Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Andreas Lehne, Stefan Oláh: Stadtbahnbogen#

Bild 'Stadtbahn'

Andreas Lehne, Stefan Oláh. Stadtbahnbogen. Metroverlag Wien 2012. 160 S. , durchg. farbig ill., € 25,-

Die Wiener Stadtbahn ist ein Gesamtkunstwerk. Der geniale Otto Wagner (1841-1918) schuf es zwischen 1893 und 1901, unterstützt von 70 hoffnungsvollen jungen Architekten in seinem Büro, wie Joseph Olbrich (1867-1908), Josef Hoffmann (1870-1956) und Joze Plecnik (1872-1957). Die ersten Ideen für eine innerstädtische Eisenbahn gehen auf das Jahr 1844 zurück. Doch erst nach der Eingemeindung der Vororte schritt man zur Tat, und dann ging es schnell. In nur neun Jahren entstanden 39 km Bahnanlagen, die das Stadtbild bis heute prägen. Wagners Motto "Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein" folgen auch die 365 Stadtbahnbogen, denen dieses Buch gewidmet ist.

Seine Autoren sind ausgewiesene Fachleute. Erst im Vorjahr erschien das hinreißende Buch des Fotografen Stefan Oláh über die österreichische Architektur der fünfziger Jahre. Auch diesmal porträtiert er Architektur, die gemeinhin nicht besonders geschätzt wird. Der Textteil stammt vom Kunsthistoriker Andreas Lehne, der im Bundesdenkmalamt die Abteilung für Inventarisation und Denkmalforschung leitet.

Er schrieb den prägnanten Einführungstext mit Fachkenntnis und persönlichen Erinnerungen, wie sie wohl viele teilen: "Man fuhr mit einer richtigen Eisenbahn. Mit Bahnhofsvorständen, Lautsprecherdurchsagen, auf Schienen, die in einem Schotterbett verlegt waren. In der Luft lag der besondere teerartige Geruch von Bahnhof und Lokomotiven. … die in der Erinnerung dunkelroten Züge, das Rattern der Waggons, wenn man mit der gefühlten hohen Geschwindigkeit in der Höhe des zweiten und dritten Stockwerks abends über den Gürtel fuhr und die beleuchteten Fenster der Wohnhäuser an einem vorbeirasten…"

Anfangs fuhr die Stadtbahn - als Teil der staatlichen Eisenbahn - mit Dampfloks. 1923 wurden Donaukanal-, Wiental- und Gürtellinie, nun im Eigentum der Gemeinde Wien, elektrifiziert und 1978 die Stadtbahn zur U-Bahn umgerüstet. Der überwiegende Teil der Otto-Wagner-Architektur blieb dabei erhalten. Bei ihrer Errichtung waren die Hochbahnstrecken umstritten, aber billiger. Als man sich für die Tiefbahn-Variante entlang des Kais entschied, bedeutete dies das Ende des genehmigten Projekts einer Verbindung zwischen Gürtellinie und Südbahnviadukt. Um die harmonische Integration der Hochbahn in das Stadtbild zu ermöglichen, wählte der Architekt die klassische Form der Viadukte.

Sie fungieren bis heute als dessen "Leitlinien". Am besten nachvollziehbar ist das am Gürtel, wo lange Bogenreihen scheinbar homogen den breiten Straßenraum einsäumen. Und doch gleicht kein Bogen dem anderen. Sie sind das eigentliche Thema des Buches. Die Darstellung konzentriert sich auf den Abschnitt zwischen den Stationen Alser Straße und Friedensbrücke sowie den ehemaligen Heiligenstädter Ast. Die Momentaufnahme aus dem Jahr 2012 zeigt neben vitalen auch verlassene - und dementsprechend von Graffitti bedeckte Stadtbahnbogen. Die bewirtschafteten beherbergen u. a. alteingesessene Gewerbebetriebe, Autowerkstätten und Sportclubs. Seit sich Mitte der neunziger Jahre das EU-Projekt "Gürtel plus" ihrer annahm, kommen immer mehr schicke In-Lokale für ein junges Publikum dazu. Mit einem Aufwand von 35 Mio. Euro wurden bisher 50 Bögen revitalisiert. Originale Jugendstilportale sollen erhalten bleiben, für die anderen entwarf die Architektin Silja Tillner eine Nurglasfront, deren Teilung sich an den Proportionen der Wagner-Arkaden orientiert. Von ihr und Alfred Willinger stammt auch die Überbauung an der Einmündung des Gürtels in die Heiligenstädter Straße. Die Stahl-Glas-Konstruktion der "Skyline Spittelau" folgt elliptisch der Krümmung der Stadtbahnbogen. Mit seiner schrägen Fassade über drei Stockwerke und einer Länge von fast 200 m umschließt sie einen sichelförmigen Hof. Andreas Lehne lobt die "fast intime, ruhige Innenhofsituation, die durch den Kontrast zwischen den gealterten Arkaden und den unmittelbar anschließenden Glaswänden eine faszinierende Atmosphäre erhält. Womit bewiesen wäre, welches Potential auch in den still gelegten Stadtbahnbögen steckt - wenn man damit umzugehen weiß. "