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Im Goldenen Saal#

Von Christa Chorherr, 8. April 2018

Heute durfte ich wieder ein Konzert im Goldenen Saal des Musikvereins in Wien hören. Dieses Privileg habe ich ca. 10-mal pro Jahr, denn dann finden die Abonnement-Konzerte jeweils am Samstag und am Sonntag statt.

1812 wurde die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien gegründet. Wie kam es dazu? Am 29. November und 3. Dezember 1812 wurde in der Winterreitschule der Wiener Hofburg das Händel-Oratorium Timotheus aufgeführt. Dieses Wohltätigkeitskonzert der „Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen“ gilt als Auslöser zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates in Wien. Der Gründer des Vereins war damals Sekretär der kaiserlichen Wiener Hoftheater (Burgtheater und Kärntnertortheater). Der Erlös der beiden Konzerte sollte der neugegründeten Institution zugutekommen. Kaiser Franz I. spendete 1.000 Gulden, der Reingewinn betrug schließlich 25.934 Gulden Wiener Währung. Erster Sitz der Gesellschaft war das Palais Lobkowitz. Das Ziel der Gesellschaft der Musikfreunde ist die „Emporbringung der Musik in allen ihren Zweigen“. Als Hauptzweck der Gesellschaft wurden neben der Veranstaltung von Konzerten die Errichtung eines Konservatoriums (spätere Akademie, beziehungsweise Hochschule für Musik und darstellende Kunst) sowie die Anlage einer umfassenden musikalischen Sammlung (die weit über eine Bibliothek hinaus alle Zeugnisse der Musik und des Musiklebens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dokumentieren sollte) genannt. Die Aufgaben Konzertveranstaltung und Archiv erfüllt die Gesellschaft (noch immer als privater Verein organisiert) bis heute, wogegen das Konservatorium 1909 in staatliche Leitung übergeben wurde. 1812-1816 veranstaltete die Gesellschaft jährlich ein großes Musikfest, daneben ab 1815 die Gesellschaftskonzerte.

1829 kaufte die Gesellschaft ein zum Kärnthnerviertl zählendes Haus an den Tuchlauben (Haus zum roten Igel, ab 1822 angemietet, damals Haus Nr. 558, heute Tuchlauben 12) mit mehreren Geschäftslokalen und Wohnungen, ließ es abreißen und gab um rund 88.000 Gulden (inkl. Einrichtung) die Errichtung eines dreistöckigen Neubaus mit Konzertsaal im 1. Stock in Auftrag. Der Bauplatz lag etwa gegenüber der damaligen Ofenlochgasse, seit 1863 Kleeblattgasse.

Das Festkonzert zur Eröffnung des Saales fand am 4. November 1831 statt (damals wütete in Wien die Cholera). Besonders besucherstarke Konzerte fanden nach wie vor im Großen Redoutensaal der Hofburg statt. Der Saal in der Tuchlauben erwies sich mit nur 700 Sitzplätzen bald als zu klein, wurde aber dennoch fast 40 Jahre lang genutzt. 1846 wurde Gasbeleuchtung eingebaut. In den oberen Stockwerken waren das Konservatorium und das Archiv der Gesellschaft, Büros und Probenräume untergebracht.

1863 stimmte Kaiser Franz Joseph dem Vorschlag des beim Innenministerium für die neue Wiener Ringstraßenzone zuständigen Stadterweiterungsfonds zu, der Gesellschaft das dem Staat gehörende Areal am Wienfluss neben dem Bauplatz des Künstlerhauses, gegenüber der Karlskirche, unentgeltlich für ein Konzertgebäude zu überlassen.

Mit der Planung wurde der klassizistische Architekt Theophil von Hansen beauftragt. Es sollten zwei Säle werden, ein großer für Orchester- und ein kleiner für Kammermusikkonzerte. Für den Bau wurden Sandsteine aus Breitenbrunn und St. Margarethen, harte Kalksteine von Kaisersteinbruch am Leithagebirge und Wöllersdorf verwendet. Der Musikverein ist im historisierenden Stil nach Vorbildern aus der griechischen Antike gebaut: Säulen, Karyatiden und Giebel-Reliefs lassen die Assoziation zu, hier sei ein Tempel für die Musik errichtet worden. Im Jahr 2004 wurden vier kleinere, unterirdische Säle eröffnet, die für Konzerte ebenso wie für Proben, Konferenzen, Workshops oder Empfänge vorgesehen sind.

Das Haus wurde am 6. Jänner 1870 mit einem feierlichen Konzert eröffnet, und die Kritik lobte sogleich einhellig die grandiose Akustik des Großen Saales, dessen Ruhm sich in kurzer Zeit in der ganzen Welt verbreitete. Auch der kleine Saal, der 1937 nach Johannes Brahms benannt wurde, erhielt bald den Ruf, ein idealer Ort für Kammermusik zu sein.

Der Große Saal (oft auch als „goldener Saal“ bezeichnet) gilt als einer der besten Konzertsäle der Welt. Die Gründe für die hervorragende Qualität der Akustik sind zahlreich und zum Teil unbeabsichtigte Zufälle: Hansen musste sich auf seine Intuition verlassen, da wissenschaftliche Studien über Raumakustik erst im 20. Jahrhundert durchgeführt wurden. Beim Großen Saal sind alle Voraussetzungen für einen guten Konzertsaal erfüllt: Ideale Proportionen des Raumes, genügend großes Raumvolumen, nicht zu viele Plätze, viele schallstreuende Flächen wie Logen, Balkone und Skulpturen, keine schallabsorbierenden Flächen außer dem Publikum. Ein wesentlicher Aspekt der Akustik ist die Nachhallzeit, sie beträgt hier zwei Sekunden. Durch seine Quaderform (das „Schuhschachtel-Prinzip“) versorgt der Große Saal das Publikum mit den heute als wichtig erkannten frühen Reflexionen von den Seiten.

Besonders berühmt wurde dieser Saal durch die so genannten Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. Sie sind vor allem den Werken der Strauß-Dynastie (Johann Strauß Vater, Johann Strauß Sohn, Eduard Strauß und Josef Strauß) gewidmet. Dieses Konzert wird alljährlich via Fernsehen in 92 Länder übertragen und von mehr als 50 Millionen Zusehern live mitverfolgt. Besonders ist dabei auch der Blumenschmuck: Er war von 1980 bis 2013 traditionell ein Geschenk der italienischen Stadt Sanremo. 2014 wurden die Blumen erstmals von den Wiener Philharmonikern zur Verfügung gestellt. Der Konzertsaal wird von den Floristen jedes Jahr mit rund 30.000 Blumen dekoriert, 2015 erstmals in Kooperation mit den Wiener Stadtgärten.

Dieses Konzert fand zum ersten Mal nicht am Neujahrsmorgen, sondern am 31. Dezember 1939 statt. Die damaligen Zeitungen berichteten, dass es ein von den Wiener Philharmonikern dem von Adolf Hitler am 10. Oktober 1939 eröffneten Kriegswinterhilfswerk (Kriegs-WHW) zur Gänze gewidmetes „Außerordentliches Konzert“ sei.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs soll es Goebbels’ Absicht gewesen sein, Wien als Stadt „des Optimismus, der Musik und der Geselligkeit“ zu inszenieren. Das Orchester war nach der Annexion Österreichs Goebbels unterstellt. Die NS-Machthaber versuchten zu Kriegszeiten mittels so genannter „leichter Musik“, die Moral an der Front und in der Heimat aufrechtzuerhalten.

Ich habe das Konzert noch erlebt, als es von seinem Ersten Geiger, Willi Boskovsky (1955 – 1979), dirigiert wurde. Beendet wird da Programm des Neujahrskonzertes traditionell durch den Donauwalzer gefolgt vom Radetzkymarsch.

Das Konzert heute bot Werke von Beethoven, Bartok und Strawinsky. Es dirigierte der junge Andres Orozco-Estrada aus Kolumbien und am Klavier spielte der bemerkenswert virtuose Yefim Bronfman.

Ein wunderbares einerseits internationales aber doch auch wieder ein wienerisches Konzert!