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!!!Der erfundene heilige Domitian

''Der angebliche Gründer von Millstatt'' [{GoogleMap location='Millstatt, Kärnten' zoom='10'}]

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[{Image src='AEIOU/Millstatt/millstatt.jpg' height='200' class='image_left' caption='Wappen von Millstatt ' alt='Wappen, Millstatt' width='202'}] 


Für den Ortsnamen Millstatt gibt es verschiedene Erklärungen. Die Manager
des Fremdenverkehrs deuten ihn am liebsten als „Milde Stätte", abgeleitet
vom milden Klima, der linden Kärntner Landschaft und dem warmen See.
Passend wäre das bestimmt für dieses Idealbild einer Sommerfrische,
„gastlich, gemütlich, gepflegt, geliebt", aber die Ortsnamenkundigen winken
ab. Sie sagen gerechterweise auch nein zur Deutung „Müllstätte", und auch
die „Mühlenstätte" findet bei ihnen keinen Anklang. Der Ort hat ein
erhebliches Alter und hatte sicher schon längst einen Namen, als man am Ufer
des durchfließenden Riegenbaches einige Mühlen anlegte. Nein, der Bach
selber gab der auf seinem Schuttkegel gegründeten Siedlung den Namen,
jener Bergbach, den man in der ältesten Zeit Melissa oder Mils nannte. Und
so bedeutet Millstatt nach Kranzmayr, der Autorität auf dem Gebiet der
alpenländischen Namenforschung, „Stätte an der Mils".

Aber es gibt auch Leute, die sagen, es handle sich um eine slawische
Ortsbezeichnung. „Mil stat" bedeute so viel wie „Ort der Gnaden". Damit
klingt die Vermutung an, daß sich hier ein alter Wallfahrtsort befinde. Erich
Jung, der sich in den dreißiger Jahren mit dem Fortleben der heidnischen
Götter in der christlichen Zeit befaßte, hat diese These aufgegriffen. Da er die
Meinung vertrat, die Germanen und die Slawen hätten ihre Götteridole auf
Säulen gestellt, zum Unterschied von den Griechen und Römern, bei denen sie
auf eckigen Postamenten aufsaßen, diente ihm auch das merkwürdige
Wappen des Marktes Millstatt als Beweis für eine slawische Kultstätte. Es
zeigt nämlich drei aufrecht stehende Säulen; auf der mittleren ist ein
Löwenkopf postiert, auf den beiden seitlichen die Köpfe von Ziege und Esel.
Diese Abbildung deute auf ein uraltes Heiligtum hin, meint er, und verweist
auf den dreiköpfigen Gott der Slawen, Triglav, nach dem in der Nähe,
nämlich in den jugoslawischen Alpen, ein Berg benannt ist und dem auch in
Pommern ein Tempel mit Tierstandbildern errichtet war.

Die Vision des deutschen Forschers von der den Osten Europas von
Pommern bis Kärnten umspannenden Triglav-Verehrung entpuppte sich
aber als Täuschung, denn das wichtigste Glied der Beweiskette, das
Millstätter Wappen, war eine Irreführung. Es bestand nämlich zunächst aus
den drei Säulen allein, die Tierköpfe wurden erst viel später aufgesetzt.
Wahrscheinlich geschah dies im Zug der Bildung einer Legende, die als ganze
einer der seltsamsten „Aufsitzer" der Heimatgeschichte wurde. Damals
leitete man den Namen Millstatt vom lateinischen „Mille Statuae"
(= Tausend Statuen) ab und erzählte sich, hier seien einst 1000 Götzenbilder
gestanden, die der christliche Herzog von Carantanien, Domitian, umstürzte.
Er habe an dieser Stelle ein Kloster gegründet und sei samt seiner Gattin
Maria und seinem Sohn darin begraben.

Der Ortspatron und angebliche Gründer von Millstatt, Domitian, aber stellt
unter allen eine Spezialität dar. Wenn der Forscher Robert Eisler recht hat,
dann handelt es sich nämlich bei ihm um eine Gestalt, die nicht nur nie gelebt
hat, sondern die vorsätzlich und bewußt frei erfunden wurde, eine reine
Ausgeburt der Phantasie, eine Fälschung, konstruiert von den Mönchen des
Klosters Millstatt, um andere Leute um ihre wohlerworbenen Rechte zu
bringen. Eigentlich schon eine tolle Sache, wenn man bedenkt, daß die
Gebeine des Herzogs Domitian in einem gläsernen Sarg in der Kirche ruhen
und wegen ihrer Wundertätigkeit im ganzen Land gerühmt wurden.
Dies sind nun die Ergebnisse der tiefschürfenden Forschungen Robert
Eislers, die er in einer lebendig und nicht ohne Humor geschriebenen Arbeit
1907 niederlegte:
Das Benediktinerkloster Millstatt wurde zwischen 1060 und 1088 von zwei
Brüdern aus dem hochadeligen Geschlecht der Aribonen namens Aribo und
Poto gegründet. Nach damaligem Rechtsgebrauch galt eine solche Stiftung
als Eigenkirche des Gründers, das heißt, ihm standen eigentumsähnliche
Rechte daran zu, er konnte sie verkaufen oder verschenken, er bestellte die
Klostervorsteher und zog die Erträgnisse ein. 

[{Image src='Erfundener-Domitian.jpg' height='400' class='image_right' caption='Darstellung des Hl. Domitian in der Stiftskirche Millstatt.\\Aus: [Wikicommons|https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Millstatt_-_Stiftskirche_-_Hl_Domitian.jpg]' alt='Hl. Domitian' width='189'}] 

Mit einer Klostergründung
schuf man nicht nur ein gutes Werk, man legte auch sein Kapital an. Daraus
entwickelte sich später das Rechtsinstitut der Vogtei; der Vogt eines Klosters
vertrat dieses in den weltlichen Angelegenheiten, es handelte sich um eine
Art Schutzherrschaft, die in Wirklichkeit aber eine starke Beschränkung
der klösterlichen Autonomie, insbesondere der Vermögensverwaltung bedeutete.
Die Klostergründer von Millstatt wurden beerbt von den Grafen von Görz.
Aribo wurde nämlich als deren Ahnherr angesehen, und so ging auch die
Vogtei über das von ihm und Poto in die Welt gesetzte Kloster auf dieses
Geschlecht über. Mit den Görzern war kein so gutes Auskommen mehr wie
mit den gottesfürchtigen Aribonen. Voller Machtbesessenheit wollten sie sich
einen zusammenhängenden Familienbesitz in Kärnten, Tirol und Oberitalien
schaffen und gingen mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die ihnen
zugeordneten Bistümer und Klöster vor. Dem Bischof von Brixen nahmen sie
die Stadt Bozen weg und vertrieben ihn von dort, den Patriarchen von
Aquileia setzten sie kurzerhand gefangen, als er ihnen Schwierigkeiten
machte, und so wurden sie als Kirchenschinder bald berüchtigt und
gefürchtet. Auch die Mönche von Millstatt überkam Grausen und Angst vor
den brutalen Vögten, die als Nachfolger der Gründer die vollen Rechte über
ihr Eigenkloster ausüben konnten. Die Klosterleute kamen nun auf die Idee,
einen anderen Stifter zu erfinden und dann zu behaupten, die Görzer hätten
kein Recht auf die Vogtei. Man erfand den Herzog Domitian, machte dem
Papst weis, dieser sei dereinst Herzog von Kärnten gewesen und die Vogtei
über das von ihm gegründete Kloster stehe daher nicht dem provinziellen
Grafengeschlecht zu, sondern dem Landesherrn selber. Tatsächlich fiel der
Heilige Vater auf den Schwindel herein und gewährte ihnen das Recht, ihre
Vögte frei wählen zu dürfen.



Wie sehr sich die ganze Aktion gegen die Görzer und ihre Ahnen richtete,
beweisen Stil und Wortlaut der betreffenden Relationen. Domitian habe
ihnen zufolge fromm gelebt und sei in seiner Stiftung begraben worden. An
seinem Ruheplatz hätten sich viele Wunder ereignet. Dann aber habe sich ein
bayrischer Pfalzgraf namens Aribo die bodenlose Frechheit erlaubt, in der
vom heiligen Herzog errichteten Kirche die Mitglieder seiner Sippschaft
beizusetzen. Beleidigt hätte der Heilige das Wunderwirken eingestellt. Abt
Martin von Millstatt habe daraufhin das Stiftergrab in die Nähe des
Hochaltares verlegt. Dort habe man aber — welch neuerlicher Frevel —
wiederum einen Angehörigen des genannten Geschlechtes begraben, den
ermordeten Grafen Hartwig. Das sei dem heiligen Domitian aber doch zu
bunt geworden und er habe die Gebeine Hartwigs auf wunderbare Weise zur
Nachtzeit aus dem Grab herausgeschleudert.

Die wütende Bekämpfung der frommen Klosterurheber, die ja nur ihre
selbstverständlichen Rechte ausübten und die Toten ihres Geschlechtes in der
Eigenkirche beisetzen ließen, deutet darauf hin, daß man sie als Gründer
nicht mehr akzeptierte. Ihre Rechte wurden als Anmaßung bezeichnet, und
die Schauergeschichte von dem herausgeschleuderten Leichnam des
erschlagenen Hartwig läßt sich vielleicht damit erklären, daß man auch
Domitians Gebeine vorzeigen wollte. Man griff einfach in die Gruft der
tatsächlichen Gründer und gab irgendeinen Sarkophag als den des Heiligen
aus. Wies jemand darauf hin, daß die Grabinschrift auf die Bestattung eines
gewissen Hartwig hindeute, so hielt man dem entgegen, er sei unrechtmäßig
hier begraben worden und Domitian habe ihn eigenhändig aus der Gruft
geworfen.



Mit dem päpstlichen Privileg hätte eigentlich die Phantomfigur ihre
Aufgabe erfüllt. Die Mönche hätten sie schlechten Gewissens, aber mit
Anstand wieder in der Versenkung verschwinden lassen können, zumal sich
der Konflikt mit den Görzer Grafen von selber erledigte, weil jene teils durch
vorzeitige Todesfälle, teils durch Niederlagen gegen andere Adelshäuser
ihren Einfluß in Oberkärnten allmählich verloren. Trotzdem war die Rolle
Domitians (immer nach Robert Eisner) nicht ausgespielt. Als nämlich das
Kloster im 13. Jahrhundert durch einen Brand großen Schaden erlitt und die
Mittel für einen Neubau nicht vorhanden waren, suchte man sich durch eine
Wallfahrt das nötige Einkommen zu verschaffen. Man hob die vorgeblichen
Gebeine des Gründers aus der Gruft und verbreitete die Kunde, daß sich
Krankenheilungen und andere Wunder zugetragen hätten. Auch in dieser
Not brachte der Wunderheilige den Mönchen Segen. Millstatt wurde ein
Wallfahrtsort, in dem man eifrig zum heiligen Domitian betete.

!Quellen
* Peter Pfarl. Frühe Kultstätten in Österreich. Verlag Styria. Graz, 1980.

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