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Goll, Ernst#


* 14. 3. 1887, Windischgrätz

† 13. 7. 1912, Graz


Dichter, Lyriker


Ernst (eigentlich Ernest) Goll wurde am 14. März 1887 als Sohn eines Oberpostmeisters und Gastwirts in einer wohlhabende Bürgerfamilie im damals südsteirischen Windischgraz geboren. (Als Slovenj Gradec liegt es heute in Slowenien und ist Teil der Region Koroska, also des slowenischen Kärnten).

Goll wuchs in einer zweisprachigen Umgebung auf und lernte auch in der Schule Slowenisch. Nach seiner Gymnasialzeit in Marburg kam er als Student an die Universität Graz, um Philosophie zu studieren. Hier brachten ihn sein Minderheitenbewusstsein und seine Liebe zur deutschen Sprache in deutschnationale Kreise - ein Umstand, der sich für die spätere Rezeption seiner Gedichte als nahezu fatal erweisen sollte.

Ernst Goll war ein aufstrebender Lyriker, der sich Lenau, Hölderlin und seinem Landsmann Hugo Wolf seelisch verwandt fühlte – und zerbrach noch vor der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbandes am Leben.

Er stürzte sich am 13. Juli 1912, gerade einmal 25jährig, aus einem Fenster der Grazer Universität.

("Wir haben wahrscheinlich an ihm einen bedeutenden Dichter verloren, ohne ihn zu besitzen" schrieb Peter Rosegger in einem Nachruf.)

Golls engster Freund, der Murecker Autor Julius Franz Schütz, brachte noch im selben Jahr den Großteil seiner Gedichte unter dem bezeichnenden Titel "Im bitteren Menschenland" heraus. Der im Berliner Fleischel Verlag erschienene Band verkaufte sich offenbar recht gut und bis zum Zweiten Weltkrieg hatten Golls Texte nicht nur in der Steiermark einen Fixplatz in so mancher Hausbibliothek. Zahlreiche spätere Nachrufe und Dutzende Vertonungen durch mehr als 20 Komponisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum belegen dies.

Nicht, ohne vorher die romantischsten und melancholischsten seiner Gedichte auszusortieren, bemächtigte sich 20 Jahre nach seinem Tod die nationalsozialistische Propaganda des Goll'schen Werkes.

Obwohl sich in Ernst Golls Gedichten - im Gegensatz zu den Werken manch anderer Dichter, die sich von nationalistischen Hasstiraden mitreißen ließen - auch mit viel Phantasie keine nationalsozialistische Gesinnung hineininterpretieren ließ, wurde er als "Grenzlanddichter" von den Nazis vereinnahmt.

Während sich andere, ideologisch tatsächlich gefärbte steirische Dichter wie Ottokar Kernstock und Hans Kloepfer sich auch noch in der Nachkriegszeit großer Beliebtheit erfreuten, geriet Golls Dichtung weitgehend in Vergessenheit.

Erst mit dem Erscheinen einer zweisprachigen Ausgabe von "Im bitteren Menschenland/V trpki dezeli cloveka" im Jahr 1997 in der Übersetzung von Vinko Oslak begann die Wiederentdeckung.


In ihrer stilistischen Eigenartigkeit muten Golls Gedichte oft erstaunlich modern an. In dem Gedicht "Adorata" lässt Goll die Angebetete ihren Freiern Folgendes ausrichten:

Ihr kommt zu mir - und wisset selbst nicht wie:
Ihr müßt in Andacht eure Stirne neigen.
Vor meiner Reinheit beugt ihr stumm das Knie,
Und aller Weltlust irre Wünsche schweigen.

Derartige Verse sind auch heute nicht leicht einzuordnen: mittelalterliche Minnelyrik, verklärte, spätromantische Schwärmerei, eine besondere Art von unheilschwangerem Expressionismus durchziehen viele seiner Gedichte.



Zum Doppeljubiläum im Jahr 2012 (125. Geburtstag/100.Todestag) erschien eine Gesamtausgabe aller nachgelassenen Werke Golls. (Herausgeber Christian Teissl macht darin erstmals auch Prosaskizzen sowie ein besonders interessantes Dramenfragment namens "Elsa oder das Ende der Kindheit" der Öffentlichkeit zugänglich.)

Im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2012 eröffnete am 19. Juli im ehemaligen Casino am Mariborer Hauptplatz die Ausstellung "Gledat, kaj delajo/Schauen, was sie machen". Ernst Goll kommt dort als ein aus dem zweisprachigen Kulturraum stammender Dichter zu Ehren. An seinem Geburtshaus in Slovenj Gradec (nur wenige Schritte vom Geburtshaus Hugo Wolfs entfernt) ist heute eine Gedenktafel angebracht.

Werke (Auswahl)#

  • Im bitteren Menschenland, Hg. von Julius Franz Schütz, 1887
    (danach erschienen neue Auflagen, teilweise mit zusätzlichen Gedichten erweitert, 1919, 1926, 1935, 1943 und 1947)
  • Im bitteren Menschenland. Das gesammelte Werk, Hg. von Christian Teissl, 2012

Weiterführendes#

Quellen#

Redaktion: I. Schinnerl