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!!!10. Dezember - ''Das Christkind auf dem Markt''

%%small © [Dr. Helga Maria Wolf|User/Wolf Helga Maria]%%

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Märkte entstanden an den Schnittpunkten wichtiger Handelsstraßen und in
größeren Siedlungen. Wochen- und Tagesmärkte sicherten die
Lebensmittelversorgung. Die ländlichen Produzenten brachten ihre Waren
erst selbst in die Stadt und wurden zunehmend von Händlern abgelöst. Der
Markt als klassischer Ort des Austauschs von Waren und Nachrichten
kannte zudem saisonale Höhepunkte. Volksfestartige Jahrmärkte und
"Kir(ch)tage" zu bestimmten Heiligenfesten boten Dinge von weither, die
es sonst nicht zu kaufen gab. Sie durchbrachen Zunftprivilegien, Zölle
und andere Vorschriften, die den freien Handel hemmten. Man
nannte sie daher Freimärkte oder Dult (von indulgere
erlauben). Dultordnungen regelten die Öffnungszeiten der Stadttore,
Fragen des Feuerschutzes und der öffentlichen Sicherheit. Die Städte
profitierten von den Steuern, die Bürger vom internationalen
Warenangebot. Wer nichts kaufen konnte, fand zumindest Abwechslung beim
Schauen und Staunen.


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In Wien gab es ab 1382 den Katharinenmarkt, er begann am 25. November
und dauerte vier Wochen. Auch in den Stadtrechten von 1296 und 1396 ist
von einem Markt in der Vorweihnachtszeit die Rede. Um 1600 stand der
Thomasmarkt auf dem Graben und auf der Brandstätte. Bis
1761 boten dort alle Jahre wieder Lebzelter und Zuckerbäcker ihre Waren an.
1772 befanden sich 108 Stände auf der Freyung, 70
Jahre später 132 auf dem Platz Am Hof, wo der Markt 80 Jahre lang blieb. 1784 kritisierte der Aufklärer
Josef Richter: "Die Gassen wimmeln von Ständchen. Nüsse und Äpfel, die
schon Makulatur sind, werden hier für kurante Ware verkauft. Dort stehen
Krippen, Christkindchen, Hanswürste und Pantalone nebeneinander, gleich
neben ihnen eine Herde von kleinen Ochs- und Eselein, die die Großen
ihren Kindern nach Hause bringen."

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1916 war der "Nikolo- und Christkindlmarkt" Am Hof von 1. Dezember bis
2. Januar an Werktagen von 7 bis 20 Uhr, sonntags von 9 bis 12 und 14
bis 19 Uhr geöffnet. In der Zwischenkriegszeit lebte die Tradition des
Christkindlmarkts auf der Freyung (1923) und auf dem Stephansplatz
(1924-28) auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Wiener Christkindlmarkt
wechselnde Plätze: Stephansplatz, Mariahilf,
Hernals und seit 1975 auf dem Rathausplatz. Hier ist er zum
"Adventzauber" mit Eventcharakter geworden. Öffnungszeiten sind von 13.
November bis 23. Dezember täglich von 9 bis 21 Uhr, am Heiligen Abend
bis 17 Uhr. Seine Anziehungskraft wächst von Jahr zu Jahr. Das
Christkindlmarkt-Städtchen - 145 Hütten - zählt ca. drei Millionen
Besucher, von denen 500.000 aus dem Ausland kommen. 2004 gab es als
Neuerung das "erste Wiener Christkindl" und seine Helferlein die Engerln
Carina und Sophie. Eine Fachjury, darunter ein ehemaliges Nürnberger
Christkind, und das Publikum von 56.000 Internet-Usern
wählte die Darstellerinnen aus, die in langen weißen Kleidern, mit einem
Glitzerstern im blondgelockten Haar (aber ohne Flügel) viel Arbeit zu
erledigen hatten: Weihnachtsgeschichten vorlesen, Geschenke verteilen,
Briefe beantworten, Kinder in Spitälern besuchen ...
Auch an zwei Dutzend anderen Plätzen der Stadt gibt es Advents- und
Weihnachtsmärkte. Adventsmärkte dürfen vom sechsten Samstag vor
Weihnachten bis zum 24. Dezember, Weihnachtsmärkte ab dem 1. Dezember
täglich von 8 bis 20 Uhr offen halten. Die bekannteste Alternative zum
oft kritisierten Weihnachtsrummel bietet (seit 1987) der Alt-Wiener
Christkindlmarkt auf der Freyung mit seinem Volksmusik-Rahmenprogramm.
Aber auch auf dem Spittelberg, vor dem Schloss Schönbrunn und im
Universitäts-Campus auf dem Alsergrund bemüht man sich um besondere
Stimmung.

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In den vergangenen 250 Jahren waren die Weihnachtsmärkte
Umschlagplätze für die Geschenke, nach denen die bürgerliche
Gesellschaft verlangte. Hier fanden sich die "Verleger" ein, die
Erzeugnisse der Hausindustrie und Manufakturen aus dem Erzgebirge,
Berchtesgaden oder Hallein verkauften. Das Verlagssystem bedeutete die
Trennung von Produktion und Handel. Die Verleger nutzten die Konkurrenz
und übten Druck auf die Produzenten aus, indem sie das Rohmaterial
beistellten, Ausführung, Preise und
Absatzmengen bestimmten. In der Regel waren ganze Familien an der
Herstellung gemeinsam beteiligt. Was unter Mithilfe armer Kinder in
Heimarbeit hergestellt wurde, ließ die
Augen der Wohlhabenden leuchten: Hampelmänner, Vogelpfeiferl, Puppen,
Christbaumschmuck und Leuchterengel.

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Nürnberg war ein klassischer Handelsplatz dafür, sein
"Christkindlesmarkt" ist bis heute beliebt. Erstmals 1610 erwähnt, blieb
er "Zentrum der Rauschgoldengel, der Pfefferkuchen und des
Spielzeughandels". Seit langem galt der Reim "Nürnberger Tand geht durch
alle Land". Mit seinem Angebot an "Tand" und Lebkuchen vereint der Markt
auf dem Platz zwischen Liebfrauenkirche und St. Sebald alles, was man
sich unter Adventsatmosphäre vorstellt. Er wird, wie seine Mitbewerber
in Regensburg (der seit Beginn des 17. Jahrhunderts besteht) und
Frankfurt am Main, feierlich eingeblasen.

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Den Frankfurter "Christkindchesmarkt" hat schon Johann Wolfgang Goethe
beschrieben. Das "Wogen und Treiben, das Abladen und Auspacken der
Waren" ließe eine neue Stadt in der Stadt entstehen, wo das Glockenspiel
von St. Nicolai Weihnachtslieder spielt. Der traditionelle Standort am
Römerberg vor der Nicolaikirche war im 19. Jahrhundert für
Kinderspielzeug und den gewürzten heißen "Äppelwoi" berühmt. In der
Zwischenkriegszeit folkloristisch wieder belebt und feierlich eröffnet,
zählt er zu den beliebten Ausflugszielen in der Vorweihnachtszeit.

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Die kulinarische Spezialität des Berliner Weihnachtsmarktes vor dem
Schloss war Schmalzgebäck. Er fand von Mitte Dezember bis Neujahr auch
am Abend bei Beleuchtung statt. Hölzerne Buden voller Spielzeug, Hausrat
und Kunstgewerbe bildeten Gassen, in denen die Händler ihre
Waren mit Kaufrufen anpriesen. Nach alten Berichten traf sich dort die
ganze Stadt. Ludwig Tieck schrieb 1835: "Um die Mittagsstunde wandelten
dann wohl die vornehmen Stände behaglich auf und ab, schauten und kauften, luden den Bedienten,
welche ihnen folgten, die Gaben auf oder kamen auch nur wie in einem
Saal zusammen, um sich zu besprechen und Neuigkeiten mitzuteilen."


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[{Image src='Dez_10_003.jpg' caption='Weihnachtsgebäck für einen guten Zweck.' width='300' class='image_left' alt='Weihnachtsgebäck' height='188'}]
Der Dresdner "Striezelmarkt", der eine Woche vor dem Fest stattfand, ist
nach einem Weihnachtskuchen benannt. Schon im 16. Jahrhundert durften
dort mit sächsisch-kurfürstlichem Privileg Christstollen angeboten
werden. Bis 1913 zogen acht Meister und Gesellen am zweiten
Weihnachtstag zum Schloss. Sie überreichten zwei gewaltige
Stollen - jeder eineinhalb Meter lang und 36 Pfund schwer. Schon 1329
bestand die Verpflichtung der Bäcker, dem Bischof als Weihnachtszins
zwei lange Stollen abzuliefern.
Form und Name wurde sowohl mit einem Bergwerksstollen in Zusammenhang
gebracht, wie auch als Christkind (in Form eines Wickelkindes) gedeutet.
Der Teig besteht aus Butter, Weizenmehl, Mandeln, Zitronat und in
Alkohol getränkten Rosinen. Waren diese zu spärlich verteilt, hieß es,
der Stollen habe geschrien, weil sich die Rosinen nur durch lautes Rufen
miteinander verständigen könnten. Das Gegenteil war ein üppiger
"Flüsterstollen". Der Christstollen-Kult hat sogar das DDR-Regime
überdauert. In den staatlichen Läden gab es zur Vorweihnachtszeit
ausnahmsweise Mandeln und Rosinen, viele Hausfrauen ließen sich auch die
Zutaten von westdeutschen Verwandten per Post schicken.
Auf dem "Striezelmarkt" fand man außer Essbarem im 19. Jahrhundert ein
reiches Angebot: mit glitzerndem Rauschgold, buntem Papier und goldenen
Früchten aufgeputzte Christbäume, kleine Krippen, Feuerrüpel,
Spielwaren und Wachsstockpyramiden.

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Die Tradition des "Salzburger Christkindlmarkts" geht bis 1491 zurück.
Im 17. und 18. Jahrhundert begann er zwei Wochen vor Nikolaus und
dauerte dann noch 14 Tage, nach anderen Angaben vom Martini- bis zum
Thomastag (11. November bis 21. Dezember). Nicht nur "Puppen und
Naschwerk" gab es, sondern es war "jedermann gestattet, alte oder
Trödelwaren öffentlich feilzuhalten". 1793 hieß es, er böte für die
ärmeren Klassen die Möglichkeit, wohlfeil einzukaufen oder selbst
Kleinigkeiten zu Geld zu machen. In der Folge beschwerten sich die
ansässigen Händler über diese Konkurrenz. 1903 fiel der "Salzburger
Nicolaimarkt" unter die städtische Marktordnung. Von Martini bis zum
Heiligen Abend durften nun unter den Dombögen Waren
aller Art (mit Ausnahme von Nahrungs- und Genussmitteln) angeboten
werden. In den frühen dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hörte der
Salzburger Weihnachtsmarkt zu bestehen auf. Ab 1946 begann man im Kurpark
wieder mit einigen Ständen, 1950 übersiedelte der kleine Markt auf den
Mirabellplatz und 1960 zählte er wieder 33 Hütten. Seine Rückkehr ins
Salzburger Zentrum fällt mit der Revitalisierung der Altstadt in den
frühen Siebzigerjahren zusammen. Ein Versuch am Alten Markt erwies sich
erfolgversprechend, so dass er nun wieder auf dem Domplatz mit einem
weihnachtlichen Angebot und Rahmenprogramm stattfindet. Mit seinen 60
Ständen bildet er den ganzen Advent hindurch eine touristische
Attraktion und ein Kommunikationszentrum der Salzburger. 850.000
Besucher kommen an
den "Konsumort anderer Art": "Die Atmosphäre findet in der
Vorweihnachtszeit Gefallen und Stimmungen werden gesucht. Weihnachtliche
Klänge, Düfte nach Lebkuchen und Glühwein, die Erhabenheit der Kulisse
von Dom und Festung erzeugen bei den Besuchern hohe emotionale
Zufriedenheit", konstatieren Salzburger Soziologen.

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Außer diesem Weihnachtsmarkt gibt es einen am Mirabellplatz, den
Adventsmarkt auf der Festung Hohensalzburg
und den Hellbrunner "Adventzauber". Neben kommerziellen
Weihnachtsmärkten bestehen solche, die kulturelles oder soziales
Engagement in den Vordergrund stellen. In Salzburg-St. Leonhard agieren
seit 1973 Prominente als Verkäufer zugunsten der "Lebenshilfe", in der
Pfarrkirche kann man Adventsandachten und Festtagsgottesdiensten beiwohnen.

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In Wien initiierte die Caritas Socialis den Beginn einer solchen
Entwicklung. Die Schwestern, die alte Menschen betreuen, sahen sich vor
die Aufgabe gestellt, die Senioren sinnvoll und mit Freude zu
beschäftigen. Im Lauf eines Jahres entstanden viele kleine Dinge, die in
einer Weihnachtsschau angeboten werden sollten. Die Rolle der
Verkäuferinnen nehmen Frauen von Politikern ein, was den entsprechenden
Absatz sichert. Im November oder Dezember veranstaltet die United
Nations Women's Guild (seit 1967) in der Wiener UNO-City einen Basar für
Kinderhilfsprojekte in aller Welt, der alljährlich rund 100.000 €
einbringt.

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Wie sich guter Zweck, Genuss und Kommunikation verbinden lassen, zeigen
überall in der Stadt die Stände wohltätiger Organisationen, die Punsch
und Glühwein ausschenken. Sie sind zu neuen Kommunikationsorten nach der
Arbeit geworden. Was Konsumenten und Produzenten freut, erregt nicht
selten das Missfallen der Gastronomen und der Polizei.   


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