Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 01.04.2018, aktuelle Version,

Philipp Schneider (Rechtsmediziner)

Philipp Schneider (* 20. April 1896 in Wien; † 9. Februar 1954 in St. Johann im Pongau) war ein österreichischer Rechtsmediziner und Hochschullehrer.

Leben

Schneider schloss nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums die Schullaufbahn in seiner Heimatstadt 1914 mit der Matura ab. Anschließend begann er ein Studium der Medizin an der Universität Wien, das er nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wegen Kriegsteilnahme als Soldat der k.u.k. Armee unterbrach. Nach Kriegsende und Entlassung aus italienischer Kriegsgefangenschaft nahm er sein Medizinstudium wieder auf, das er 1921 mit Staatsexamen und Promotion zum Dr. med. abschloss. Anschließend war er als Assistent an der II. Chirurgischen Universitätsklinik und ab Anfang Januar 1923 am Institut für Gerichtliche Medizin unter Albin Haberda beschäftigt, wo er sich im Februar 1923 mit einer Schrift über Thalliumvergiftungen habilitierte.[1]

Schneider, der sich seit Beginn der 1930er Jahre nationalsozialistisch betätigte, trat der NSDAP kurz vor dem NSDAP-Verbot in Österreich Anfang Mai 1933 bei. Seit Sommer 1934 war er Mitglied der SS, wo er dem Stab des SS-Oberabschnittsarztes Donau angehörte. Wegen seiner NS-Betätigung musste er zur Zeit des Austrofaschismus Österreich verlassen und siedelte in das nationalsozialistische Deutsche Reich über. Ab Januar 1937 war er zur Einführung am Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Göttingen tätig und übernahm dort im August 1938 als Nachfolger des nach Heidelberg gewechselten Berthold Mueller kommissarisch den Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin.[1]

Nach dem Anschluss Österreichs wurde er anstelle des kommissarischen Leiters Anton Werkgartner im November 1938 auf den Lehrstuhl für Gerichtliche Medizin der Universität Wien berufen und wurde Leiter des örtlichen Instituts für Gerichtliche Medizin. Schneider, der nach dem Anschluss Österreichs erfolglos bei der Parteiführung um eine niedrige Parteimitgliedsnummer (Mitgliedsnummer 6.143.333) entsprechend seinem frühen Parteieintritt in Österreich nachsuchte, war auch stellvertretender Obmann der Wiener Medizinischen Gesellschaft.[1] Neben der Institutsleitung übernahm er die Leitung des an das Institut angeschlossene elektropathologische Museum.[2] Schneider war zudem als Gutachter für das Erbgesundheitsobergericht Wien tätig.[3] Innerhalb der SS stieg er im Juni 1939 bis zum SS-Obersturmführer auf.[1]

„Die These, daß Wissenschaft mit Politik und Weltanschauung nichts zu tun habe, führte letzten Endes dahin, daß artfremder Einfluß sich breit machte und Hochschulen zu Brutstätten geistiger Verbildung werden konnten.“

Philipp Schneider1939 in der Wiener Klinischen Wochenschrift[4]

Schneider gehörte auch einer zwölfköpfigen gerichtsärztlichen Kommission an, die im Juli 1943 in der Sowjetunion die exhumierten Leichen des Massakers von Winniza untersucht und die Obduktionsbefunde des Gerichtsmediziners vor Ort Gerhard Schrader bestätigt hatten. Im Ergebnis unterzeichneten die Kommissionsmitglieder ein Protokoll, das die sowjetische Täterschaft für dieses Verbrechen feststellte.[5] Im Krieg war er Sanitätsoffizier der Reserve der Wehrmacht[6] und gehörte bei der Armee zusätzlich zu den beratenden Gerichtsmedizinern.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden am Wiener Institut für Gerichtliche Medizin auch Untersuchungen für die Reichskriminalpolizei, die Wehrmacht und weitere Behörden durchgeführt. Im Zuge der Ausweitung seines Aufgabenbereichs wurde Schneider im Herbst 1943 in Personalunion zu seinem Lehrstuhl die Leitung des Kriminalmedizinischen Zentralinstitut der Sicherheitspolizei übertragen.[7] Schneider, der den Serienmörder Bruno Lüdke während dessen Aufenthalts in Wien kriminalbiologisch untersuchen sollte, lehnte im Januar 1944 Menschenversuche an Lüdke sowie dessen Liquidierung ab.[8]

Nach Kriegsende wurde Schneider umgehend aus dem Hochschuldienst entlassen und befand sich danach kurzzeitig in amerikanischer Internierung. Im Rahmen des Kriegsopferversorgungsgesetzes wurde ihm eine gänzliche Arbeitsunfähigkeit bescheinigt und nach seinem Einspruch gegen die Eingruppierung als Belasteter nach dem Verbotsgesetz wurde er im November 1948 als Minderbelasteter eingestuft. Er zog mit seiner schwedischen Frau nach Schweden, wo er am gerichtsmedizinischen Institut in Stockholm tätig war. Gerade nach Österreich zurückgekehrt verstarb Schneider.[9] Ein Forschungsschwerpunkt von ihm war die Toxikologie. Er war Verfasser von über 50 Publikationen.[1]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 136–137.
  2. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 142.
  3. Claudia Andrea Spring: Zwischen Krieg und Euthanasie: Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945. Wien 2009, ISBN 978-3-205-78321-3. S. 226
  4. Zitiert nach Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, St. Johann im Pongau 2007, S. 553
  5. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 315.
  6. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 381.
  7. Friedrich Herber: Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 3-86189-249-9, S. 250–251.
  8. Ingrid Arias: Die Wiener Gerichtsmedizin im Dienst nationalsozialistischer Biopolitik – Projektbericht (PDF; 850 kB)
  9. Claudia Andrea Spring: Zwischen Krieg und Euthanasie: Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945. Wien 2009, ISBN 978-3-205-78321-3. S. 289