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"Die Welt schuldet China ein Dankeschön"#

In China ist die Zahl der Neuansteckungen durch das Coronavirus drastisch zurückgegangen. Das sorgt in den Medien für Stolz - und könnte die KP-Führung um Staatschef Xi gestärkt aus der Krise hervorgehen lassen.#


Von der Wiener Zeitung (12. März 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt


Szene aus einem Krankenhaus in Wuhan
Szene aus einem Krankenhaus in Wuhan.
Foto: © APAweb /apa/afp

So mancher chinesischer Kommentator in den sozialen Medien versteht die Europäer nicht. Wie können diese nur, nachdem sich das Corona-Virus schon derart bei ihnen ausgebreitet hat, noch ohne Schutzmasken in der Öffentlichkeit herumlaufen? Ihnen sei nicht mehr zu helfen. So kommentierte nicht nur ein User Fotos aus Europa, auf denen Passanten zu sehen waren, die ohne Mundschutz, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, unterwegs waren. Und immer wieder stößt man auch auf die Empfehlung von Nutzern, dass sich die Europäer bei der Coronavirus-Bekämpfung doch ein Beispiel an China nehme sollten.

Die Perspektive hat sich verändert. Zwar hat China weiterhin global mit fast 81.000 betroffenen Personen den höchsten Anteil an den weltweit rund 116.000 bestätigen Coronavirus-Fällen. Doch meldete die Volksrepublik etwa am Mittwoch nur noch 22 Neuansteckungen. Hinzu kommt auch noch, dass die meisten neuen Fälle in der Provinz Hubei verzeichnet werden, es also im Rest des Landes kaum noch Ansteckungen gibt. Während in Europa große Sorge herrscht, wie weit sich das Virus noch ausbreitet, hat man in China den Eindruck, dass das Schlimmste überwunden sei.

Drastische Maßnahmen und starke Überwachung#

Auch wenn die offiziellen Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, hat China offenbar der Verbreitung des Virus einen kräftigen Riegel vorgeschoben - wobei allerdings aus Wuhan Klagen ihren Weg ins Internet fanden, dass dafür andere schwere Krankheiten nicht mehr behandelt werden. Bekämpft wurde das Virus mit drastischen Maßnahmen, die die Weltgesundheitsorganisation WHO immer wieder lobte - und auch mittels einer rigiden Überwachung der Bürger.

So wurde mit Wuhan eine Elf-Millionen-Einwohner-Stadt unter Quarantäne gestellt. Bewohnern war es nur alle drei Tage erlaubt, ihre Wohnung zu verlassen, um Lebensmittel einzukaufen. Wohnblöcke, in denen Corona-Fälle auftraten, wurden abgeriegelt. Der öffentliche Verkehr wurde eingestellt, große Verbindungsstraßen wurden auch für Autofahrer gesperrt. Neue, für die Corona-Bekämpfung errichtete Krankenhäuser wurden in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft. Mit Hubei, wo Wuhan liegt, ist eine Provinz mit 56 Millionen Einwohnern seit Jänner abgeriegelt. Und auch andernorts galten und gelten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wurden Büros, Schulen und Fabriken geschlossen.

Zudem beobachtete der Staat seine Bürger ganz genau. So kam in Dutzenden Städten eine App des chinesischen Internetgiganten Alibaba zum Einsatz. Diese App mussten dann Bürger bei Straßenkontrollen oder auch wenn sie einen Supermarkt betreten wollten, vorzeigen. Angezeigt wurde ein dem Handybesitzer zugewiesener QR-Code, der drei Farben umfasste: Grün (man darf sich frei bewegen), Gelb (sieben Tage Quarantäne), Rot (14 Tage Quarantäne). Ermittelt wurde dieser Code durch einen Algorithmus, nachdem die Bürger ein Formular mit persönlichen Daten, etwa über ihre Reisetätigkeit, ausgefüllt hatten. Diese Angaben wurden offenbar ebenso wie Bewegungsprofile direkt an die Behörden weitergeleitet.

Und auch sämtliche Medien wurden in den nationalen Kraftakt eingespannt: Das Fernsehen feierte das aufopfernd arbeitende Krankenhauspersonal, die Nation wurde zur Geschlossenheit aufgerufen. Am Dienstag wurde dann der Besuch von Staats- und Parteichef Xi Jinping in Wuhan ausgestrahlt. Man habe erste Schritte hin zu einer Wende geschafft, verkündete Xi dort.

Tatsächlich scheint sich auch für Xi und die restliche Parteiführung das politische Blatt gewendet zu haben. Beim Ausbruch der Krise zeigten sich die Schwächen des Systems: Wegen mangelnder Transparenz und großer Abstimmungsprobleme zwischen Peking und den Provinzen wurde, nachdem das Virus Ende vergangenen Jahres ausbrach, in den ersten Wochen kaum reagiert. Wer auf die Gefahr hinwies, wie der mittlerweile am Coronavirus verstorbene Arzt Li Wenliang, den drangsalierten die Behörden. Die Bevölkerung war enorm verunsichert, weshalb in den sozialen Medien ungewohnt harte Kritik an der Staatsführung laut wurde.

Das eigene System wird als überlegen dargestellt#

Mittlerweile hat die Zensur ihr Netz wieder enger geknüpft, kritische Kommentare finden viel schwerer ihren Weg in die Öffentlichkeit. Gleichzeitig scheint aber auch das Regime bei der Bevölkerung viel an Ansehen zurückgewonnen zu haben, und die nun verbreitete Erzählung - sei es in den sozialen Medien, sei es in Zeitungen und Fernsehen - ist eine ganz andere: China ist stolz darauf, wie schnell es das Virus eingedämmt hat. Dabei schwingt auch immer wieder mit, dass der autoritäre Ein-Parteien-Staat seine Überlegenheit gegenüber westlichen Demokratien bewiesen habe. "Seid ehrlich: Die Welt schuldet China ein Dankeschön!" titelte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Somit könnte diese Krise die KP-Führung am Ende des Tages sogar noch einmal stärken. Die Rechnung für Versäumnisse und Fehler im Umgang mit der Situation müssen die Kader in der Provinz zahlen: Von ihnen wurden bereits hunderte entlassen.

Zudem will die Regierung nun möglichst schnell die Wirtschaft wieder in Gang bringen, und selbst in Wuhan dürfen nun zahlreiche Unternehmen in wichtigen Branchen wieder ihren Betrieb aufnehmen. Dies gelte unter anderem für Unternehmen, die "globale Industrieketten" beliefern, teilte die Regierung der Provinz Hubei am Mittwoch mit. Ihnen müsse aber eine behördliche Genehmigung vorliegen. Auch Betriebe, die Güter des täglichen Bedarfs wie etwa Nahrungsmittel herstellen, dürfen demnach ihre Produktion wieder aufnehmen. Andere Firmen müssen bis zum 20. März geschlossen bleiben.

Außerdem werden für Banken die Mindestreserveanforderungen gesenkt, teilte die Regierung am Mittwoch mit. Das durch die lockereren Bestimmungen frei werdende Geld sollten die Banken vor allem zur Finanzierung kleinerer Unternehmen und des Außenhandels einsetzen.(klh)

Wiener Zeitung, 12. März 2020