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Kodachrome- Das Ende einer Legende#

Von Michael Ossenkopp in der Wiener Zeitung am 15. April 2010

Der wohl beste Farbfilm aller Zeiten wird endgültig zu Grabe getragen – erfunden wurde er von zwei Musikern

1935 revolutionierte der Farbfilm Kodachrome die Fotografie. Entwickelt wurde er von zwei Laien mit großer Ambition. Nun stellte Kodak die Produktion wegen der Digitalfotografie ein.

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Leo Godowsky (l.) im Jahr 1930 im Entwicklungslabor mit Leopold Mannes (r.). Foto: corbis
Am 15. April 1935 kam mit dem 8-mm-Kodachrome der weltweit erste Dreischichten- Farbfilm in den Handel und revolutionierte die ganze Branche. Erfinder waren kurioserweise zwei Berufsmusiker: Leopold Mannes und Leopold Godowsky Junior.

Schon zu Highschool-Zeiten in Los Angeles hatten Mannes und Godowsky ihre gemeinsamen Interessen auf den Gebieten Musik und Fotografie entdeckt. Wahrscheinlich war ihnen gar nicht bewusst, wie viele renommierte Wissenschafter bereits seit Jahrzehnten erfolglos nach einem praktikablen Verfahren für die Farbfotografie geforscht hatten.

Der Durchbruch gelang schließlich ab 1930 in den Kodak-Laboratorien. Mit einem genialen Prinzip: In Bleichbädern mit der sogenannten kontrollierten Diffusion drang der Wirkstoff nur in bestimmte Filmschichten ein.

1917 hatten die beiden 17-jährigen Schulfreunde ihre ersten Experimenten begonnen. Auslöser war ein Kinobesuch. Bei der Vorführung des Streifens „Unsere Navy in Prisma-Farbe“ fühlten sich die Teenager von der miserablen Qualität „betrogen“ und beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen.

Zunächst wurden Küche und Badezimmer zu Fotolabor und Dunkelkammer umfunktioniert – sehr zum Leidwesen der Eltern. Trennen der Farben Sie besorgten sich eine Filmkamera samt Projektor und bedeckten die Linsen mit roten, blauen und gelben Filtern. Danach machten sie drei Belichtungen in Schwarz-Weiß und projizierten diese zurück durch die Filter. Dieses Verfahren ließ sich zwar noch nicht gewerblich nutzen, bildete aber die Grundidee für die spätere Entwicklung des weltweit ersten Dreischichten-Farbfilms Kodachrome.

Nach einem Geigenstudium an der Universität von Los Angeles schrieb sich Godowsky auch noch für Chemie und Physik ein. Daneben wurde er Solist und erster Geiger beim örtlichen Sinfonieorchester und spielte außerdem bei San Francisco Symphony.

Zu Beginn seiner Karriere trat er zeitweise mit seinem Vater Leopold auf, einem bekannten Pianisten und Komponisten und engem Freund von Albert Einstein. Der Junior blieb auch bei der Wahl der Partnerin der Kunstszene treu, er heiratete Francis, die Schwester von George Gershwin („Porgy and Bess“), die zu einer geschätzten Malerin und Bildhauerin avancierte.

Mannes besuchte die Harvard University mit einem Pulitzer Musik-Stipendium und wurde Konzertpianist. Kaum vorstellbar, aber neben dieser Karriere studierte auch er noch Physik.

Obwohl die beiden Freunde zwischen Amerikas West- und Ostküste 4000 Kilometer voneinander getrennt waren, verloren sie den Kontakt zueinander nicht und setzten in ihrer Freizeit die gemeinsame Arbeit an der Verbesserung der Farbfotografie fort.

Im Jahr 1922 gab Godowsky seine Orchestertätigkeit in Kalifornien auf und zog nach New York City, wo er und Mannes weiterhin als Musiker arbeiteten.

Auf dem Rückweg von Auftritten in Europa Ende 1922 machte Mannes die Zufallsbekanntschaft eines Investmentunternehmers und erwähnte dabei die Fortschritte ihrer Experimente mit der Farbfotografie. Bei einem späteren Treffen war ein Abgesandter des Investors von den Resultaten schwer beeindruckt, seine Firma öffnete den Geldhahn. Mit dieser finanziellen Unterstützung konnten Mannes und Godowsky schließlich ein eigenes Laboratorium aufbauen.

Kodak wird hellhörig
1930 war dann auch der Branchenriese Eastman Kodak Company auf die Wissenschafter aufmerksam geworden. Kenneth Mees, Gründer der Forschungsabteilung bei Kodak, bot ihnen Jobs in der Firmenzentrale in Rochester im Staat New York an.

Sie erhielten ein professionell ausgestattetes Labor und eine Schar von Mitarbeitern, um die Experimente zu beschleunigen. Hier entwickelten „Man and God“ – der Mensch und Gott – , wie man die beiden Erfinder scherzhaft kurz nannte, bis 1935 den ersten kommerziell erfolgreichen Kodachrome- Farbfilm.

Der Film unterschied sich chemisch von allen bis dahin bekannten Bildträgern und war den anderen vor allem in Schärfe und Haltbarkeit überlegen. Die Filmschichten besaßen keine Farbkuppler und waren deshalb extrem dünn, nur 0,135 Millimeter. Drei separate Emulsionsschichten wurden auf einen klaren Filmträger aufgebracht – eine rotempfindliche aus Silberhalogenidkristallen sowie jeweils eine grünund blauempfindliche.

Die Schichten wurden einzeln entwickelt und passend Cyan, Magenta und Gelb hinzugefügt. Dann wurde das Silber ausgebleicht und durch die entsprechende Farbe ersetzt. Das Ergebnis war ein vollfarbiges Positiv.

Einziger Nachteil: Der komplizierte Entwicklungsprozess, er bestand aus 27 Arbeitsschritten. So konnten die Filme nicht mehr von Fotografen selbst entwickelt werden, nur noch in den Laboren von Eastman Kodak.

Grundlage der fotochemischen Experimente der US-Amerikaner waren Patente des Deutschen Rudolf Fischer. Dieser hatte um 1911 eine Theorie beschrieben, einem Mehrschichtenfilm bei der Fabrikation Farbkuppler beizufügen und diese erst während des Entwicklungsprozesses in die Schichten gelangen zu lassen. Er schaffte aber nie die praktische Umsetzung.

Über allen Mitbewerbern
Nicht nur professionelle Anwender, auch interessierte Hobbyfotografen waren von dem Non-Plus- Ultra des technischen Fortschritts mit Kodachromefilmen begeistert. In punkto Farbkontrast, Farbsättigung, Transparenz und Feinkörnigkeit übertrafen sie sämtliche Mitbewerber und eroberten so binnen weniger Jahre ein Massenpublikum. Wenngleich die Filme aus den Anfangsjahren nur eine sehr geringe Lichtempfindlichkeit aufwiesen.

In Europa produzierte Kodak nach dem Krieg in Harrow bei London und in Vincennes bei Paris.

Erst 1961 kam der Kodachrome II mit höherer Lichtempfindlichkeit auf den Markt. Der ab 1982 produzierte High-Speed-Kodachrome übertraf die Vorgänger nochmals und war daher auch für Bewegungen und schlecht ausgeleuchtete Motive einsetzbar.

Der Niedergang begann mit der Jahrtausendwende und dem Vormarsch der digitalen Fotografie, die ohne Film auskommt, was die Nachfrage nach Kodachrome dramatisch sinken ließ. So wurde auch die Herstellung des Kodachrome 64 als Letzter seiner Art im vergangenen Jahr eingestellt.

Der Film erwirtschaftete nur noch ein Prozent am Umsatz der Produktsparte chemische Fotografie bei Kodak. Wer noch Filme auf Lager hat, kann diese bis Ende 2010 zur Entwicklung an Dwayne’s Photo Service in Parsons, Kansas, schicken. Dann ist endgültig Schluss.

Und doch zurück zur Musik
Auch nach der Erfindung von Kodachrome trafen sich die beiden Fotopioniere zum gemeinsamen Musizieren. Mannes kehrte zur Musik zurück, trat als Pianist erfolgreich auf und komponierte verschiedene Partituren.

Godowsky blieb weiter der Fotografie verbunden und arbeitete bis in die 50er Jahre in seinem eigenen Labor in Westport/Connecticut.

Dennoch beteuerte er immer wieder, dass trotz der bahnbrechenden Erfindung des Farbfilms die Musik die größere Leidenschaft seines Lebens war. Leopold Mannes starb am 11. August 1964, Leopold Godowsky jun. am 18. Februar 1983.

  • Zwei Ergänzungen von Peter Lechner:

1. Im Jänner 2012 hat Kodak Insolvenz angemeldet.

2. Ironie der Geschichte: Der Erfinder der Digitalkamera ist - Kodak!