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Wolfgang Christian Huber (Hg.) - Janos Stekovics: Das Stift Klosterneuburg#

Bild 'Klosterneuburg'
Wolfgang Christian Huber (Hg.) - Janos Stekovics: Das Stift Klosterneuburg. Wo sich Himmel und Erde begegnen. Wettin-Löbejün 2014. 256 S., 306 farbige Abb., € 39,90.

"Wo sich Himmel und Erde begegnen" der Slogan von des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg, das heuer ein 900 Jahr-Jubiläum feiert, trifft auch für das Jubiläumsbuch perfekt zu. "Himmel" steht für Spiritualität ebenso wie für den künstlerischen Kosmos des barocken Gesamtkunstwerks. Auf der Erde gedeiht das älteste Weingut Österreichs. Das letzte große Werk über das Stift und seine Kunstschätze erschien vor 20 Jahren, damals mit schwarz-weiß-Bildern, verfasst vom legendären Archivar Floridus Röhrig (1927-2014). Dem vor kurzem Verstorbenen ist das neue Buch "in tiefer Dankbarkeit gewidmet". Der Herausgeber, Stiftskurator Wolfgang Christian Huber, hat ein achtköpfiges Autorenteam zusammengestellt, um das Stift in allen seinen Facetten darzustellen. Der deutsche Fotograf Janos Stekovics verbrachte mehrere Wochen hier und fertigte 26.000 Bilder an. Die Auslese findet sich in diesem Prachtband. Darunter sind Motive, die bisher als nicht fotografierbar galten, wie die Seitenaltäre der Stiftskirche, die immer im Gegenlicht erscheinen. Man kann nur unterstreichen, was Abtprimas Bernhard Backovsky im Geleitwort feststellt: Diese Publikation vermittelt auf beeindruckende Weise Geschichte und Gegenwart eines europäischen Kulturdenkmals. Wien Thema und Inhalt, ist die besondere Ausstattung des Buches bestechend. Dafür ist Janos Stekovics in seiner Eigenschaft als Verleger zu danken. Ebenso originell wie intelligent ist die Idee, den Schutzumschlag auch auf der Innenseite zu bedrucken. Als Motiv drängt sich der Verduner Altar geradezu auf. Die berühmten Emailletafeln erscheinen im "Breitbandformat". Der Leineneinband des Buches trägt ein textiles Motiv, auch haptisch ein Erlebnis.

Anlass zur Herausgabe war der 900. Jahrestag der Grundsteinlegung der Stiftskirche im Jahr 1114. Stiftskustos Nicolaus Buhlmann beleuchtet die Geschichte des Stiftes und seiner Bewohner. Von der Schleierlegende - an der fast nichts stimmt - und der Vorgeschichte Klosterneuburgs, das schon in der Jungsteinzeit besiedelt war, bis zur Eröffnung der "Galerie der Moderne" im Frühjahr 2013 reicht der umfassenden Überblick über das Wirken der Chorherren durch die Jahrhunderte. In großen Fotos und Details erscheinen unter anderem der legendäre Schleier, der romanische "Holunderbaum", gotische Glasfenster, der Erzherzogshut aus dem Jahr 1616, Zimelien aus der Schatzkammer, die barock ausgestattete Stiftskirche, die klassizistische Bibliothek, ein Jugendstilornat oder die im Zuge der Generalrenovierung revitalisierte Sala terrena.

"Sehen - Deuten - Glauben" nennt der Augustinerchorherr Reinhard Schandel seinen Beitrag über "Blickrichtungen in der Stiftskirche". So wird sie mit ihrer 900-jährigen Bau- und Ausstattungsgeschichte als Kunstdenkmal, aber auch als aktueller sakraler Ort erlebbar. Sie birgt Kunstwerke aus vielen Epochen. Der älteste Rest der ab 1114 in nur 22 Jahren errichteten dreischiffigen Basilika ist eine romanische Säule mit plastischem Dekor. Das Innere des Gotteshauses präsentiert sich als barockes Gesamtkunstwerk. Die Fassade mit den Türmen hat Ende des 19. Jahrhunderts auf Anraten des Wiener Dombaumeisters Friedrich Schmidt dessen Schüler Josef Schömer im Sinn des Historismus gestaltet.

Der gotische Kreuzgang wurde damals ebenfalls überarbeitet. Er steht auf römischen Fundamenten. Alexander Potucek hat sich mit diesem Teil des weitläufigen Gebäudekomplexes beschäftigt. Die Fenster der Leopoldskapelle vereinen heute Glasmalereien aus dem 14. Jahrhundert, sie zählen zu den handwerklich besten Leistungen ihrer Zeit. Die Bedeutung der Leopoldskapelle bewahrte sie vor dem Abriss beim barocken Umbau. In der heutigen Agneskapelle, dem ehemaligen Brunnenhaus, fand der "Holunderbaum" genannte, große romanische Leuchter Aufstellung.

Mateusz Mayer beleuchtet die wichtigen Aspekte des Totengedenkens und der Heiligenverehrung an der Grabstätte des Landespatrons Leopold. Das Thema "Grablegen, Grabmäler und Grabkapellen im Stift Klosterneuburg" wurde bisher noch nie so grundlegend bearbeitet. Zu den ältesten Beispielen zählen Steinplatten aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts, von Babenberger-Gräbern. Die gotische Wehingerkapelle wurde 1394 geweiht, ihre Künstler zählten wohl zur Wiener Dombauhütte. Marmorplatten und Epitaphen geben Zeugnis davon, dass im Stift "bis ins 18. Jahrhundert sowohl Geistliche als auch betuchte Laien beigesetzt" wurden.

Die Räume der unvollendeten kaiserlichen Residenz mit ihrer reichen Ausstattung geben beeindruckend Zeugnis vom Stift als Ort der staatlichen Repräsentation. Ihnen widmet sich Huberta Weigl. Text und Bilder stellen den Marmorsaal mit den Fresken Daniel Grans vor. Auf der großen Kuppel über dem Marmorsaal thront weithin sichtbar ein riesiges Modell der Reichskrone. Die Kaiserzimmer im Hauptgeschoß erstrecken sich vom Marmorsaal im Osttrakt bis zur Prälaturstiege im Nordtrakt. Die ausgesprochen aufwändig gestalteten Gemächer Kaiser Karl VI. umfassen fünf Räume, die heute öffentlich zugänglich sind. Die Räumlichkeiten der Kaiserin Elisabeth Christine werden als Prälatur verwendet. "Stift Klosterneuburg war Teil der von Kaiser Karl VI. und seinen Beratern getragenen Kunstpolitik. Der Bau erfüllte eine ideologisch-propagandistische Funktion … Darüber hinaus war der Bau Ausdruck der Frömmigkeit Kaiser Karl VI. … Obwohl der 'österreichische Escorial' niemals vollendet wurde, hat er seit jeher bei den Besuchern Bewunderung hervorgerufen", schreibt die Kunsthistorikerin.

Der Herausgeber Wolfgang Christian Huber stellt die von ihm betreuten Kunstsammlungen vor. Sie umfassen hervorragende Werke des Mittelalters, wie die "große Klosterneuburger Madonna", eine der qualitätvollsten österreichischen Skulpturen aus der Zeit um 1300, Tafelbilder der wichtigsten Wiener Künstler Mitte des 15. Jahrhunderts, den Albrechtsaltar, den Babenbergerstammbaum, Gemälde von Rueland Frueauf mit Klosterneuburger Thematik, ebenso wie wertvolle Stücke aus der Renaissance- und Barockzeit und reichen bis in die Gegenwart. "Zusätzliche Aspekte setzt der vom Stift Klosterneuburg seit 2009 vergebene St. Leopold Friedenspreis für Kunst mit sozialem Anspruch."

Nachdem das Barockprojekt nicht zur Gänze ausgeführt wurde, setzte Mitte des 19. Jahrhunderts Josef Kornhäusel den Bau fort. Zu seinen Leistungen zählt die klassizistische Bibliothek mit dem Kuppelsaal. Sie beinhaltet 300.000 Bücher in hoher Qualität und mit vielfältiger Thematik. Den Grundstock legten schon Leopold und Agnes mit mittelalterlichen Bibelhandschriften. Bald begann der Aufbau einer Bibliothek, zu der ein Skriptorium zum Kopieren der Bücher gehörte. Schon im 12. Jahrhundert bestand auch eine Stiftsschule mit Schulbibliothek. Einen Sonderbestand der Sammlungen bilden Musikalien und liturgische Bücher. 2013 wurden zwei neue Lesesäle eingerichtet, schließt Martin Haltrich sein Kapitel.

Karl Holubar gestaltete die beiden abschließenden Artikel: "Das Stiftsarchiv" und "Geschichte des Stiftsweinguts". Auch diese beiden Institutionen hatte das Kloster von Anfang an. Das Archiv sollte die rechtliche Grundlage für die Besitztümer dokumentieren. Es ist im ehemaligen Fürstentrakt untergebracht. Dessen Erker aus der Zeit um 1500 ist eines der schönsten Beispiele für Profanarchitektur der späten Gotik in Niederösterreich. Reizvoll ist die optische Gegenüberstellung des modernen Aktendepots, das die ältesten Bestände bewahrt und des historischen Prunksaals mit den "Fluchtkisten". Eines der Prunkstücke des Stiftsarchivs stellt die goldene Bulle vom 4. Dezember 1492 dar. Darin bestätigte Kaiser Friedrich III. dem Stift seine Rechte. Die Urkundensammlung besteht aus ca. 3600 Originalurkunden, deren älteste aus dem Jahr 1043 stammt. Die Handschriftensammlung enthält wichtige Quellen zur Landesgeschichte, die Rechnungsbücher zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Dazu kommen hunderte Grundbücher, historische Pläne und Akten, die den größten Teil der Bestände ausmachen. Archivalien belegen auch die Rechtshandlungen im Zusammenhang mit dem Stiftsweingut. So gewährte eine Urkunde aus dem Jahr 1288 dem Stift den Weinausschank in Wien. Auch der gute Ruf des Stiftsweins lässt sich seit Jahrhundert belegen. Ein markanter Blickpunkt ist das Tausendeimerfass, bei dem alljährlich zum Fest des hl. Leopold das Fasselrutschen stattfindet. Mit einer Rebfläche von 108 ha. zählt das Stiftsweingut zu den größten und renommiertesten des Landes. Von der Qualität seiner Produkte kann man sich bei einer Kellerführung und Verkosten in der Vinothek überzeugen

Die Einheit von Spiritualität, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, für die das Augustinerchorherren-Stift Klosterneuburg seit 900 Jahren steht, findet in dem Buch ihr adäquates Spiegelbild.