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vom 07.02.2020, aktuelle Version,

Emine Sevgi Özdamar

Emine Sevgi Özdamar (* 10. August 1946 in Malatya / Türkei) ist eine deutschtürkische Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin.[1]

Leben

Im Alter von drei Monaten kam Emine Sevgi Özdamar nach Istanbul und wuchs dort und in Bursa auf. Bereits mit 12 Jahren stand sie erstmals im Staatstheater von Bursa auf der Bühne (im "Bürger als Edelmann" von Molière). Als 18-Jährige kam sie 1965 zum ersten Mal nach Deutschland, ohne jegliche Deutschkenntnisse, und arbeitete ein halbes Jahr lang in einer Elektrofabrik in West-Berlin.

Von 1967 bis 1970 besuchte sie die Schauspielschule in İstanbul und hatte bis 1976 erste professionelle Theaterrollen in der Türkei, u. a. spielte sie Charlotte Corday in Peter Weiss' Stück "Marat/de Sade" und Witwe Begbick in "Mann ist Mann" von Bertolt Brecht. Mit dem Militärputsch von 1971 verlor sie als Mitglied der türkischen Arbeiterpartei ihre Zukunftsperspektiven in der Türkei.[2] Inspiriert von Heinrich Heine und Bertolt Brecht – u. a. von den Liedertexten einer Schallplatte, die sie sich während ihres ersten Aufenthalts in West-Berlin gekauft hatte – ging sie 1976 für eine Regieassistenz an die Volksbühne nach Ost-Berlin. Dort arbeitete sie mit Benno Besson und Matthias Langhoff zusammen. Diese Zeit hat sie später in ihrem Roman Seltsame Sterne starren zur Erde literarisch verarbeitet.

1978 zog sie als Mitarbeiterin mit Benno Bessons Brecht-Inszenierung „Der kaukasische Kreidekreis“ nach Paris und Avignon. Ihre eigens für die Inszenierung gebauten Figurinen sind heute im La Maison Jean Vilar in Avignon ausgestellt. Sie nahm ein Studium an der Pariser Universität VIII Vincennes-Saint Denis auf, das sie mit dem Diplom „Maîtrise de Théâtre“ abschloss.[2]

1979 bis 1984 hatte sie ein Festengagement als Schauspielerin und Regieassistentin am Schauspielhaus Bochum unter der Leitung von Claus Peymann. In dessen Auftrag entstand 1982 ihr erstes Theaterstück "Karagöz in Alamania" (Schwarzauge in Deutschland), das 1986 am Schauspielhaus Frankfurt unter ihrer Regie uraufgeführt wurde. 1982 gastierte sie als Andromache an der Oper Frankfurt in Hector Berlioz' Oper "Die Trojaner", Regie: Ruth Berghaus. 1986 spielte sie unter der Regie von Karl Kneidl die Maë Garga in Brechts "Im Dickicht der Städte" (Freie Volksbühne Berlin). Im selben Jahr gehörte Özdamar zum Uraufführungsensemble des "Bayerischen Requiems" Der Weihnachtstod (1986) von Franz Xaver Kroetz an den Münchner Kammerspielen,[3] wo sie gemeinsam mit Erdal Merdan ein türkisches Paar darstellte.[4] 1993 trat Özdamar in der Regie von Matthias Langhoff als Anfissa in Anton Tschechows "Drei Schwestern" im Théâtre de la Ville in einer Koproduktion mit dem Théâtre National de Bretagne auf.

Özdamar trat als Schauspielerin auch in Filmen auf, u. a. 1992 in dem als Bester Spielfilm mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichneten "Happy Birthday, Türke!", der Literaturverfilmung des gleichnamigen Kriminalromans von Jakob Arjouni durch Doris Dörrie, und 1988 in „Yasemin“ (Regie Hark Bohm). Weitere Auftritte hatte sie in Matti Geschonnecks "Reise in die Nacht" (1998), sowie in den Komödien Süperseks (2004) und in Evet, ich will! (2008).

Seit 1986 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und Schauspielerin. Sie lebt heute in Berlin.

Literarisches Werk

Neben ihrer Tätigkeit als Schauspielerin schrieb Özdamar von Anfang an auch Theaterstücke, Romane und Erzählungen. Sie ist eine der bekanntesten deutschtürkischen Autorinnen. Zwischen der Gastarbeiter-Literatur der 1980er Jahre und der Abgeklärtheit der dritten Generation nimmt sie eine Zwischenstellung ein. Der Schriftsteller Feridun Zaimoğlu, dessen „Kanak-Sprak“-Neuschöpfungen sich von Özdamars Stil beeinflusst zeigen, redet nur in den höchsten Tönen von ihr. Im Mai 2006 allerdings diskutierten die deutschen Feuilletons, ob Zaimoglus Roman „Leyla“ auf Motiven von Özdamars „Karawanserei“ beruht. Den Plagiatsvorwurf vermied Özdamar, "wohl auch aus Furcht vor einer juristischen Auseinandersetzung".[5] Volker Weidermann kommentierte den Fall, der umso erstaunlicher ist, da sowohl „Karawanserei“ als auch „Leyla“ im selben Verlag (Kiepenheuer und Witsch) erschienen sind, in der FAZ wie folgt: "Die Indizien sind zahlreich. Jedes einzelne Indiz für sich kann man gut für Zufall halten, alle Indizien zusammengenommen sind sehr auffällig."[6] Der Literaturprofessor Norbert Mecklenburg stellte in Hinblick auf den Streit trocken fest: „Hätte der Verlag etwas zugunsten von Özdamar tun wollen, er hätte gewiss besser ein literaturwissenschaftliches anstatt eines juristischen in Auftrag gegeben. Nun hat aber jeder Verleger, der Belletristik verkauft, eben zwei Seelen in seiner Brust: eine Literaturseele und eine Geldseele.“[7]

Für ihre Werke erhielt Özdamar zahlreiche Auszeichnungen. Im Mai 2007 wurde Özdamar in die nunmehr 175 Mitglieder zählende Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt aufgenommen. Im selben Jahr wurde ihr Buch Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus. (Life is a Caravanserai) in die renommierte Liste der 1001 Books You Must Read Before You Die aufgenommen.[8] 2010 wurde im Rahmen der Veranstaltungen der Kulturhauptstadt Europas Ruhrgebiet (RUHR.2010) Özdamars Theaterstück Perikizi vom Schlosstheater Moers aufgeführt. Thomas Kerstan nahm Özdamars Erzählband Mutterzunge 2018 in seinen Kanon für das 21. Jahrhundert auf, einer Auswahl von Werken, die seines Erachtens "jeder kennen sollte".[9]

Werke

  • Karagöz in Alamania. (Theaterstück, 1982)
  • Mutterzunge. (Erzählungen, 1990, ISBN 3-88022-106-5)
  • Keloğlan in Alamania, die Versöhnung von Schwein und Lamm. (Theaterstück, 1991)
  • Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus. (Roman, 1992, ISBN 3-462-02319-5)
  • Die Brücke vom Goldenen Horn. (Roman, 1998, ISBN 3-7632-4802-1)
  • Der Hof im Spiegel. (Erzählungen, 2001, ISBN 3-462-03001-9)
  • Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding – Pankow 1976/77. (Roman, 2003, ISBN 3-462-03212-7)
  • Araf'takiler – Hayatları Roman olanlardan. von Emine Sevgi Özdamar, Corakli Sahbender, (auf Türkisch), Erschienen in „ADIM“, 2004, Erzurum-Türkei
  • Sonne auf halben Weg: die Istanbul Berlin Trilogie. (enthält "Leben ist eine Karawanserei", "Brücke vom Goldenen Horn" & "Seltsame Sterne starren zur Erde", Kiepenheuer & Witsch, 2006, ISBN 3-462-03752-8)
  • Kendi Kendinim Terzisi Bir Kambur,Ece Ayhan'lı anılar, 1974 Zürih günlüğü, Ece Ayhan'ın makrupları, Istanbul 2007 ISBN 978-975-08-1305-4
  • Perikizi. Ein Traumspiel, in: RUHR.2010, Uwe B. Carstensen, Stefanie von Lieven (Hrsg.): Theater Theater. Odyssee Europa. Aktuelle Stücke 20/10. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2010 ISBN 978-3-596-18540-5

Auszeichnungen

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Katrin Steinborn: Meine deutschen Wörter haben keine Kindheit. Emine Sevgi Özdamars Erzählungen "Der Hof im Spiegel". In: Literaturkritik.de 11/2001. November 2001, abgerufen am 2. Dezember 2014.
  2. 1 2 Irmgard Ackermann und Nazli Hodaie: Emine Sevgi Özdamar - Essay. In: Kritisches Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 1. Juni 2011, abgerufen am 2. Dezember 2014.
  3. Franz Xaver Kroetz: Stücke I-II, Suhrkamp 1989, S. 446
  4. Volker Hage (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Adolf Fink: Deutsche Literatur 1986. Jahresrückblick, Reclam 1987, S. 132
  5. Christoph Schröder: "Tannöd"-Autorin: Freispruch für Schenkel. In: Frankfurter Rundschau. 15. Januar 2009, abgerufen am 2. Dezember 2014.
  6. Volker Weidermann: Abgeschrieben? Streit um den Roman „Leyla“: Özdamar gegen Zaimoglu. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Juni 2006, abgerufen am 2. Dezember 2014.
  7. Norbert Mecklenburg: Ein türkischer Literaturskandal in Deutschland?. Kritischer Kommentar zum Streit um Feridun Zaimoglus "Leyla" und Emine Sevgi Özdamars "Das Leben ist eine Karawanserei". In: Literaturkritik.de 7/2006. Juli 2006, abgerufen am 2. Dezember 2014.
  8. 1001 Books You Must Read Before You Die. The 2009 List. In: literary-exploration.com. Abgerufen am 20. Mai 2015.
  9. Th. Kerstan: Was unsere Kinder wissen müssen. Ein Kanon für das 21. Jahrhundert. Hamburg 2018. S. 11, 139f.
  10. Vier Autorinnen aufgenommen, boersenblatt.net, 7. Juli 2017, abgerufen am 7. Juli 2017.