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Bamberger, Richard#

* 22. 2. 1911, Paudorf (Niederösterreich)

† 12. 11. 2007, Wien


Fachmann für Jugendliteratur, Schriftsteller


Richard Bamberger. Foto, 1995, © Photoarchiv Dr. H. Schillinger, für AEIOU
Richard Bamberger. Foto, 1995
© Photoarchiv Dr. H. Schillinger, für AEIOU
Richard Bamberger wurde am 22. Februar 1911 bei Paudorf geboren.

Er sollte Schuhmacher werden und die Werkstatt des Vaters übernehmen; doch ihn interessierten Bücher viel mehr als das Handwerk.

Richard Bamberger brach die Lehre ab, besuchte die Lehrerbildungsanstalt in Krems und bestand 1933 die Hauptschullehrerprüfung für Deutsch und Englisch.

1938 promovierte er über Charles Dickens, heiratete Maria Saranczuk in Göttweig und musste zum Kriegsdienst einrücken, aus dem er erst 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft zurückkehrte.

Nach dem Krieg unterrichtete Richard Bamberger am Akademischen Gymnasium in Wien und widmete sich der Bildungsarbeit in der Sozialistischen Partei.


Zufällig hörte er von Buchklubs in den USA - eine Idee, die ihn faszinierte und die er an österreichische Gegebenheiten anpasste: ein gemeinnütziger Verein sollte - in Zusammenarbeit mit Schule, Verlagen und Buchhändlern unter Patronanz des Unterrichtsministeriums - Kindern gute Bücher verbilligt vermitteln.


So gründete 1948 Bamberger den "Österreichischen Buchklub der Jugend" (dessen Generalsekretär er von 1948 bis 1981 war), 1965 das Internationale Institut für Jugendliteratur- und Leseforschung, 1988 das Institut für Schulbuchforschung und Lernförderung und war dessen Direktor bis 2001.

Richard Bamberger. Bronzebüste von Leo Pfisterer in Paundorf, NÖ, © z. Verf. gest. v. Dr. Inge Auböck, privat
Richard Bamberger. Bronzebüste von Leo Pfisterer in Paundorf, NÖ
© z. Verf. gest. v. Dr. Inge Auböck, privat

Er beschäftigte sich mit Lesemotivation und Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen und kombinierte diese Forschungsrichtung mit Vorschlägen zur Gestaltung von Schulbüchern.


Er verfasste einerseits Standardwerke zur Jugendliteraturforschung und zur Lesepädagogik ("Jugendlektüre", "Erfolgreiche Leseerziehung in Theorie und Praxis") und arbeitete andererseits gemeinsam mit seiner Frau an verschiedenen Lexikaprojekten ("Die Welt von A-Z", "Die Kinderwelt von A-Z", das "Österreich-Lexikon" - der Vorvorläufer dieses AEIOU").


Ab 1962 arbeitete er mit der UNESCO zusammen und war Gründungsmitglied des Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch (International Board on Books for young people / IBBY).

Bis ins hohe Alter entwickelt er Projekte zur Lese- und Lernförderung - Dr. Richard Bamberger ist DER Pionier der Leseförderung in Österreich.


Am 11. November 2007 starb Dr.Dr.h.c. Richard Bamberger.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Ehrendoktorat der Universität Dortmund, 2003

Werke (Auswahl)#

  • Lehrbuch der russischen Sprache, 1946
  • Jugendlektüre, 1955
  • Mein erstes großes Märchenbuch, 1960
Herausgeber von Jugend-Lexika
  • Die Welt von A bis Z, 1952 (Neugestaltung in 2 Bänden, 1972 )
  • Die Kinderwelt von A bis Z, 1954 (Neugestaltung, 1991)

Mitherausgeber

  • (zusammen m. F. Maier-Bruck) ÖSTERREICH LEXIKON, 1966 (Grundlage des vorliegenden Österreich Lexikons im AEIOU)




Festansprache von Dr. Inge Auböck anläßlich der Enthüllung einer Büste ihres Vaters im Oktober 2009:#

"Sein Lächeln in der Büste wiedergefunden"

Sehr geehrte Damen und Herren der Pfarrgemeinde Paudorf, lieber Pater Udo!

Dr Inge Auböck
Dr. Inge Auböck
Ich möchte mich ganz herzlich für diese Auszeichnung bedanken, die Sie heute meinem Vater zuteil werden lassen. Die Errichtung und Enthüllung einer Bronzebüste – für deren künstlerische Gestaltung ich dem Künstler, Herrn Leo Pfisterer, besonderen Dank sage - , das ist wirklich etwas ganz Außerordentliches und ich fühle mich sehr geehrt, zu diesem Anlass hier im Rahmen der Heiligen Messe zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Mein Vater Richard Bamberger kam am 22. Februar 1911 in Meidling im Tal zur Welt – sein Vater war Schuhmacher, ein stiller, besonnener Mann, seine Mutter äußerst temperamentvoll und redegewandt.

Beide Eltern waren politisch sehr interessiert und engagiert – mein Opapa war ja auch einmal Bürgermeister von Paudorf – und dieses Engagement ist für meinen Vater prägend für seinen Lebensweg.

Als der mittlere von drei Brüdern soll er die Schuhmacherwerkstatt übernehmen. Ein Los, gegen das er sich wehrt und weswegen er einmal sogar von zu Hause fortläuft.

Als aber sein älterer Bruder Franz bei Hochwasser in der March ertrinkt, wollen die Eltern den Wunsch vom Franzl erfüllen – der hat nämlich in seinem letzten Brief nach Hause geschrieben: „Wir hätten den Richard doch studieren lassen sollen.“

So kam mein Vater in die Lehrerbildungsanstalt nach Krems. Und dort hat ihn sein Deutschlehrer, Prof. Zettl, für Goethe begeistert. Das Resultat ist ein Germanistik-Studium und ein Buch: „Der junge Goethe“.

Mit 17 Jahren lernt Richard auf der Bahnfahrt in die Schule ein Mädchen aus Paudorf kennen: die 14-jährige Maria Saranczuk, genannt Minka, und er begeistert sie für seine Ideen – seine Liebe gesteht er ihr mit den Gedichten von Storm, Heine, Rilke und Goethe. Und diese Liebe stellt er dann auch tatkräftig unter Beweis: als er mit dem Rad nach England fährt, weil sie dort als Aupair-Mädchen arbeitet.

1938 heiratet Richard seine Minka in Göttweig – und da feiern sie 65 Jahre später auch die eiserne Hochzeit. Meine Mutter ist bis zu meines Vaters 94. Lebensjahr seine Partnerin, Mitstreiterin und vor allem auch seine unermüdliche Mitarbeiterin bei allen seinen Veröffentlichungen.

Sie erst macht es ihm durch ihre akribisch genaue und sehr kritische Redigierung möglich, seine Pläne als Autor und Herausgeber so erfolgreich zu verwirklichen: schon während des Studiums bei der Herausgabe von Uni-Skripten und dann gleich nach dem Krieg beim „Lehrbuch der russischen Sprache“ – seinem ersten Buch - und später bei den verschiedenen Lexikaprojekten – "Der Welt von A-Z", "Der Kinderwelt von A-Z", dem "Österreich-Lexikon" - und den Märchenausgaben, den vielen Fachbüchern, den Lesewerken und den zahllosen Aufsätzen und Reden.

Und darum gilt für mich diese Ehrung heute auch dem Andenken an meine Mutter! Richard und Maria sind fast 68 Jahre lang verheiratet gewesen – und es war eine sehr temperamentvolle Ehe.

Gleich zu Kriegsbeginn muss mein Vater einrücken - ich war gerade neun Monate alt –, und als er zu Kriegsende aus der amerikanischen Gefangenschaft nach Paudorf kommt, wo meine Mutter und ich bei den Großeltern auf ihn warten, da erzählt er voll Stolz, dass er nie auf einen Menschen geschossen hat.
In seinem Kriegsgepäck sind immer auch Bücher gewesen und in Russland hat er Lehrer und Pfarrer aufgesucht, um Russisch zu lernen.

Ich sehe noch heute meinen Cousin Dolfi vor mir, wie er atemlos in den Hof läuft und ruft: "Der Onkel Richard kommt!" Seine Kriegserfahrungen machen meinen Vater zu einem glühenden Pazifisten – und als 1955 Österreich ein Bundesheer bekommen soll, tritt er öffentlich dagegen auf.

Nach dem Krieg unterrichtet mein Vater im Akademischen Gymnasium und widmet sich der Bildungsarbeit in der Sozialistischen Partei: Er ist mit seinem Talent als Redner auf bestem Weg, ein erfolgreicher Kulturpolitiker zu werden. Eines Tages aber begegnet er einem amerikanischen Soldaten, der erzählt ihm von Buchklubs in den USA. Diese Idee fasziniert meinen Vater und er adaptiert sie sogleich österreichischen Gegebenheiten entsprechend: Ein gemeinnütziger Verein in Zusammenarbeit mit Schule, Verlagen und Buchhändlern unter Patronanz des Unterrichtsministeriums soll Kindern gute Bücher verbilligt vermitteln.

Und damit gibt er den Startschuss für die Entwicklung einer eigenständigen österreichischen Kinderliteratur. Einer seiner besten Freunde wird Karl Bruckner, der erste österreichische Jugendschriftsteller von internationalem Format. Mit der Gründung des Österreichischen Buchklubs der Jugend unternimmt mein Vater den entscheidenden Schritt auf jenem Weg, den er den Rest seines Lebens gehen soll: den Weg, Bildung und Wissen an junge Menschen heranzubringen. Mit einem Bücherrucksack tourt er durch Österreich, gewinnt durch seine zündenden Reden Lehrer und Eltern zur Mitarbeit und baut so Schritt für Schritt eine Organisation auf, um die das Ausland Österreich beneidet. Meine Mutter hat viel später einmal zu mir gesagt: "Wenn ich wissen will, warum ich mich in deinen Vater verliebt habe, muss ich nur eine Rede von ihm hören."

Unzählige Vortragsreisen führen ihn u.a. in die USA, die er gemeinsam mit meiner Mutter bereist, nach Russland, Persien, Honkong, Dänemark und England. Auch hier in Paudorf hat er noch vor 10 Jahren einen Vortrag gehalten mit dem Titel "Der Weg ins Leben".

Die wohl größte Stärke meines Vaters sind seine Fähigkeiten als Organisator: Er ist Mitbegründer des Internationalen Kuratoriums für Jugendliteratur, und als er dessen Präsidentschaft übernimmt, gründet er eine wissenschaftliche Forschungsstelle in Österreich: das Internationale Institut für Jugendliteratur. Und weil er sieht, dass gute Bücher allein nicht genügen, damit Kinder zu Lesern werden und Wissen erwerben, sondern dass die Voraussetzung dafür das Lesenkönnen ist, gründet er die Österreichische Lesegesellschaft und organisiert einen Internationalen Lesekongress in der Wiener Hofburg mit fast 4000 Teilnehmern.

Das letzte Beispiel seines Organisationstalents und seiner Überzeugungskraft, mit der er auch Geld auftreibt, ist das „Institut für Schulbuchforschung und Lernförderung“. Er gründet es im Alter von 77 Jahren und leitet es unentgeltlich bis zu seinem 90. Lebensjahr.

Aus dieser Arbeit ergibt sich sein letztes großes Buch: „Erfolgreiche Leseerziehung in Theorie und Praxis“ mit einem Umfang von 450 Seiten.

Wer meinen Vater gekannt hat, war von seinem Ideenreichtum und seiner Energie fasziniert. Bis ins hohe Alter entwickelt er Projekte zur Lese- und Lernförderung.

Anfang der 70-iger Jahre erkennt er sofort die Chancen der neuen kostenlosen Schulbücher. Früher hat er den trockenen, veralteten Lesebüchern immer die aktuellen Jahrbücher des Buchklubs als Klassenlektüre entgegengestellt. Jetzt entwickelt er Lesewerke für die Volksschule und die Mittelstufe, die auf der modernen Kinderliteratur aufbauen – sie werden zu einem durchschlagenden Erfolg.

Auch seine Familie kann sich der Faszination seiner Ideen nicht entziehen: Meine Mutter übernimmt schon bald die Kräfte raubende Redaktion der Lexika, mit denen sie sich ganz identifiziert: Das innovative 2-bändige „Österreich-Lexikon“ war wohl ihr liebstes – und schwierigstes - Kind.

Und ich - die einzige Tochter? Auch ich konnte den Ideen und der Begeisterung meines Vaters nicht entkommen: Ich dissertierte über Jugendliteratur und bin u.a. Mitherausgeberin seiner Lesebücher.

Und die Enkelin Monika? Auch sie ist milieugeschädigt: Als AHS-Lehrerin setzt sie sich intensiv für die Leseförderung ein.

Der Urenkel Daniel – der heute seinen 20. Geburtstag feiert - interessiert sich vorläufig vor allem für Sport. Sein Urgroßvater hätte dafür sicher Verständnis, ist er doch selbst mit 82 Jahren noch Ski gelaufen und hat mit 90 mit seinem Urenkel Fußball gespielt.

Bemerkenswert an meines Vaters Wirken ist auch die Art, wie er den Kern seiner Überzeugungen auf den Punkt bringt, auf eine prägnante Formulierung, die im Ohr bleibt, wie u.a. sein legendärer Slogan: „Zum Lesen verlocken“ oder: „Lesen lernt man durch Lesen.“ Oder: „Wer Bücher liest, will sie besitzen, wer Bücher besitzt, wird sie lieben!“ Mein Vater erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen im Inland und im Ausland - nicht zuletzt auch die Ehrenbürgerwürde der Marktgemeinde Paudorf. Auch ein Radweg, der an seinem Elternhaus vorbeiführt, trägt hier seinen Namen.

Bamberger Büste
Enthüllung der Büste
Besonders stolz war er auf die Verleihung des Ehrendoktorats an einer deutschen Universität.

Mein Vater hat ein sehr langes und erfülltes Leben gelebt. Auf den Tag genau 1 Monat nach dem Tod meiner Mutter will sein Herz nicht mehr, aber man hat ihn ins Leben zurückgeholt. Danach führt er ein geruhsames Leben: Er rezitiert Gedichte, schmökert in alten Büchern und freut sich an seinem Gartens und an unseren Hunden. Und immer ist er freundlich und heiter und klagt nie.

10 Wochen nach einem Schlaganfall schläft er am 11. November 2007 in Frieden zu Hause ein.

Eine herausragende Eigenschaft meines Vaters war seine Großzügigkeit. Er unterstützte und half immer wieder Freunden und Fremden, wenn sie seine Hilfe brauchten.

Und Menschen, die mit ihm zu tun hatten, sagten mir, dass sein großartiges Engagement und seine Energie für ihre eigene Arbeit Anregung und Verpflichtung war. Mir war er ein liebevoller Vater, der war immer voll Verständnis für mich da war. Seine Gefühle aber hat er nur schwer zeigen können. Ich bin froh, dass ich in seinen letzten Lebenstagen bei ihm sein konnte.

„Bist eh brav!“, hat er da einmal zu mir gesagt und leise gelächelt. Und eben dieses Lächeln habe ich in der Bronzebüste des Künstlers Leo Pfisterer wiedergefunden – und dafür danke ich ihm von ganzem Herzen!

Quellen#



Redaktion: I. Schinnerl