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!!!Parfümmacher

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[{Image src='parfümmacher01.jpg' class='image_left' caption='»Verzeichniss Englischer und Französischer Parfumerien« von Treu & Nuglisch in Wien. Um 1840. Farblithographie\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Verzeichnis von Parfümerien' height='300' width='236'}]

Parfümmacher (auch Profumierer, Parfümeure) beschäftigten sich mit der Herstellung wohlriechender Parfüms (von lat. per fumare = »durchduften, -dampfen, -rauchen«) aus meist natürlichen Riechstoffen, die dem Pflanzen- und Tierreich entstammten. Als Beispiel für das Angebot eines Parfümeurs des Ancien régime möge hier jenes des Mâitre Baldini auf dem Pont au Change aus Patrick Süskinds Das Parfum dienen, das »von Essences absolues, Blütenölen, Tinkturen, Auszügen, Sekreten, Balsamen, Harzen und sonstigen Drogen in trockener, flüssiger oder wachsartiger Form, über diverse Pomaden, Pasten, Puder, Seifen, Cremes, Sachets, Bandolinen, Brillantinen, Bartwichsen, Warzentropfen und Schönheitspflästerchen bis hin zu Badewässern, Lotionen, Riechsalzen, Toilettenessigen und einer Unzahl echter Parfums« reichte. Ferner offerierte er auch »Potpourris und Schalen für Blütenblätter, Weihrauchbehälter aus Messing, Flakons und Tiegelchen aus Kristall mit geschliffenen Stöpseln aus Bernstein, riechende Handschuhe, Taschentücher, mit Muskatblüte gefüllte Nähnadelkissen und moschusbedampfte Tapeten, die ein Zimmer länger als einhundert Jahre mit Duft erfüllen konnten«.

Pflanzliche Duftspender, aus denen ätherische Öle (durch Pressung oder Destillation), Concrètes (durch Extraktion – Auszug – mit flüchtigen Lösungsmitteln) und Absolues (durch Extraktion von Concrètes mit Alkohol) gewonnen wurden, waren Blüten, Blätter, Stengel, Früchte, Schoten, Beeren, Fruchtschalen, Samen, Wurzeln, Hölzer, Rinden, Kräuter, Nadeln, Zweige, Harze und Flechten. Als sogenannte Parfümpflanzen begehrt waren – und sind teilweise noch – die Familie der Ruchgräser (Palmarosa-, Lemongras- und Zitronellöl), das Agavengewächs Tuberose (deren Blüten vor Sonnenaufgang gepflückt werden mussten), die Schwertlilie (Iris- oder Veilchenwurzelöl), der Nelkenbaum (Nelkenöl aus den getrockneten Blütenknospen und den Blättern), der Amberbaum (Storaxbalsam aus der Rinde), das Moos, das auf Stämmen und Ästen von Eichen, Fichten und Kiefern wächst (durch Extraktion wurde das Resinoid gewonnen und daraus das Absolue), der Ylang-Ylangbaum (Ylang-Ylangöl), der Zimtstrauch (Zimtblätter- und Zimtrindenöl), die Pelargonie (Geraniumöl), die Rosengewächse (Rosenöl aus handgepflückten Blütenblättern), der Cassie-Strauch, der Bergamottbaum (das Bergamottöl, aus den grünen Fruchtschalen gepresst, galt als wichtiger Duftbaustein für Eau de Cologne), der Bitterorangenbaum (Neroliöl aus den Blüten, Petitgrainöl aus den unreifen kleinen Früchten, den Blättern und Zweigen), der Patschulistrauch (Patschuliöl), die Myrte, der Jasmin, der Lavendel, der Rosmarin, der Thymian, Limetten und Mandarinen und viele andere. Zahlreiche dieser Pflanzen wurden und werden feldmäßig angebaut (wenn in Europa, dann vor allem in Südfrankreich und Italien), denn der Bedarf war und ist mitunter recht beträchtlich. So sind beispielsweise etwa dreitausendfünfhundert Kilogramm Rosenblüten für ein Kilogramm Rosenöl erforderlich, für die gleiche Menge Lemongrasöl musste man zweihundert Kilogramm Lemongras destillieren, und etwa tausend Kilogramm Veilchenblätter ergaben nicht mehr als dreißig Gramm ätherisches Blütenöl.

Der Geruch besitzt eine große Zahl von Qualitäten, die sich schwer begrifflich ordnen und noch schwerer beschreiben lassen. Aus Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis (vollständige 4. Neuausgabe 1980) erfahren wir einige Klassifikationen, wie jene von John Amoore, der sieben Grundgerüche unterscheidet: die kampferartigen, die moschusartigen, die blumigen, die pfefferminzartigen, die ätherischen, die stechenden und die fauligen, während Crocker und Henderson von nur vier ausgehen: blumig, sauer, brenzlig und ranzig. Claude Lévi-Strauss erwähnt in seinem Buch Die eifersüchtige Töpferin, das die südamerikanischen Suya-Indianern auch auf die Menschen, je nach Geschlecht, Alter und politischer Funktion, eine Klassifikation nach Gerüchen anwenden, die sie in vier Kategorien einteilt: »Der englischsprachige Forscher gibt sie durch strong or gamey, pungent, bland und rotten wieder, das heißt auf Deutsch annäherungsweise: ›stark oder wildbretartig‹, ›scharf oder pikant‹, ›mild‹ und ›faulig‹. Diese Klassen von Gerüchen korrespondieren nicht so sehr sinnlich wahrnehmbaren Kategorien als vielmehr geistig-moralischen Werten (sprechen wir nicht heute noch, nahezu immer im figurativen Sinne, vom ›Geruch der Heiligkeit‹, und sagen wir nicht bei drohender Gefahr; ›Ça sent mauvais‹ ~[das riecht faul]?).«

Das menschliche Riechfeld, in der Nasenhöhle liegend und ausgestattet mit schätzungsweise eineinhalb Millionen Riechzellen, ist in der Lage, zahlreiche Geruchsqualitäten zu unterscheiden. Freilich, alle Gerüche, ob gute oder schlechte, würzige oder krautige, saure oder bittere, lösen im Gehirn Vorstellungen und Empfindungen aus. »Es gibt eine Überzeugungskraft des Duftes«, heißt es bei Süskind, »die stärker ist als Worte, Augenschein, Gefühl und Wille. Die Überzeugungskraft des Duftes ist nicht abzuwehren, sie geht in uns hinein wie die Atemluft in unsere Lungen, sie erfüllt uns, füllt uns vollkommen aus, es gibt kein Mittel gegen sie.« Und der Erlangung dieser Macht scheint der ruhelose Ehrgeiz der Parfümeure gegolten zu haben, aus immer verführerischeren Ingredienzien und ausgeklügelteren Kombinationen das »flüchtige Reich der Gerüche« zu mischen.

Die Kunst, Blumendüfte in flüssige Form zu bringen, wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts meisterhaft von dem Italiener Mauritius Frangipani praktiziert, der Auszüge wohlriechender Blüten mit Weingeist herstellte. »Indem Frangipani seine Riechpülverchen mit Alkohol vermischte«, schrieb Süskind, »und damit ihren Duft auf eine flüchtige Flüssigkeit übertrug, hatte er den Duft befreit von der Materie, hatte den Duft vergeistigt, den Duft als reinen Duft erfunden, kurz: das Parfum erschaffen. Was für eine Tat!«

[{Image src='parfümmacher02.jpg' class='image_right' caption='Parfum-Etikett des Wiener Parfumeurs Martin Friedsey für sein »Drei-Allierten-Wasser« (»des trois alliés«). Um 1825. Kupferstich\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Parfümetikett' height='200' width='511' popup='false'}]

In der italienischen Renaissance erreichten die »Aromatika« allgemein übermäßigen Gebrauch, der sich in Frankreich unter Ludwig XV., besonders weil man überaus unsauber war, schließlich ins Unsinnige steigerte. Bei Hof schrieb die Etikette täglich ein anderes Parfüm vor. Alles war parfümiert: Handschuhe, Schuhe, Strümpfe, Hemden und sogar Münzen. In den Voile-Ärmeln trug man elegante silberne Kugeln, Pomander genannt, gefüllt mit Moschus, Muskatblüte oder Kümmelsamen, hielt Ambrakronen in der Hand und füllte Elfenbeinschalen mit Rosenwasser. Unter Reinlichkeit verstand man vor allem eine »trockene Toilette«. Mit Wasser gewaschen wurden höchstens die »sichtbaren«  Körperteile, also Hände und Gesicht, während der übrige Körper trocken abgerieben und parfümiert wurde. Denn der Wohlgeruch sollte nicht nur unangenehme Körperausdünstungen überdecken, sondern auch – so war man überzeugt – vor Miasmen schützen, so nannte man außerhalb des Körpers gebildete Ansteckungsstoffe. Mit parfümierten Gesichtsschleiern hoffte man sogar die Pest abzuwehren.
Für die Reinigung der Haare benutzte man für gewöhnlich Puder, oder man rieb die Kopfhaut mit Branntwein ab. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es zur Ablehnung tierischer Riechstoffe. »Seit unsere Nerven empfindlicher geworden sind«, liest man in einem 1765 verfassten Artikel in der Enzyklopädie, sind Ambra, Zibet und Moschus verpönt. Der als archaisch geltende aufdringliche Duft »wird zum schicksalhaften Merkmal der alternden Kokotten oder Bäuerinnen« (Corbin). Giacomo Casanova wurde fast ohnmächtig von dem »unausstehlichen Moschusgestank« der verwelkten nymphomanischen Herzogin von Ruffec, wie er in seinem Lebensbericht gestand. Er selbst bevorzugte Myrrhe und Räucherharz, um die »Rolle des Magiers« spielen zu können, und die Beträufelung des nackten Frauenkörpers mit Rosenwasser trug zur Steigerung seiner Geilheit bei. Der große Erfolg des Rosenwassers dehnte sich aus auf Veilchen-, Thymian-, besonders aber Lavendel- und  Rosmarindüfte. Es wurde üblich, den Mund mit Rosenwasser auszuspülen und den Atem mit Irispaste zu parfümieren. Napoleon
Bonaparte war geradezu neurotisch fixiert auf Reinlichkeit und Wohlgeruch. Seine Seife, die exquisite »Brown Windsor«, die Bergamott-, Gewürznelken- und Jasminöl enthielt, ließ er aus England kommen, und sein Lieblingsparfüm war das Eau de Cologne, das er sogar schlückchenweise vor einer Schlacht getrunken haben soll. Dieses Kölnische Wasser wurde von dem in Köln seit 1709 ansässigen Giovanni Maria Farina, gebürtig aus Santa Maria Maggiore e Crana (Novara), kreiert. Schon dessen Onkel, Gian Paolo Feminis, ein Barbier, hatte mit diesem hochdestillierten »Wasser« herumexperimentiert. Die
Hauptbestandteile waren Bergamottöl, Lavendelöl, Nelkenöl, Orangenblütenöl, Rosmarinöl und Zitronenöl in feinstem Traubengeist digeriert.

Die Parfümherstellung konzentrierte sich mit Ausnahme des Kölnischen Wassers vor allem auf die südfranzösischen Orte Grasse und Montpellier und auf Paris und London. Die meisten natürlichen Öle wurden im Destillierapparat gewonnen, den die Parfümeure »Mohrenkopf« nannten, vermutlich, weil der aufgesetzte Kondensiertopf, der kaltes Wasser enthielt, einem Turban glich. Die Dämpfe enthielten sowohl Wasser wie Öl. Das Destillat wurde Tropfen für Tropfen von einer sogenannten Florentiner-Flasche aufgefangen, wobei sich das Öl infolge seines spezifischen Gewichtes entweder über oder unter dem Wasser sammelte. Andere Möglichkeiten der Extraktion waren die Enfleurage (gefilterte Fette wurden mit getrockneten Blütenblättern so lange bedeckt, bis das Fett von Blütenduft durchtränkt war), die Mazeration (Blütenölgewinnung mit Hilfe heißer Fette) und die Lavage (bei der aus dem duftdurchtränkten Fett durch Versetzung mit Weingeist der parfümierte Alkohol rückgewonnen werden konnte).

Ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts verloren die Bouquets wieder ihre Schlichtheit, der »Fächer der Wohlgerüche« wurde komplizierter, das Verhältnis der Duftkomponenten zueinander rätselhafter, und die Namen der großen Meister mit den unbestechlichen Nasen gewannen an Popularität: Askinson, Lilly, Yardley, Rimmel (er schrieb die erste ParfümchronikThe Book of Perfumes, die 1865 in London erschien), Lubin, Piver, Chardin, Violet, Legrand, Piesse und vor allem Coty mit L’Origan und Chypre, Houbigant mit Quelques fleurs, Worth mit Dans la Nuit und Guerlain mit Eau Impériale (das er für Kaiserin Eugénie schuf) und L’Heure bleue. »So weit also ist es mit den Parfümeuren gekommen«, ärgerte sich Auguste Debay in seinem Nouveau manuel du parfumeur-chimiste (1856), »daß sie sich anmaßen, von Harmonie, von vollendeten Akkorden (Heliotrop, Vanille, Orangenblüte) und von Dissonanzen (Benzoe, Nelke, Thymian) zu sprechen!« Ein Romancier, Joris-Karl Huysmans, entwarf schließlich in seinem Roman A rebours (dt. Gegen den Strich) 1884 das Bild des modernen Parfüm-Komponisten: Sein hochsensibler Held Jean Des Esseintes beherrschte das ganze Repertoire, er hielt sich an kein Rezept, rühmte die Gerüche der Modernität und überließ sich ganz seinen poetischen Entwürfen: die »blühende Wiese«, ein »leichter Regen menschlicher Essenzen«, oder der Duft des »Lachens im Schweiß, der unter strahlender Sonne entfesselten Freuden« und »der Hauch der Fabriken«. Über eine frühere Geliebte Des Esseintes’ schrieb Huysmans, sie war »eine hemmungslose, nervöse Frau gewesen, die die Spitzen ihrer Brüste in Parfüm badete, aber in berauschende und zermalmende Ekstase eigentlich nur dann geriet, wenn man ihr mit einem Kamm den Kopf kraulte oder wenn sie unter Zärtlichkeiten den
Geruch von Ruß oder von Gips bei Neubauten oder den Geruch von Staub, auf den die ersten großen Regentropfen eines Sommergewitters gefallen waren, atmen konnte«. Mit der Vielfalt der Erzeugnisse ging nicht nur eine Verfeinerung des Vokabulars einher, sondern auch den Flakons wurden raffinierte Formen und phantastische Namen verliehen wie tombeau, violon, cerf-volant, en étui oder gourde. Auch der Orient bewahrte seinen Zauber, was nach Meinung des Meisterparfümeurs Eugene Rimmel mit dem großen Erfolg von Carsten Nieburs Reisebeschreibung nach Arabien (1774–1778) und den zahlreichen Reiseberichten über Ägypten zusammenhing. Gustave Flaubert versuchte in seinen Briefen aus Kairo (vom 5. und 15. Jänner 1850) mit leidenschaftlicher Hingabe die Düfte der Wüste wiederzugeben, und die Brüder Edmond und Jules de Goncourt schrieben über ihren Helden Anatole Basoche in Manette Salomon, allein der Name Konstantinopel »erweckte in ihm Träume von Poesie und Parfümerie, in denen sich alle seine Vorstellungen über das ›Sultaninenwasser‹, die Riechpastillen des Serail und die in der Sonnenglut sitzenden Türken vermischten«.

»Wer sich für den Jockey club, das Bouquet de l’Impératrice oder gar die Pommade de Triple Alliance entscheidet«, heißt es in Alain Corbins Geschichte des Geruchs, »wird – in der Imagination – hinaufbefördert in den Kreis der hohen Geschlechter.« Doch der unaufhaltsame soziale Abstieg des Eau de Cologne bezeugt, »daß auch der Arme den Kampf gegen den fauligen Gestank seiner Sekretionen aufgenommen hat«.

!Quellen
* Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010

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''... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.''
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