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!!!Bader und Barbiere

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[{Image src='barbiere01.jpg' class='image_left' caption='»Der Balbierer« (Barbier). Kupferstich von Jost Amman. Aus: Hans Sachs und Jost Amman. »Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden …«. Frankfurt am Main 1568\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Barbier' height='300' width='209' popup='false'}]


Bader und Barbiere waren bis ins 19. Jahrhundert für die Körperpflege und die wundärztliche Versorgung der Bevölkerung zuständig. Das Badewesen dürfte zur Zeit der Kreuzzüge entstanden sein, als die zurückkehrenden Kreuzfahrer nicht nur die Badekultur des Orients mitbrachten, sondern auch die arabische Lepra, die man im Okzident Aussatz nannte. Heilung versprach das Schwitzbad, das gegenüber den bisher gebräuchlichen Wasserbädern in Badewannen (Badzuber) an Attraktivität und Verbreitung gewann. 


Das Baden zählte zu den »''Hauptfröhlichkeiten''« aller Bevölkerungsschichten: »''Wiltu ein Tag fröhlich sein? Gehe ins Bad. Wiltu ein Wochen fröhlich sein? Lass zur Ader. Wiltu ein Monat fröhlich sein? Schlacht ein Schwein.''« Zu festlichen
Anlässen und am Vorabend hoher Kirchenfeste war es üblich, ein Bad zu nehmen und den Bediensteten und ihren Familien ein »''Freibad''« zu spenden; vor und nach der Hochzeit wurden »''Hochzeitsbäder''« gehalten, und die Diener- und Arbeiterschaft bekam statt des Trinkgeldes ein »''Badegeld''« zugesteckt. Unter den Handwerkern war es üblich, am Samstag
ein Bad zu nehmen und reine Wäsche anzuziehen. 


In manchen Orten besaßen die Badestuben sogar eine Art Asylrecht, kraft dessen der Gerichtsbote den im Bad Befindlichen erst abführen durfte, nachdem dieser ausgebadet und sich abgetrocknet hatte. Der Erwerb einer Badestube (balneum) war mit hohen Kosten durch Hauswert und aufwendiges Inventar verbunden und für die meisten Bader unerschwinglich. Badestuben waren daher meist im Besitz der Städte, die sie an die Bader verpachteten, und diese waren verpflichtet, an festgesetzten Tagen einzuheizen. Zum Badgießen gehörte auch das Kopfwaschen und das Kämmen (»''sterket das gehirn und
gedechtnues''s«), das Haarschneiden und bei männlichen Badegästen das Rasieren (scheren, balbieren, barbieren). Außerdem war es ihnen erlaubt, ihre Badegäste mit Salben zu behandeln, Blutegel und Schröpfköpfe anzusetzen, Zugpflaster aufzulegen, Klistiere zu geben, Geschwüre auszuquetschen, Zähne zu brechen und zur Ader zu lassen. Darüber hinaus wurden die Badebesucher mit Speisen und Getränken bewirtet, aber auch mit Spiel und Gesang unterhalten. Für alle diese Dienstleistungen standen dem Bader in der Regel Hilfskräfte zur Seite, sogenannte Baderknechte (beispiels weise der Scherknecht) und Bademägde (die Reiberin zum Trockenreiben und Massieren, die Gewandhüterin zur Aufsicht der Kleidungsstücke). 


[{Image src='barbiere02.jpg' class='image_right' caption='Barbier und Bader. Kolorierte Radierung. Aus: »Gallerie der vorzüglichsten Künste«. Zürich – Leipzig 1820\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Barbier' width='350' height='221'}]

Ein aus dem 15. Jahrhundert stammender Tractat über Badekosmetik empfiehlt französische Seife, Kleienwasser und Weinsteinöl als Schönheitsmittel, eine Art Wachsmaske, um alle Unreinheiten des Teints zu entfernen, »''rothe Schminke aus Brasilhol''z«, weiße aus »''gepulvertem Panis porcinus''«, wahrscheinlich Cyclamenknollen, und Pomaden gegen aufgesprungenes Gesicht und rauhe Lippen.


In der Literatur wird die Wundarzneikunde teils als eigenes Gewerbe aufgefasst, teils in Verbindung mit dem Barbier (Chirurg) und erst später auch mit dem Bader dargestellt. Bader und Barbiere übten also im Laufe der Zeit neben dem Badgießen und dem Barbieren gemeinsam die Wundarzneikunde aus, und das führte naturgemäß zu Rivalität, Neid und Zank unter den beiden Berufsgruppen. Der Wunsch der Barbiere, den Badern die Ausübung der Chirurgie zu verbieten, war nicht zu erfüllen, weil die Zahl der Chirurgen (Barbiere) viel zu klein war, um den Bedarf an Wundärzten zu decken. Besonders die Barbiere, die sich den Badern überlegen fühlten und ihnen mit Geringschätzung begegneten, waren bis zu ihrer Vereinigung (1773 in Wien) um peinliche Trennung bemüht. Der Konkurrenzkampf nahm an manchen Orten, wie beispielsweise
in Frankfurt am Main, groteske Formen an. Vorübergehende zog man in zudringlichster Weise bei den Kleidern in die Stube, um ihnen den Kopf zu waschen oder den Bart zu schneiden.


Bader und Barbiere unterschieden sich von den Ärzten (medici) dadurch, dass sie ihre Kunst als Handwerk erlernten und nur zur Ausübung der Chirurgie berechtigt waren, die noch im 18. Jahrhundert von der (inneren) Medizin getrennt war. Die Aufgaben, die in den Wirkungsbereich des Wundarztes (Chirurgen) fielen, waren zum Teil riskante, aber gewinnbringende Eingriffe wie Steinschnitte, tarstiche, die Erweiterung verengter Harnröhren (mit dem Uréthrotome caché), die Behandlung der Tränenfistel, des Nasen- und Lippenkrebses, der Nasenpolypen, der Luftröhrenschnitt, die Operation von Hernien (Eingeweidebrüchen), des Kropfes und anderer entzündlicher Leiden im Brustraum, im Unterleib und an den Genitalien, ja sogar die Trepanation oder Durchbohrung verletzter Hirnschalen und die Amputation der Extremitäten. Auf dem mit Bronzeengelsköpfen verzierten eisernen Bügel einer Amputiersäge findet sich der eingeätzte Spruch: 


»''Grausam sieht mein Gestalt herein, / mit Angst, Schwäche und großer Pein, /

wann das Werk nun ist vollendet, / das trauern sich in Freude wendt. 1571''«. 


[{Image src='barbiere03.jpg' class='image_left' caption='Der Barbier. 1789. Kupferstich. Aus: »Sechzig eröfnete Werkstätte der gemeinnüzigsten Künste und Handwerke für junge Leute zur Auswahl ihres künftigen Nahrungsstandes. Mit sechzig jede Kunst, jedes Handwerk deutlich erklärenden Kupferstichen «. Verlag Joseph von Kurzbeck: Wien 1789\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Barbier' width='350'  height='281' popup='false'}]


Chirurgengesellen fanden sich vielfach auch als Feldschere beim Militär und Meister als Ratsbarbiere, Blattern- und Pestärzte in städtischen Diensten. Eine weitere Aufgabe war die Leichen- und Verwundetenbeschau, bei der aber nicht viel zu verdienen war und wofür gerne die jüngsten Mitglieder eingeteilt wurden. 


Die Ausbildung des Nachwuchses lag bis zum 16. Jahrhundert zur Gänze in den Händen der Meister, danach kam als weitere Instanz neben der Innung die Medizinische Fakultät dazu, die das Recht hatte, Bader und Barbiere zu prüfen. Die Lehrzeit ist in den meisten Privilegien mit drei Jahren angegeben und sollte nur dann verlängert werden, wenn der Lehrjunge nach vollendeter Lehrzeit die »''Hauptgrundsätze seiner Kunst''« noch nicht ausreichend beherrschte. Bevor ein Lehrjunge freigesprochen wurde, musste er vor dem Gremium eine Prüfung ablegen, die als Tentamen oder Examen bezeichnet wurde,
um zu zeigen, was er »''durch frequentirung deren Chyrurgischen Collegien und Lesung Chyrurgischer bücher''« und »''in elementis et praxi Chyrurgica''« gelernt habe. Die Gesellenzeit und der damit verbundene Wunsch, recht bald die Meisterschaft zu erlangen, um mit dem Erwerb einer Barbier- oder Badergerechtigkeit auf eigenen Beinen zu stehen, verlief nicht immer nach Wunsch. Sein Examen bei der Fakultät konnte der Geselle, wenn er über ausreichendes Wissen und genügend Geldmittel verfügte, ablegen, ohne dass ihn jemand daran hindern konnte. Die in den Zünften aber meist begrenzte Meisterzahl und die hohen Kosten (Konzession, Taxe für das Bürgerrecht etc.) machten dem Gesellen den Erwerb des Meisterrechtes oft unmöglich. 


Wollte er nicht ein ewiger Geselle bleiben, blieb nur noch die Möglichkeit einer Einheirat in das Gewerbe, von der ziemlich oft Gebrauch gemacht wurde. Außerdem konnte nur derjenige Principal werden, der »''drey ganze Jahr nacheinander in der frembde vollbringt und unterwegs die Hospitäller frequentirt, wie auch anderwerths in chyrurgischen Exercitys sich mit guter fleissiger Übung qualificirt''«, also seiner Wanderpflicht nachgekommen ist. Gesellen wurden von ihren Meistern gewöhnlich im Wochenlohn bezahlt, an manchen Orten außerdem am Gewinn beteiligt (Wien, Stralsund). 


[{Image src='barbiere04.jpg' class='image_right' caption='»Der Bader«. Kupferstich von Jost Amman. Aus: Hans Sachs und Jost Amman. »Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden …«. Frankfurt am Main 1568\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Beruf: Barbier' height='250'  width='204' popup='false'}]

In Österreich wurde 1770 der Wochenlohn durch den Tagelohn ersetzt. Der Geselle sollte nur für diese Tage Kost und Lohn bekommen, an denen er wirklich gearbeitet hatte, an Sonn- und Feiertagen dagegen nur die Kost. Diese Maßnahme stand in Zusammenhang mit den Bemühungen zur Abschaffung des »Blauen Montags«. Die oft unüberwindlichen Hindernisse, zur Selbständigkeit zu gelangen, förderten die unbefugte Ausübung der Heilkunde durch ungeprüfte Kurpfuscher und Quacksalber
(Störer).

Mit der Zeit wurden, wie im Altertum, die Bäder vielfach als Stätten der »''Sittenlosigkeit''« diskriminiert, und Ärzte, Geistliche und Regierungen traten seit Anfang des 17. Jahrhunderts gegen sie auf. Auch die Furcht vor Ansteckung mit Syphilis und anderen Infektionskrankheiten, der Holzmangel, als dessen Folge die Badepreise stiegen, die Einstellung der für die Armen gestifteten »''Seelenbäder''« (jeweils am Sterbetag des Stifters) und der unter dem Begriff »''Badefahrten''« in Mode gekommene Besuch von Wildbädern (Thermalquellen) trugen zum schleichenden Niedergang des Badewesens bei. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mussten die Wundärzte das Barbieren, das ein guter Nebenverdienst war, an die Perruquiers (Perückenmacher) abgeben, was aber nicht so streng gehandhabt wurde. 


Auf dem Land, besonders in Orten, wo es überhaupt nur einen Wundarzt gab, wird dieser sicherlich weiter barbiert, entgegen den gesetzlichen Verordnungen innere Leiden behandelt, bei Fehlen einer Apotheke die Bevölkerung mit Medikamenten versorgt haben und als Geburtshelfer eingesprungen sein. Die Grenzen zwischen den Tätigkeiten der Wundärzte, Perückenmacher und Hebammen zeichneten sich aber immer deutlicher ab, so dass die ehemaligen Bader und Barbiere im 19. Jahrhundert nur noch als Wundärzte tätig waren.

!Quellen
* Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010


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''... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.''
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