Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Breisach, Emil#

* 21. 3. 1923, Stockerau

† 10. 1. 2015, in Graz

Schriftsteller, Publizist und Kulturmanager


Emil Breisach wurde am 21. März 1923 in Stockerau (Niederösterreich) geboren und kam mit neun Jahren nach Graz, wo er aufwuchs und die Schule besuchte.

Nach der Kriegsmatura folgte der Arbeitsdienst, danach Fronteinsätze in Rußland, Jugoslawien und Ungarn.

Schon während seines Studiums der Kunstgeschichte, Soziologie, Philosophie und der Psychologie arbeitete er als Sprecher der Sendergruppe Alpenland (Radio Graz). 1947 begann er für Grazer Kabarett-Ensembles zu schreiben, so z.B. für das "Studentenbrettl des Grazer Hochschulstudios" (wo er auch als Darsteller wirkte), "Treffpunkt Orpheum", "Forum-Zoo" oder "Die Tellerwäscher".

Im Alter von 23 Jahren wurde der leidenschaftliche Kabarett-Texter und Conferencier im Rundfunk zum Leiter der Sparte Unterhaltung/Kabarett ernannt, 1967 wurde er zum Landesintendanten des ORF Landesstudio Steiermark berufen.


Emil Breisach prägte die kulturpolitische Entwicklung in der Steiermark über Jahrzehnte: er war Mitbegründer des Grazer "forum stadtpark", dessen Präsident er zwischen 1958 und 1967 war; er war 1968 auch Mitbegründer des steirischen herbsts, wo er von Anbeginn dem Präsidium angehörte, und auch des Avantgardemusikfestivals "musikprotokoll".

Nach seiner Pensionierung im Jahr 1988 begründete er die Akademie Graz, der er bis 2006 als Präsident vorstand, und die seither Themen der Politik, Forschung, Wirtschaft und Kultur aufgreift.


Als Regisseur war Breisach an vielen österreichischen Bühnen aktiv; er verfasste selbst mehrere Theaterstücke und schrieb - neben Texten in Anthologien - seit 1954 ("Humor auf Zehenspitzen") auch mehrere Bücher. Seit seinem 80. Geburtstag widmet er sich verstärkt seinem "Jugendtraum": der Herausgabe seiner Lyrik.

1998 rief Breisach das internationale Straßen- und Puppentheaterfestival in Graz ins Leben, das nunmehr unter "La Strada" fortgesetzt wird. Im Jahr 2005 rief Breisach mit dem "LandArt Park und Au Schloss Gleinstätten" seine jüngste Kunstinitiative ins Leben: ein Skulpturenpark in der Südweststeiermark.


Emil Breisach war verheiratet und Vater von fünf Kindern.

Der langjähriger Initiator, Förderer und Unterstützer der steirischen Kulturszene und Rundfunkpionier der Steiermark starb am 10. Jänner 2015 im Alter von 91 Jahren.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse
  • Ehrenring der Stadt Graz

Werke (Auswahl)#

  • Breisach, E.(u.a.), Humor auf Zehenspitzen, Stiasny, Graz, 1954
  • Die Angst vor den Medien, 1978
  • Am seidenen Faden der Freiheit, 1983
  • Hartwig, Heinz (Hrsg.), Emil Breisach, Wider den Strich. Textsammlung: Reden, Vorträge, Aufsätze, Hörspiele. Leykam, Graz 1993
  • Aderngeflecht, 2006)
  • Augenblicke des Zauderns, 2007
  • Den Sand hören", 2008


Interview über das Leben von Emil Breisach aus dem "Falter" 52/08#

Dunkle Gedanken

Über die Welt jederzeit. Aber über Gott? Was könne man da Sinnvolles sagen, hat Emil Breisach gefragt, als der Falter um ein längeres Gespräch zum Jahresende – "über Gott und die Welt" – bat. Das Gespräch fand dann in der Ernst Fuchs Bar im Erzherzog Johann statt, einem Raum, den Breisach schätzt. Nicht wegen, sondern trotz dessen Gestaltung durch den Maler Ernst Fuchs. Die Bar, sagt Breisach, erinnere ihn an die ebenfalls von Fuchs gestaltete "entsetzenerregende" St. Jakob-Kirche in Thal. Mit Günter Waldorf, wie Breisach ein Mitgründer des Forums Stadtpark, war er bald nach der Eröffnung im Jahr 1992 dort. „Wir sind ins tiefe Schweigen verfallen“, erinnert sich Breisach. Dann Waldorf: "Jetzt waren wir in einem Bordell."


Falter:

Herr Breisach, wie war denn das Jahr 2008?


Emil Breisach: Ich bin oft von Bekannten, die meine Gedichte lesen, gefragt worden, warum ich einen so melancholischen und kritischen Ausdruck für die derzeitige Situation finde. Ich meine, wir sind – und das beschäftigt mich schon einige Jahre – in dieser Postmoderne in eine hypertrophe Spaßgesellschaft hineingeraten. Nun ist die Krise eingetreten, von der wir erst den Beginn erleben. Ich glaube, dass aus der Finanz- eine wirkliche Wirtschaftskrise werden wird, deren Ausmaße zum Teil noch geleugnet werden. Wenn ich im Fernsehen sehe, wie einigermaßen informierte Menschen uns zu belügen versuchen, um nicht noch größere Unsicherheit zu verbreiten, die Spareinlagen zu sichern und das Weihnachtsgeschäft auf Trab zu halten. Aber man merkt es an ihren Gesichtern.


Was meinen Sie mit Spaßgesellschaft?


Breisach: Ich habe das bei der nachfolgenden Generation beobachtet. Die ist durch das Wirtschaftswunder in eine Situation hineingeraten, in der alles möglich ist. Ich habe gesehen, wo das Geld hingeht. Die Leute haben angefangen, Golf zu spielen, sind im Urlaub mit Yachten im Mittelmeer unterwegs oder unternehmen Reisen nach Südafrika. Haben hypertroph gelebt und sich um öffentliche Anlässe nicht gekümmert. Auch hat diese Generation der – kommerziell – Tüchtigen nicht die geringste Lust gezeigt, in die Politik zu gehen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.


Sie sind in einer Zeit groß geworden, die von der großen Wirtschaftkrise von 1929 überschattet war. Haben Sie die gespürt?


Breisach: Vehement! Einige meiner Mitschüler kamen aus Arbeiterfamilien, sie sind bloßfüßig in die Volksschule gekommen, weil die Eltern kein Geld hatten, ihnen Schuhe zu kaufen. Ich habe mein Butterbrot, das ich von zu Hause mitbekommen habe, immer auf meine Kollegen aufgeteilt. Das war eine bittere Armut.


Selbst waren Sie davon nicht betroffen?


Breisach: Mein Vater hat nicht viel verdient, er war Berufsoffizier. Er kam aus einer sehr kinderreichen Familie und wurde als Kind in eine Militärunterrealschule gegeben, weil seine Mutter eine Möglichkeit gesucht hat, wenigstens ein Kind vom Staat erziehen zu lassen. Mein Vater war kein begeisterter Offizier, er hat den ersten Weltkrieg noch mitgemacht und mir auf den Weg mitgegeben: "Geh nicht zum Militär, das ist ein Beruf, in dem man immer gehorchen muss!"


Warum waren Sie trotzdem in der Wehrmacht?


Breisach: In der Euphorie, die sich bei den ersten Siegen der Deutschen ausgebreitet hat, waren wir der Meinung, dass dieser Aufbruch im Nationalsozialismus in eine bessere Welt steuert. Das war eine Grundstimmung, die auch vom Lehrkörper am Lichtenfelsgymnasium forciert wurde. So habe ich mich mit zwei Kollegen Ende der siebenten Klasse kriegsfreiwillig gemeldet. Um nicht zu kurz zu kommen, um irgendwelche Heldentaten zu vollbringen. Die Irritationen sind dann im Krieg gekommen. Ich war in Russland bei der Belagerung von Leningrad, dann am Balkan, in Bosnien, Montenegro, auf den Inseln Korcula und Mljet, am Schluss habe ich die letzte Offensive am Plattensee mitgemacht. Ich habe als Reserveoffizier mit 18 Jahren die "Freude" gehabt, eine Kompanie mit 180 Leuten zu lenken, wurde dreimal verwundet und war dreimal in der Situation, dass ich mit Kriegsgericht bedroht wurde, weil ich mich geweigert habe, Befehle auszuführen.


Ist die Erinnerung daran sehr lebendig?


Breisach: Ich beschäftige mich sehr damit: Als ich nach meiner letzten Verwundung zurückkam, gab es einen Kardinalschock in meinem Leben. Ab Herbst 1945 arbeitete ich als Sprecher bei der Sendegruppe Alpenland. Da kamen täglich Menschen vor das Mikrofon, die von ihren Erlebnissen in den Konzentrationslagern erzählten. Das war in dieser Grausamkeit so unvorstellbar, dass ich zutiefst Skrupel bekommen habe: Wofür habe ich da gekämpft? Bin ich mit schuld, weil ich nichts früher geahnt habe?


War aber nicht klar, dass es etwa bei der Belagerung von Leningrad gerade auch darum ging, Zivilisten verhungern zu lassen?


Breisach: Wir haben vom Hunger nichts mitbekommen. Das war ein Stellungskampf: auf der einen Seite die Stellung der russischen Truppen rund um Leningrad, auf der anderen Seite wir in einer Entfernung von 800 Metern. Man hat sich gegenseitig beschossen, aber es hat keine Ausfallversuche der russischen Truppen gegeben.


Die Frage, die Sie sich nach dem Krieg gestellt haben, haben Sie die für sich beantwortet?


Breisach: Man kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist. Man kann aufgrund seiner Erfahrungen und dessen, was Hitler angerichtet hat, nur die Konsequenzen für sein weiteres Leben ziehen. Das habe ich bei all meinen Bemühungen versucht – ob publizistisch oder im Rahmen meiner Aktivitäten für eine Wiederauferstehung der Moderne in Österreich.


Müssen Sie mit einer Situation leben, in der Sie einen Menschen bewusst getötet haben?


Breisach: Wenn man in Kämpfe verwickelt war und geschossen hat, stellte sich immer die Frage: Erwischt es einen selber oder trifft man jemand anderen. Ich habe das Glück gehabt, im Nahkampf nie jemanden bewusst getötet zu haben. Schrecklich war, dass es in meiner Kompanie regelmäßig Verluste gab. Ich war dann gezwungen, Briefe an die Verwandten zu schreiben. Das prägt tief. Sie sind jung, Sie werden das nicht verstehen – dieses Gefühl, im Krieg lebendig geblieben zu sein, mit einem "nie wieder" aufzuwachsen und in eine neue Welt hineinzugehen.


Waren Sie Mitglied in der NSDAP?


Breisach: Nein.


Wie haben Sie die Zeit nach 1945 erlebt, als versucht wurde, ehemalige Nazis wieder in Institutionen einzubauen?


Breisach: Vielleicht kann ich zwei Dinge erzählen. Ich hatte zu Kriegsende eine Frau, ein Kind war unterwegs, mein Vater war gestorben, und ich habe einen Beruf gesucht. Durch Zufall traf ich Albert Moser, der damals Musikprogramm für die Sendergruppe Alpenland machte und später Festspielintendant in Salzburg wurde. Ich habe ihn gefragt, ob sie Gedichte brauchen, da ich im Krieg Gedichte geschrieben hatte. Er hat gelacht: "Wir beschäftigen uns eher mit Suchmeldungen und mit Lebensmittelaufrufen als mit Gedichten. Aber wir suchen einen Sprecher. Kannst du sprechen?" Ich hatte eine Bubenschule besucht und dort immer die weiblichen Hauptrollen gelesen, wenn wir Shakespeare gelesen haben. Ich habe mich beworben und wurde genommen. Ich musste dann zum britischen Chef gehen, das war Bronislaw Janowski, ein polnischer Jude mit österreichischer Vergangenheit. Ich bin vor ihm gestanden, er hat meine Stiefel gesehen und meine Reithose – was anderes hatte ich nicht zum Anziehen. Und er hat meine schwarze Armbinde gesehen. Er hat gefragt: "Waren Sie Offizier?" – "Ja, Reserveoffizier." – "Sie wissen, dass wir keine Reserveoffiziere aufnehmen dürfen?" Das wusste ich nicht. Dann sagte er: "Sie tragen Trauer, wer ist in Ihrer Familie gestorben? – "Mein Vater." – "Wer war Ihr Vater?" – "Er war Offizier unter dem Kaiser und später im Bundesheer." Janowski ist lange im Schweigen versunken, dann sagte er: "Ich werde Sie trotzdem aufnehmen. Ich war im Ersten Weltkrieg auch Offizier unter dem Kaiser." Das sind Erlebnisse, die man nicht vergisst. Was von der Monarchie noch nachgewirkt hat!


Das andere Beispiel: Ich treffe mich alle fünf Jahre bei Maturafeiern mit meinen Schulkollegen. Ein Drittel ist gefallen, einige sind gestorben, einige noch am Leben. Ich verlasse diese Zusammenkünfte meistens nach dem zweiten Glas Wein, weil ich merke, dass einige Kollegen diese Vergangenheit nicht verarbeitet haben, dass es immer noch Aussagen über „entartete Kunst“ gibt oder darüber, dass die Geschichte mit den KZ ja politische Propaganda wäre. Ich bin schon in eine gewisse Vereinsamung hineingetreten, weil ich gemerkt habe, dass meine Generation den Krieg und den Nationalsozialismus zum Teil überhaupt nicht verarbeitet hat. Eine wirkliche Tragödie.

Die Wirtschaftskrise, das Schüren von Ressentiments – dieses Muster, das die Zwischenkriegszeit prägte, gibt es heute auf anderer Ebene wieder. Wie beurteilen Sie das?


Breisach: Ich betrachte das Wiedererstarken rechtsextremer Parteien mit großer Sorge. Es beruht zum Teil auf einem Versagen der großen Parteien, und in der Bevölkerung herrscht ein gewisser Missmut darüber, dass die grundsätzlichen Ideale der beiden Großparteien – die christlich-soziale Gesinnung bei der ÖVP, die solidarische Gesinnung bei der SPÖ – nur noch eine sehr geringe Rolle spielen. Das ist bestürzend.

Wie reagieren Sie darauf? Wählen Sie weiß?

Breisach: Ich bekenne offen, dass ich ein passionierter Wechselwähler bin. Ich habe immer sehr gern den alten und den jungen Krai¬ner (die beiden langjährigen ÖVP-Landeshauptmänner Josef Krainer sen. und jun., Anm.) gewählt, in Graz den Stingl (SPÖ-Bürgermeister von 1985 bis 2003). Bei der letzten Nationalratswahl wollte ich dann überhaupt nicht wählen gehen, habe aber zu meiner Frau gesag t, als wir ins Auto einstiegen: „Wählen wir die Grünen.“ Hat sie gesagt: „Hast Recht, der Van der Bellen ist ein anständiger Mensch.“

Und jetzt ist er weg von der Spitze ... Aber zurück: Sie haben sich nach dem Krieg dem Kabarett zugewandt. Wie kam das?

Breisach: Der Schock nach der Heimkehr, von dem ich gesprochen habe, hat bewirkt, dass ich mich gefragt habe: Wie kann ich mein Leben umorientieren? Was kann ich für eine bessere Gesellschaft unternehmen? (lacht) Und da hat sich das Kabarett angeboten. Ich bin dem „Studentenbrettl“ von Ulrich Baumgartner beigetreten, habe dort Programme geschrieben, weil ich draufgekommen bin, dass ich das kann.

Sie haben zu dieser Zeit überhaupt sehr viel geschrieben: Hörspiele, ein Drehbuch ...

Breisach: Ich hatte eine Großfamilie zu ernähren. Wenn es Angebote gab, habe ich halt mitgetan. Mit Maxi Böhm habe ich eine große Revue geschrieben, die im Stefaniensaal gelaufen ist, oder am Drehbuch für den Film „Holiday am Wörthersee“ mitgearbeitet – eine schreckliche Sache! Ich habe versucht, etwas Kabarettistisches hineinzuverlagern, aber es war schon eine Kitschproduktion. Zum Lernen war’s nicht uninteressant.

Sie haben nach dem Krieg die steirische Kulturlandschaft wie kaum ein anderer mitgeprägt, das Forum ebenso mitbegründet wie den herbst oder La Strada. Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Breisach: Besonders wichtig war mir das Forum Stadtpark, weil sich daraus vieles entwickelt hat. Aber besonders stolz ...

Stolz ist keine Kategorie für Sie?

Breisach: Nein.

Sie wollten ja auch Ihren 85. Geburtstag heuer nicht besonders gefeiert wissen. Warum war Ihnen nicht danach?

Breisach: Man wollte mir ein großes Fest bereiten, und ich habe keine Lust dazu gehabt. Der Vorschlag war, alle meine Freunde einzuladen. Ich kenne solche Veranstaltungen. Dann kommen sie wirklich alle zusammen, fühlen sich auch noch veranlasst, einem Geschenke zu machen, und man hat dabei nicht einmal Gelegenheit, mehr als fünf Worte zu reden. Meine Freundschaften pflege ich als persönliche Freundschaften.

Sie haben vor zwei Jahren Ihre Akademie Graz übergeben und sich vermehrt ins Privatleben zurückgezogen. Warum?

Breisach: Es war notwendig. Ich bin in einem Alter, in dem ich damit rechnen muss, dass es plötzlich schnackelt und aus ist. Ich treffe immer wieder mit Menschen aus meiner Altersgruppe zusammen. Der Eine hat Parkinson, der Zweite ist dement und der Dritte hat Alzheimer. Man ist selbst gefährdet, in eine solche Situation zu kommen, da muss man zeitgerecht zurücklegen.

Wie bleiben Sie überhaupt derart fit?

Breisach: Ich schreibe Gedichte, beschäftige mich mit den aktuellen Fragen und gehe noch fallweise zu Veranstaltungen, wo ich Innovationen zu begegnen hoffe. Das ist, leider Gottes, nicht immer der Fall. Ich hatte aber heuer zwei wunderschöne Erlebnisse. Beim musikprotokoll war ein hervorragendes Klavierkonzert von Beat Furrer zu hören, den ich am Nachmittag übrigens noch treffe. Ein wirklich meisterliches Werk. Und in der Kollegienkirche in Salzburg habe ich Salvatore Sciarrinos Oper „Luci mie traditrici“ gesehen, die mich außerordentlich beeindruckt hat. Es gibt also Nahrung genug, wenn man bereit ist, sie sich zu suchen. Es ist allerdings die Suche manchmal etwas schwierig geworden.

Zu Neuer Musik haben Sie eine besondere Beziehung. Und in Friedrich Cerha, der selbst in jungen Jahren zur Wehrmacht kam, später desertierte, haben Sie einen kongenialen Partner gefunden. Was verbindet Sie?


Breisach: Er hat ähnliche Dinge mitgemacht wie ich, leidet auch unter diesen Elementarereignissen des Zweiten Weltkriegs. Es war Zufall, dass er etwas komponiert hat. Er hat seinen 80. Geburtstag gefeiert, und da hab’ ich mir gedacht, ich schicke ihm ein Buch von mir. Dann hat er mich angerufen und gesagt, ihm gefallen die Gedichte so gut, dass er etwas komponieren wolle und ob ich etwas dagegen habe. Inzwischen hat er drei Kompositionen gemacht. Sicherlich ist unsere Grundgesinnung sehr ähnlich.


Woher kommt denn das Dunkle, das Einsame in Ihrer Lyrik. War das schon bei Ihren ersten Gedichten so oder hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

Breisach: Es ist aus der Beobachtung entstanden. Wenn man bei „nie wieder“ anknüpft und diese Hoffnung mit dem vergleicht, was daraus geworden ist, kommt man zwangsläufig auf dunkle Gedanken. Ich fürchte, dass wir weltpolitisch noch viel gravierendere Ereignisse zu erwarten haben als die Wirtschaftskrise. Zum einen sicherlich die Umweltkrise, die für die nächste Generation heraufzudämmern droht, zum anderen eine neue Auseinandersetzung um die weltweite Führungsrolle. Die Europäische Union, von der gesagt wird, sie sei zu nichts Neuem fähig, hätte die Chance, eine neue geistige Führungsrolle zu übernehmen. Damit verknüpfe ich schon einige Hoffnung.

Sie waren zwanzig Jahre Intendant des ORF Steiermark. Sehen Sie eigentlich noch fern?


Breisach: Ja, ich schaue mir die Nachrichten an und das „Universum“. Ab und zu etwas auf arte und 3sat. Das Publikum hat ein unglaubliches Kitschbedürfnis. Unsere Tendenz unter Bacher war noch, aus den Minderheiten von heute die Mehrheiten von morgen zu machen. Heute meint man, man müsse sich am Bedürfnis der Menschen, sich in dieser Wellness-Welt wohlzufühlen, orientieren. Das wird schrecklich ins Auge gehen, wenn die Krise virulent wird.


Sie beobachten ja nicht nur Zeitgeschehen, sondern auch Vögel. Warum?

Breisach: Durch meinen Vater habe ich in meinem Leben einen unerhörten Freiheitsdrang entwickelt. Die Ornithologie beschäftigt mich, weil Vögel Wesen sind, die ihren Freiheitsdrang ausnützen, indem sie unglaublich weite Strecken fliegen und dabei nicht die Orientierung verlieren. Das ist irgendwo etwas Beispielgebendes. Ich fahre oft ins Burgenland, war auch schon auf den Galapagos-Inseln – ein großes Erlebnis!


Was ist da zu lernen?


Breisach: Unerhört viel. Es gab einmal eine Dokumentation über eine Affengruppe auf Kriegspfad, die sich an eine andere Gruppe angeschlichen hat. Dabei wurden die Gesichter der Affen gefilmt, die mich bestürzend an unsere eigenen erinnert haben, als wir uns im Krieg zu unsichtbaren Feindgruppen vorgetastet haben. Das ist dieselbe Mentalität, die ich da gespürt habe. Ich glaube, dass die Menschen immer noch in diesem Hordenbewusstsein der Primaten zu Hause sind. Wo Sie hinsehen, bilden sich Horden. Ob das Männerbünde sind, Anhänger von Fußballvereinen oder Parteien, die nur ihr eigenes Wohlergehen im Sinn haben statt das der Menschen, für die sie angeblich die Verantwortung tragen.

Sie haben seit Gesprächsbeginn fünf Zigaretten geraucht. Wollten Sie nie aufhören?


Breisach: Ich habe es drei Mal aufgegeben, um mir zu beweisen, dass ich es könnte, wenn ich wollte. Jetzt macht’s mir Spaß. Gerade seit diese Anti-Raucher-Kampagne im Gang ist, rauche ich ganz bewusst.

Immer schon Dames?

Breisach: Ja, immer. Das ist die einzige Zigarette, die ich vertrage. Die hat sich an mich gewöhnt und ich mich an sie.

Vorbildwirkung entfalten Sie damit keine.


Breisach: Nein, ich mag in meinem Leben niemanden nachmachen. Daher verlange ich auch von anderen, dass sie mich nicht nachmachen.


Haben Sie heuer etwas verabsäumt, das Sie 2009 nachholen wollen?

Breisach: Ja. Ich hatte schon früher ein paar Theaterstücke geschrieben, ein bisserl was wurde auch aufgeführt. Jetzt habe ich ein ganz gutes Sujet gefunden und hoffe, dass ich noch dazu komme, es zu bearbeiten.


Worum geht es?

Breisach: Um einen Pflegefall, der seine Umgebung tyrannisiert. Vielleicht projiziere ich mich da in eine Situation, vor der ich Angst habe.
Das ist eine schreckliche Vorstellung, die man in diesem Alter hat: Dass man einmal entmündigt werden könnte durch seine eigene Verfassung. Ich habe das bei anderen Menschen gesehen. Das ist eine Vorstellung, die mich wirklich erschreckt.


Thomas Wolkinger in Falter : Stmk 52/2008 vom 24.12.2008 (Seite 52) - abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags

Quellen#


Redaktion: P. Diem, I. Schinnerl