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Hans Hödl: Steirische Bräuche#

Bild 'Hödl'

Hans Hödl: Steirische Bräuche. Altes und Neues im Jahreslauf. Styria Verlag Wien - Graz - Klagenfurt 2016. 208S., ill, € 29,90

Das Wort "Heimat" hat wieder Konjunktur. Dem Begriff "Brauchtum" ergeht es ähnlich. Homepages von Perchtengruppen und anderen Ausübenden kommen um das "-tum" nicht herum, vor allem solche, die dieses dann als "uralt", "heidnisch" etc. klassifizieren. Dagegen nützt es wenig, wenn die Europäische Ethnologie seit Jahrzehnten lieber neutral von "Bräuchen" spricht. Wer - zumindest ein wenig - mit den neueren Entwicklungen vertraut ist, folgt ihrem Beispiel, obwohl auch Autoren ernst zu nehmender Bücher glauben, nicht auf das inkriminierte Vokabel verzichten zu können.

Das jüngste Beispiel "Steirische Bräuche. Altes und Neues im Jahreslauf" bewegt sich in der Mitte. Sein Autor, Hans Hödl, war Verlagslektor bei Styria und ist als Journalist, Fotograf und Vortragender aktiv. Er sei "kein 'studierter' Volkskundler, sondern promovierter Theologe", stellt er sich vor, und hat sich als Autor erfolgreicher Natur- und Bergbücher einen Namen gemacht. Auf zahlreichen Wanderungen durch seine steirische Heimat lernte er kennen, was dort der Brauch war. Dies weckte weiter das Interesse an den Festen, zu denen er seit seiner Kindheit ein Naheverhältnis hatte, wie Hans Hödl einleitend schreibt.

Dort verrät der Autor auch, dass seine erste Begegnung mit volkskundlicher Literatur Viktor Gerambs 1924 erschienenes Buch "Deutsches Brauchtum in Österreich" war. Zufällig erhielt er ein Exemplar, das eine Bibliothek als "nicht mehr aktuell" ausgeschieden hatte. Gleiches trifft für "Volksbrauch im Kirchenjahr" (1934) des Grazer Volkskundeprofessors und späteren Kulturlandesrates Hanns Koren zu. Hödl schließt sich seiner Meinung an, dass Bräuche "durch die Auseinandersetzung der Menschen mit den Naturkräften entstanden (besonders im bäuerlichen Bereich)." Gar nicht einverstanden zeigt er sich mit der Aussage "Bräuche fallen nicht vom Himmel, sie kommen auch nicht aus der Volksseele". Da dürfte allerdings ein Missverständnis vorliegen, denn sein Buch der beste Beweis für die Tatsache, dass Bräuche "erfunden werden, wenn man sie braucht".

Aus Gesprächen mit "Brauchtumsträgern" und mit brillanten Leica-Fotos gestaltete Hans Hödl ein buntes Kaleidoskop von Altem und Neuem zwischen Neujahr und der "stillen Zeit". Schon ein erster Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt die Vielfalt, beispielsweise: Glöcklerlauf in Stainach, Heiligen-Geist-Taube und Pfingstringen, Flursegnung und Wetterbeten, Kräutersegnung am Großen Frauentag, der „Abakus“, ein vergeistigter Apfel aus Puch, Friedenslicht von Bethlehem, Gesegneter Johanneswein … Das große Plus der Zusammenschau ist, neben den Meisterfotos, das eigene Erleben des Autors. "Das Buch lebt von dem, was er erlebt hat", schreibt Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in seinem Vorwort. Aus Gesprächen mit namentlich genannten Braucherfindern bzw. -pflegern konnte der Autor viele Details in Erfahrung bringen konnte. Er spickt die Texte mit aktuellen Sprüchen - so wünschen Neujahrssänger in Gratwein der Hausfrau heutzutage "an Butler fürs Haus" und "a Auto mit Airbag" - und Versen lokaler Poeten.

Es ist die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, die das Brauchgeschehen - und dessen Dokumentation - so spannend macht. Während die einen ihre Sprüche humorvoll-modern reimen, nehmen andere "stark verwurzelte Bräuche", wie das Räuchern, sehr ernst. Unbestritten, dass es sich dabei um einen alten Brauch handelt, aber wohl kaum um einen mit "heidnisch-germanischen Wurzeln." Während bei fast allen Kapiteln der historische Ursprung sachlich beschrieben wird, verfällt der Autor auf den letzten Seiten in überholte Vorstellungen: "In den 'Zwölften', den finstersten Tagen zwischen Weihnachten und Dreikönig, soll der Göttervater Wotan allen bösen Geistern und Dämonen Ausgang gewährt haben. Das war das alte heidnische Verständnis …"

Außer dem allgemein Üblichen, wie dem Begehen der Jahresfeste oder die inzwischen allgegenwärtigen Krampusperchten - zum Treffen in Schladming kommen 700 Darsteller - erfährt man aus der Insiderperspektive viel über wenig bekannte steirische Spezialitäten. Dazu zählen die "Pudelmuatta", die in der Oststeiermark bei ihrem Besuch Obst und Süßigkeiten für die Kinder in die Stube wirft, die strahlenden Osterkreuze und das Maschta-Singen in der Weststeiermark, die prachtvollen Blumenteppiche zu Fronleichnam im Süden des Bundeslandes, das Rossauslassen auf den Almen, die Kürbisbürgermeisterwahl in Preding oder der Thomasniglo in Gams.

Mancher Steirische Brauch ist weit über die Grenzen bekannt geworden, wie das Grazer "Aufsteirern" mit 100.000 Gästen oder das Narzissenfest im Ausseerland mit 3.000 Aktivisten und 20.000 Schaulustigen. Andere haben es sogar auf die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes geschafft, beispielsweise der Ausseer Fasching, die Murauer Faschingrennen, das Öblarner Krampusspiel, Samsonumzüge und "der wiederentdeckte Brauch" des Karfreitagratschens.