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-Robert Bouchal - Gabriele Lukacs: Geheimnisvolle Unterwelt von Wien#

Bild 'Buch Bouchal'

Robert Bouchal - Gabriele Lukacs: Geheimnisvolle Unterwelt von Wien. Keller, Labyrinthe, Fremde Welten. Pichler Verlag Wien, Graz, Klagenfurt 2014. 224 S., ill., € 18,-

"Unterwelt" - das klingt nicht sympathisch, erinnert an Pestgruben, dritten Mann, Luftschutzbunker. "Geheimnisvoll" gemahnt an mystische Kraftplätze und Esoterik. Man sollte sich vom Titel nicht abschrecken lassen. Dieses Buch ist ebenso seriös wie informativ. Die Fremdenführerin Gabriele Lukacs und der Höhlenforscher und Fotograf Robert Bouchal sind Experten für jenes Wien, das kaum jemand kennt. Sie haben die Stadt unter der Erde selbst erforscht, Archivstudien betrieben und die richtigen Personen befragt. Sie haben den Mut zum Konjunktiv und zu offen bleibenden Fragen. Gerade das macht ihre Arbeit sympathisch. In bewährter Weise hat Robert Bouchal all die Keller, Gänge, Tunnel und Grüfte meisterhaft ins Bild gesetzt. Alfred Hoffmann hat für die Fülle des Materials ein übersichtliches Layout konzipiert, das die ausdruckstarken, oft großformatigen Fotos so richtig zur Geltung bringt.

Das handliche, kompakte Buch gliedert sich in acht Kapitel. Das erste, "Geheimnisvolle Unterwelt" stellt 15 Räume unter den Straßen der Inneren Stadt vor. Dabei ist auch vermerkt, ob sie zugänglich sind, und dafinden sich doch einige, wie das ehemalige Theater in der Annagasse 3, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt seit 2010 als "absolut kultiger Fashion- und Modetempel" wieder erstanden ist. Im Renaissancekeller in der Bräunerstraße 5 gibt es gelegentlich Jazzaufführungen für Publikum. Die römische Porta Dextra, in der Ertlgasse 4, wurde zum Veranstaltungszentrum und Spezialitätenlokal. Dort kann man auch die letzte der "josephinischen Säulen" bewundern. Diese wurden zur Zeit Joseph I. zur Verstärkung der Kellergewölbe im Verlauf der Rotenturmstraße eingesetzt, um den Einsturz zu verhindern, der beim Transport der 22 Tonnen schweren ersten Pummerin durch die Straße zu befürchten war. Nicht zu vergessen: die tiefen Weinkeller, die zu beliebten Lokalen geworden sind.

Das zweite Kapitel, "Im Umkreis der Hofburg", erklärt unter anderem die Belüftungsanlagen der Bundestheater und spürt adeligen Geheimgängen nach. Hartnäckige Gerüchte über Verbindungen - etwa von der Hofburg nach Schönbrunn - haben die Autoren sorgfältig überprüft, aber verworfen. "Die theoretische Möglichkeit bestünde wohl, die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr gering". Wenn der Besuch solcher Anlagen den wagemutigen Experten vorbehalten blieb, gibt es doch auch hier einen Ausflugstipp: Das Demel-Museum, Kohlmarkt 14, unter der berühmten Konditorei enthält "eine sehenswerte Sammlung von Dekorationsstücken aus Zucker und Marzipan, von alten Eiskartuschen und Backformen." Im Keller entdeckten sie römische Bauteile und einen Teil eines barocken Geheimganges, der später der Lieferung von Süßigkeiten von der Hofzuckerbäckerei in die Hofburg diente.

Im dritten Kapitel geht es um "Leichen im Keller". Das vierte und fünfte führt in die ehemaligen Vorstädte. Besonders lohnend erwiesen sich die Expeditionen im Bezirk Landstraße. Dort ist seit 2010 die Arbeitsgruppe "Verborgene Räume" tätig. Unter dem Kloster Sacre Coeur verbirgt sich nicht nur eine Kapelle, sondern auch ein Spionagetunnel, den Maria Theresias Berater Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg (1711-1794) anlegen ließ. Hingegen handelt die Sage von "Des Teufels Alchemistenküche" in Haus der Petrusapotheke. Ein neuer Eigentümer ermöglichte der Arbeitsgruppe Einblick in seine Keller in der Beatrixgasse 14, wo sich 1888 ein Badd später die Zuckerlfabrik Heller befand. Aus dieser Zeit ist eine Dampfpumpe erhalten, doch kamen auch Kriegsrelikte zu Tage.

"Von Gumpendorf bis Alsergrund" führt unter anderem in das Semperdepot, auf den Spittelberg und auf die Schottenpoint. So nannte man seit dem Mittelalter den Donauuferhang in der Gegend der Berggasse - Strudlhofgasse. Seit 1225 befand sich hier das Maria-Magdalenenkloster, das 1529 zerstört wurde. Im Ersten Weltkrieg ließ Eugenie Schwarzwald in der Thurngasse die Gemeinschaftsküche "Akazienhof" einrichten. Von der Ausstattung nach Plänen von Adolf Loos ist nichts mehr zu ahnen, doch die Keller des mittelalterlichen Klosters durchziehen auf 1000 m² den Schottenbühel.

Im sechsten Kapitel lernt man das "Türkenloch" in Pötzleinsdorf kennen, im siebenten Schönbrunn und Hietzing. Das Schloss und seine Umgebung erwiesen sich als Fundgrube für die Erforscher der unterirdischen Architektur: Geheimgänge, Gewölbe unter dem Pavillon im Tiergarten, Eiskeller der Gloriette oder die noch funktionstüchtige Heizung der Schlosskapelle, die für Kaiser Franz Joseph angefertigt wurde, sind nun in Bild und Text dokumentiert.

Das achte Kapitel, "Luftschutzkeller aus dem 2. Weltkrieg", führt in die Zeitgeschichte, erwähnt aber auch die Rohrpost, die zwischen 1894 und 1956 über ein 825 km langes unterirdisches Netz verfügte, das die rasche Beförderung von Briefen ermöglichte. Rund 50 Objekte von der Römerzeit bis in die Gegenwart stellt das Autorenteam vor. "Wir sammeln seit Jahren unzählige Hinweise und gehen ihnen nach. Wir beobachten den Wandel und die stetige Veränderung. …. Wir dokumentieren diese Welt, um sie in unser aller Erinnerung zu rufen. Sie soll nicht in Vergessenheit geraten," schreibt Gabriele Lukacs, und Robert Bouchal meint: "Ich möchte keinen der Augenblicke missen, in denen mir das Licht meiner Helmlampe neue Wege zeigt."