!!!Das Haus der Geschichte entsteht unter lautem Ächzen und Würgen

''Ein geheimes Konzept, erschöpfte Parteien und die Hoffnung auf einen Start: \\
Die Debatte um ein "Haus der Geschichte" zeigt die Probleme Österreichs mit 
seiner Vergangenheit.'' \\ \\

Von __Stefan Müller__  



2005 Die ersten Studien für ein Haus der 
Geschichte Österreichs entstanden in den neunziger Jahren. Doch 2005,60 Jahre 
nach Kriegsende und zum 50. Jahrestag des Staatsvertrages, prallten die 
Gegensätze der Parteien in der Geschichtsschreibung wieder aufeinander. Jetzt 
ist Stillschweigen über das Projekt vereinbart.


Nicht Leichen, nur Arbeits- und Lenkungsgruppen, Konzepte
und politische Wadelbisse pflastern ihren Weg. Wenn sich die zwei Großparteien 
in einem Land wie Österreich daran machen, ein Haus der Zeitgeschichte zu 
zimmern, ist das zwar nicht Simmering gegen Kapfenberg - aber es schimmert 
Qualtinger durch. Nach zehn Jahren an politischem Kleinkrieg liegt seit Ostern 
ein fertiges Konzept in den Schubladen von __Josef Pröll__ und __Werner Faymann__. Dort 
setzt es Staub an. Was drinnen steht? Standort, Direktor, Budget? Alles top 
secret. Kein Kommentar aus den Ministerien. Die ersten Exemplare des dicken 
Wälzers wurden sogar mit Wasserzeichen versehen, die Vergabe an Dritte streng 
kontrolliert. Die Begründung: Damit es keine neue Diskussion gibt und das ganze 
Schlamassel nicht von vorne losgeht. Der Gedanke, eine Art Nationalmuseum zu 
errichten, war schnell ausgesprochen. Bereits __Karl Renner__ plant ab 1945 ein 
"Museum der ersten und zweiten Republik", das 1958 im Sand verläuft. Ein 
symptomatisches Ergebnis für spätere Jahre, in denen es darum ging, sich erst 
einen Blick auf die Geschichte der Mitlebenden zu erarbeiten. __Dollfuß__ - Märtyrer 
oder Diktator? Welche Schuld trifft Österreich an den Verbrechen des 
Nationalsozialismus? 1945 - Stunde Null oder Befreiung? Staatsvertrag und 
Neutralität - Identität oder Fetisch? Erst Ende der achtziger Jahre bringt die 
Katharsis der Waldheim-Affäre mehr Licht in wichtige Fragen. Aber ein nationaler 
Ort der Rückschau? 

__Leon Zelmans__ Anregung, ein Haus der Begegnung mit Geschichte 
zu schaffen, entfacht ab 1996 eine heftige Debatte in Politik und Wissenschaft. 
"Der Stand der Forschung steht außer Streit, das ist nicht das Problem", sagt Politologe Anton Pelinka, der 1999 auf Bitten von Wissenschaftsminister __Caspar Einem__ (SP) eine 
Machbarkeitsstudie für ein "Haus der Toleranz" verfasste. "Bei den Insidern geht 
es um den Zugang zu Aufträgen, den eigenen Namen, das eigene Institut. In der 
Politik gibt es schwierige Punkte." Die Neigung, nur an Wahlen zu denken und 
sich den Brüchen der Vergangenheit nicht stellen zu wollen, gäbe es auch 
anderswo. 

__Mangels Einigung zwei Ausstellungen__ 

Pelinkas Projekt kommt unter Beschuss. Im Zeithistoriker __Stefan Karner__, 
einem Freund von Kanzler Schüssel, findet die schwarze Reichshälfte ihren 
Geschichtsvertreter. Unterrichtsministerin __Elisabeth Gehrer__ (VP) gibt 1999 
eine eigene Studie bei ihm in Auftrag. Nur wenige Tage später fordern alle 
Parlamentsparteien - mit der Empörung führender Zeitgeschichtler im Rücken - die 
Regierung zu einem Ideenwettbewerb auf. Im Jahr 2000 taucht der Vorschlag eines 
virtuellen Museums auf. Ohne Schaustücke? Geht nicht, sagt __Manfried 
Rauchensteiner__, zu Beginn noch an Karners Studie beteiligt. Namhafte 
Historiker hätten sich der Debatte verweigern wollen: "Es ist 
selbstverständlich, dass man eine intensive Auseinandersetzung führt. Aber manch 
einer der 'Totalverweigerer' hat dabei gesprochen, wie der Blinde von der Farbe 
redet". Bei der Präsentation von Geschichte seien Museumsmacher gefragt: "Nicht 
primär Wissenschaftler, die sich um die Korrektheit des Inhalts zu kümmern 
haben." Zeitgeschichtler __Oliver Rathkolb__ hat erst gar nicht mitdiskutiert: 
"Eines der Probleme war immer, dass fast ausschließlich Historiker mitgeredet 
haben, und keine Multidisziplinarität gewährleistet war. Aber ein Wunschkonzert 
von Historikern ist kein Museum!" Als es an die Vorbereitung einer 
Staatsvertragsausstellung 2005 geht, als Grundstein für ein Haus der Geschichte 
gedacht, prallen die Fronten wieder aufeinander. Die ÖVP, sehr wohl für 
einen entmythisierenden Ansatz eintretend, will dort Österreichs Erfolge in 
der Nachkriegszeit und seine Brückenfunktion in Europa betont wissen. Die rote, 
scheinbar selbstkritischere Seite warnt vor einem chronologischen Bandwurm, der 
sich, mit Sagen über die stolze Nation überfüttert, dick und fett durch die 
Jahrzehnte frisst. Am Ende stellt eine Gruppe um __Hannes Androsch__ im Belvedere aus, __Stefan Karner__ gestaltet in Niederösterreich, auf der Schallaburg, seine eigene Schau.
Immerhin: In das Konzept von Museumsberaterin __Claudia Haas__ sind bisherige Bemühungen eingeflossen. Nach einer Ausschreibung bekam sie 2008 den Zuschlag, zuvor hatte eine Expertengruppe eine „Roadmap" erstellt. Das Ergebnis ist ein multiperspektivischer Ort des Gedächtnisses mit Webschwerpunkt, der zwar eine kleine permanente Sammlung haben soll, sich aber bei Ausstellungen auf Bestände regionaler Museen stützt. Speziell berücksichtigt werden Gender-Aspekte und Österreichs Verhältnis zu seinen Nachbarn. So viel war am Museumstag in Linz zu hören. Forschung soll keine betrieben, vielmehr „Geschichte verhandelt" werden. Die Zeit drängt, sagt Haas: „Der Blick in die Vergangenheit wird immer distanzierter. Zeitzeugen verschwinden und die junge Generation wächst weitgehend geschichtslos auf." Eine Nation werde auch danach beurteilt, wie sie mit der Vergangenheit umgeht. „Da hat sich Österreich keinen guten Ruf erworben in den letzten Jahren."\\ \\
  
__Quelle:__ "Die Furche" 22.10.2009


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Ein virtuelles Museum ist noch immer das Optimum. Die besten Objekte aus allen Österreichischen Museen und Archiven können mit größtmöglicher Medienreichweite international permanent präsentiert werden, ohne dass die einzelnen Museen ihre besten Stücke ausleihen müssten und dadurch massiv an Attraktivität verlieren würden, was ja schließlich nicht der Sinn der Sache sein kann. Auch Filme und Bilder etc. könnten dadurch optimal international präsentiert werden. Ein neues Haus dafür wäre nur ein Museum mehr und würde den Steuerzahler ohne Notwendigkeit noch mehr belasten, da die Museen ja nicht gerade enorme Einnahmen verbuchen. Offen ist auch nach wie vor, wer die Ausstellungsstücke zur Verfügung stellen soll. Freiwillig wird das niemand machen, Museen die das tun, verlieren ihre ohnehin nicht überwältigende Anziehungskraft. Noch dazu, wo derartig museale Präsentationsformen eher dem Denken vergangener Jahrhundert entsprechen.

--[Lix Obe|mailto:karl.glaubauf@hotmail.com.], Dienstag, 15. Dezember 2009, 17:56


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