waldrebe Strang für Strang von der Krone auf den Boden geholt und dort zu Lianenknäuel verwickelt. „Einfach nur abschneiden geht leider nicht, da die Liane dann nur umso schneller wieder austreibt“, weiß Lennkh aus Erfahrung. Stattdessen sollen die Waldrebenknäuel unter dem baldigen Blätterdach ein Schattendasein fristen. 

In Österreich fallen mehr als 20 Prozent der Waldfläche unter die Kategorie Schutzwald. Ohne sie müssten jährlich rund 600 Millionen Euro zusätzlich für technische Verbauungen ausgegeben werden. Insgesamt besteht nahezu die Hälfte der Staatsfläche aus Wald, 80 Prozent davon sind in privaten Händen. Zu den 145.000 privaten Waldbesitzern zählen neben Hans Lennkh auch der Präsident der Land und Forst Betriebe Österreich, Felix Montecuccoli (siehe unten). Beide sind Großwaldbesitzer, mit mehr als 200 Hektar. Mehr als die Hälfte der Waldeigentümer sind jedoch sogenannte Kleinwaldbesitzer, bewirtschaften unter 200 Hektar, oft im Nebenerwerb, oder nur wenige Hektar Wald als aussetzender Betrieb, also etwa nur alle zehn Jahre. 

Für Montecuccoli ist Österreichs Waldstruktur geprägt von „traditionsreichen Familienbesitzen“, Eigentum das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Rechtzeitig zu übergeben, sei ein wesentlicher Teil einer „gelebten Nachhaltigkeit“: „Waldbewirtschafter haben die einmalige Gelegenheit, sich ein eigenes Denkmal zu schaffen. Wir haben es selbst in der Hand, ob unser Enkel einmal im Wald stehen wird, sich den Wald ansieht und begeistert sagen wird: Ja, das war der Opa.“ 

[{Image src='Arbeit_am_forst_5.jpg' class='image_left' caption='Braunbär\\Foto: EPA' alt='Braunbär' width='200' height='177'}]

Die größten Familienbetriebe in Österreich tragen Namen wie Mayr-Melnhof oder Esterházy, mit Bewirtschaftungsflächen von mehr als 20.000 Hektar. Der allergrößte Forstbetrieb, die Österreichischen Bundesforste, hat eine halbe Million Hektar Wald. Hans Lennkh hat mit seinen 250 Hektar schon genug zu tun: An der Kuppe seines Waldberges, mitten im Wirtschaftswald, hat der Wind in den vergangenen Jahren nach und nach den Bestand der Fichtenmonokultur umgefegt, Bäume im Alter von 40 bis 60 Jahren. Eine „alte Sünde“, beschreibt Lennkh den Bestand: „In den 50er bis 70er Jahren hat man einfach nach der Ertragslehre gesetzt: Fichte bringt am schnellsten die erwünschte Holzmasse und den höchsten Ertrag.“ Mit dem Ertrag der umgefegten, daher minderwertigeren Fichtenholzteile finanzierte Lennkh die Aufräumarbeiten – ein Nullsummenspiel. 

Wieso er trotzdem weitermacht? „Auf der einen Seite Idealismus, auf der anderen Seite in der Familie fortgeführte Tradition.“ Ende 2012 wird er den Waldbesitz seiner 34-jährigen Tochter Cordula übergeben, die derzeit an der Universität für Bodenkultur ihr Doktorrat in tropischer Forstwirtschaft macht. Aber auch dann wird der passionierte Forstbetreiber noch seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: „Man muss das tun, was man gerne macht. Am liebsten bin ich jeden Tag im Wald.“  


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!!!„Das ist gelebte Nachhaltigkeit“ 

!!Seit 400 Jahren sind Teile des Dunkelsteinerwalds (NÖ) in Besitz der Familie Montecuccoli. Felix Montecuccoli, Präsident der Land und Forst Betriebe Österreich, erklärt, wie die Familie eine nachhaltige Forstwirtschaft ermöglicht.

Das Gespräch führte 

__Gerlinde Wallner__


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[{Image src='Arbeit_am_forst_3.jpg' class='image_right' caption='Felix Montecuccoli\\Foto: Helene Waldner' alt='Felix Montecuccoli' width='300' height='300'}]

''DIE FURCHE:'' Wie sieht eine moderne nachhaltige Waldbewirtschaftung aus? Felix 

''Montecuccoli:'' Der innerste Kern der Waldbewirtschaftung ist es, reife Bäume zu ernten. Neue werden wieder angepflanzt, junge Bäume gepflegt. Zweistens muss eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie gefunden werden. Die ökonomische Seite ist wichtig, damit etwa Mitarbeiter im Betrieb bezahlt werden können, die Gesellschaft einen nachwachsenden Rohstoff hat, der das Klima nicht belastet, keine Müllberge hinterlässt. Auf der anderen Seite, der ökologischen, soll Biodiversität erhalten bleiben, ebenso wie Bodenfruchtbarkeit, der Schutz vor Naturgefahren, z. B. Lawinen oder Hochwasser. Diese Balance ist die tägliche Aufgabe des Forstmenschen. 


''DIE FURCHE:'' Wie wirkt sich die Tradition in ihrem Unternehmen aus? 

''Montecuccoli:'' Die Bäume, die ich zu Hause ernte, hat mein Großvater gepflegt und mein Urgroßvater gepflanzt. Die Bäume, die ich pflanze und pf ege, wird mein Sohn einmal ernten und die Jungbestände, die ich heute gründe, mein Enkel. Jetzt weiß ich weder, wie mein Enkel sein wird, ob er das auch schätzt, noch, welche Bedingungen dann sein werden: Welches Wetter, welcher Markt, welche Holzarten werden gebraucht? Ich muss erstens die Baumart wählen, die in meiner Region gut wächst. Andererseits muss ich mein Bewirtschaftungssystem z. B. von einem Zeitraum von 100 Jahren auf 60 Jahre ändern. Wir müssen in der Branche deutlich flexibler werden, uns anpassen können. 


''DIE FURCHE:'' Was kostet Wald? 

''Montecuccoli:'' Einen Forstbetrieb können Sie im Grunde nur durch zwei Arten erwerben: heiraten oder erben. Im Ernst, es gibt immer wieder welche zu kaufen, aber das ist sehr selten. Wenn größere  Waldfächen verkauft werden, dann meist nicht als Wirtschaftsbetrieb, sondern als Liebhaberei. Wald zu kaufen, macht ökonomisch keinen Sinn. Marktwert und Ertragswert klaffen sehr stark auseinander: Teilweise wird für einen Wald das Vierfache von dem bezahlt, was er als Wirtschaftsunternehmen eigentlich wert ist. 


''DIE FURCHE:'' Haben Sie einmal daran gedacht zu verkaufern? 

''Montecuccoli:'' Vor fünf Jahren wäre es für mich als Waldbesitzer ökonomisch vernünftig gewesen, meinen Wald zu verkaufen – da hätte ich am Markt vielleicht das Vier- oder Fünffache an Wert bekommen. Dass ich auf den Marktwert verzichte, ergibt nur Sinn, weil ich das Ziel habe, den Besitz weiterzugeben. Das ist meine einzige Motivation. So passiert das auch seit Generationen. Das ist gelebte Nachhaltigkeit. 



__Felix Montecuccoli __

''Der Forstwirt Felix Montecuccoli (45) vertritt seit März 2005 als Präsident der Land und Forst Betriebe Österreich die privaten Waldbesitzer des Landes.''


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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], 31. März 2011
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