!!!Erika PLUHAR: Hedwig heißt man doch nicht mehr

''Erika PLUHAR: Hedwig heißt man doch nicht mehr / Eine Lebensgeschichte, Residenz, 2021 / Rezension von Guenther Johann''

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PLUHAR, Erika: „Hedwig heißt man doch nicht mehr“, Salzburg Wien 2021


In ihrer blumigen und direkten Sprache erzählt Erika Pluhar in diesem Buch, wie Hedwig, eine 50-jährige Frau aus Portugal nach Wien kommt, um das Erbe ihrer Großmutter anzutreten. Sie war bei der Großmutter aufgewachsen. Als zwölfjähriges Mädchen kamen ihre Eltern bei einem Zugunglück ums Leben und sie landete bei ihrer Oma. Hedwig lebte viele Jahre allein mit ihrer Oma. Sie besucht die Schule und studiert später an der Universität Publizistik. Da tritt erstmals ein Mann in ihr Leben: Eugen, ein Dozent am Institut gefällt ihr und sie ihm. Er führt sie in ein neues Leben. Mit Lügen muss sie von zu Hause, von der Oma wegbleiben, um ihren Eugen zu besuchen, der in einem Hotelzimmer wohnt, weil er seine Familie verlassen hatte. Dieser Eugen führte mich als Leser in einen Teil meiner eigenen Vergangenheit. Eugen war – so schien es mir beim Lesen – ein Kollege von mir. Wir führten mitsammen ein Forschungsprojekt durch und schrieben gemeinsam ein Buch. Er war auch einmal der Freund der Autorin und nur so konnte es sein, dass er eine Rolle in diesem Buch bekam. Hedwig beendet ihr Studium und findet bei einer Zeitung eine nicht erstrebenswerte Anstellung. Auch das Leben mit dem Freund Eugen veränderte sich und die Liebe erlosch. Zwar hatten sie noch zu dritt – Oma, Eugen und Hedwig – den Studienabschluss gefeiert, aber Hedwig brach zu neuen Ufern auf. Ja sie floh. Sie verließ heimlich die Oma, der sie ihre Jugendjahre verdanken hätte sollen. Sie brach aus diesem Leben aus. Versteckte unter dem Bett den Koffer, in dem sie ihr Hab und Gut zur Abreise sammelte. Zeitig am Morgen, als die Oma noch schlief, verließ sie das Haus. Hinterließ keine Adresse. Fuhr mit dem Zug zu ihrer Schulfreundin nach Berlin. Dort tauchte sie wieder ins journalistische Leben ein. Später dann wurde sie Pressereferentin bei einem Buchverlag. Sie war glücklich und doch trat wieder ein Mann in ihr Leben: ein Portugiese, mit dem sie nach Lissabon übersiedelte. Sie lernte portugiesisch und mit Hilfe des einflussreichen Freundes fand sie wieder einen Job als Journalistin. Eine Kollegin, die zur Freundin wurde, half ihr die Sprachbarriere zu überwinden. Gemeinsam fanden sie einen Hund. Sie taufte ihn Anton. Die Beziehung zum Freund verdüsterte sich. Er hatte immer weniger Zeit für sie. Sie kündigt ihren Job, der sie nicht zufrieden stellte. So war sie viel zu Hause. Plötzlich stand eine Frau vor der Tür, die sich als Freundin ihres Lebensgefährten ausgab und in Hedwig die Haushälterin sah. Weinend packte sie ihre Koffer und verließ noch am selben Tag diese Wohnung. Mit ihrem Hund Anton zog sie bei der Freundin ein. Der verlassene Freund zeigte sich aber anständig und zahlte eine Wohnung und überwies monatliche einen Betrag. Der Hund wurde so zu ihrem Lebensmittelpunkt. 


Viele Männer gab es im hier erzählten Lebensabschnitt von Hedwig, aber sehr emotionell wurde es, als sie sich von ihrem verstorbenen Hund Anton verabschiedet. Das lässt die Augen keines Lesers trocken bleiben.
Wenig später übersiedelt die Freundin nach Brasilien und sie bleibt allein zurück. Sie verfällt. Pflegt sich nicht mehr. Trinkt zu viel. Nimmt Beruhigungsmedikamente. Geht nicht mehr aus. Nur das Notwendigste einzukaufen. Eigentlich sieht sie keinen Sinn mehr im Leben. Bei einem ihrer Einkaufswege erkennt sie trotz Ungepflegtheit eine entfernte Verwandte aus Wien. Man tauscht die Telefonnummern aus. Dies erlaubt es dann, dass sich ihr Cousin telefonisch meldet und mitteilt, dass die Oma schon vor 1 ½ Jahren verstorben sei. Laut Testament habe sie die Wiener Wohnung geerbt. Sie bricht wieder auf und kehrt nach Wien zurück, um diese Wohnung zu beziehen.

 
Die Geschichte ist in Form eines Briefes an die verstorbene Oma geschrieben. In der Wiener Wohnung schreibt sie ihr Leben nieder. Das schlechte Gewissen gegenüber ihrer Oma will sie so abstreifen. In ihren Schreibpausen, die sie in einem Restaurant verbringt, lernt sie einen Mann kennen. Das Verhältnis wird intensiver und sie befreunden sich. Das Buch aber endet mit dem letzten Briefeintrag an die Oma: dem Umzug nach Wien.
Erika Pluhar ist eine gute Erzählerin. Keine spektakulären Stories, aber sehr viel menschliches kann sie vermitteln und greift dabei auf eigene Erfahrungen zurück. Nur so kann sie authentisch das Leben in Portugal, wo sie oft war, beschreiben. Durch Zufall wurde auch ich in einen Abschnitt geführt, der mein Leben ausmachte: die Universität Wien und mein leider verstorbener Freund Eugen.

[{Metadata Beschreibung='Hedwig heißt man doch nicht mehr von Erika PLUHAR, Residenz, Salzburg Wien, 2021, 320 Seiten, ISBN: 9783701717491, Bericht von Guenther Johann' Suchbegriff='' Kontrolle='Nein'}]
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