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Wildner, Heinrich#

* 27. 5. 1879, Reichenberg (Liberec, Tschechische Republik) Liberec

† 4. 12. 1957, Wien


Diplomat

Heinrich Wildner
Heinrich Wildner
© Foto BMEIA

Heinrich Wildner wurde am 27. Mai 1879 in Reichenberg (heute Liberec, Tschechische Republik) geboren.

Nach seinem Abschluss am humanistischen Gymnasium 1897 wurde er in die k.u.k. Orientalische Akademie (spätere Konsularakademie) aufgenommen, die er 1902 mit Auszeichnung abschloss.

Heinrich Wildner war ein akribischer Tagebuchschreiber - fast täglich hielt er fest, was in seinem Umfeld geschah, und fertigte Gedächtnisprotokolle von Gesprächen an; alles in Gabelsberger Kurzschrift, der am weitesten verbreiteten Form der Stenografie vor der Einführung der Standardstenografie.

1903 leistete er seinen Militärdienst beim Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 10 ab und wurde an das Generalkonsulat St. Petersburg zugeteilt, wo er zum Konsularattaché ernannt wurde. Im Dezember 1905 wurde er zum Vizekonsul ernannt.

Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte an der Universität Wien 1908 wurde er 1909 mit der provisorischen Leitung und 1911 mit der Leitung des Konsulates Belgrad betraut.

1914 wurde er in das k.u.k. Ministerium des Äußern einberufen und der handelspolitischen Sektion zugeteilt, zugleich war er Schriftführer der politischen Zoll- und Handelskonferenz.

1918 – nach dem ersten Weltkrieg – wurde er zu den Friedensverhandlungen in Brest Litowsk beigezogen ("ukrainischer Frieden") und nahm von Juli bis Oktober an den österreichisch-ungarisch-deutschen Wirtschaftsverhandlungen in Salzburg teil.

1919 erfolgte seine Übernahme und Angelobung in den Dienst Deutsch-Österreichs, wo er die Leitung der "Abteilung für Wirtschaftspolitik im Verhältnis zum Ausland" innehatte und 1922 den Titel eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers verliehen bekam.

Im Februar 1923 nahm er an der Reise von Bundeskanzler Seipel nach Belgrad teil. 1930 war er an Verhandlung, Abschluss und Unterzeichnung des neuen österreichisch-deutschen Handelsvertrages in Berlin beteiligt – ebenso wie 1934 an den Sonderverhandlungen mit Außenminister Benes über die Römischen Protokolle in Prag.

1938 war er noch von März bis August bei der Liquidierung des österreichischen Außendienstes beschäftigt, danach wurde er ohne Dekret beurlaubt und 1939 in den Ruhestand versetzt.

Den Krieg verbrachte Wildner als Privatier, sein Tagebuch führte er jedoch weiter.

Im April 1945 wurde Heinrich Wildner, der Diplomat der alten Schule, wieder "in Dienst gestellt"“ – vorläufig in der Staatskanzlei, im Amt für die Auswärtigen Angelegenheiten, bevor er von Karl Renner zum Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten ernannt wurde.

1947 wurde er zum Sektionschef ernannt und 1949 (mit einer Beamten-Dienstzeit von mehr als 46 Jahren) in den dauernden Ruhestand versetzt.

Heinrich Wildner, Spitzendiplomat der Ersten und Zweiten Republik, führte bis 1950 ein oft sehr persönlich gestaltetes Tagebuch, von der Monarchie bis in die zweite Republik. Er legte aber auch Dossiers über Kollegen an, hatte intime Kenntnisse über Politiker und deren Mitarbeiter und soll einen recht schroffen Umgangston gepflegt haben (man nannte ihn u.a "General", "Polizist" oder auch "saurer Heinrich“).

Außer in der NS-Zeit war er immer nah an den Schaltstellen der politischen Machtträger. Manche Textpassagen aus den Aufzeichnungen von 1938 bis 1945 zeigen das Verhalten seiner ehemaligen Kollegen zwischen Anbiederung und Verhaftung ebenso wie seinen Wissensstand über das Schicksal von jüdischen Bürgern, sowie über Enteignungen rassisch und politisch Verfolgter und zeichnen auch ein ausgezeichnetes Bild der allgemeinen Stimmung im Wien der Nazizeit.

Am 4. Dezember 1957 starb Heinrich Wildner in Wien.

In den 1950er Jahren waren Wildners handschriftliche Notizen fein säuberlich abgetippt worden. In 170 Mappen - sortiert nach Themen und Jahrgängen - liegt das Stück österreichische Zeitgeschichte heute im Staatsarchiv und war bis 2009 gesperrt. In der Folge wurde Winters Tagebuch in vier Bänden, bis zu seiner Pensionierung 1949, zur Gänze veröffentlicht.

Werke (Auswahl)#

  • Die Technik der Diplomatie ("L'art de négocier"), 1959

Literatur#

Tagebuch Wildners
Das Tagebuch

Text über die Zustände im April 1945
Textprobe
  • Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Hg.), "Ich bestelle Sie hiermit zur Leitung des Außenamtes, ...". Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1945, 2010
  • Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Hg.), "...freilich werden wir im neuen Jahr noch nicht frei werden ...". Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1946, 2012
  • Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Hg.), "... Man ist noch immer nervös. Wir sind sehr swcharf bewacht ...". Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1947
  • Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (Hg.), "... Wie soll das weiter gehen ? ...". Das Tagebuch von Heinrich Wildner 1949, 2021
  • M. Neumüller, Diskursanalyse des Hochverratsprozesses gegen Dr. Guido Schmidt (Diplomarbeit}

Quellen#


Redaktion: P. Diem, I. Schinnerl, K. Hengl