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Andrea Bina, Georg Thiel: Urfahraner Markt#

Bild 'Bina'

Andrea Bina, Georg Thiel: Urfahraner Markt. 200 Jahre Linzer Lustbarkeiten. Herausgeber: NORDICO Stadtmuseum Linz. Verlag Anton Pustet Salzburg 2017. 172 S., ill., € 22,-

Von der "Adam- und Eva-Schau" bis zur Zuckerwatte reicht das Kaleidoskop der Lustbarkeiten auf dem Urfahraner Markt. Der älteste und größte Jahrmarkt Österreichs feiert 2017 sein 200-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum zeigt das Nordico Stadtmuseum, Linz, eine Sonderaustellung. Das unkonventionelle Begleitbuch enthält zahlreiche großformatige Fotos des international tätigen Fotografen und Universitätslektors Norbert Artner. Beim Betrachten drängt sich der Spruch "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte" auf. Dennoch ergeben Bilder und Worte ein untrennbares Ganzes. Thumbnails der modernen und historischen Aufnahmen ergänzen an den passenden Stellen die Essays.

Maria Altrichter beleuchtet die historische Entwicklung. Anfangs waren die Urfahraner Jahrmärkte - nach Pfingsten und am Martinitag - Verkaufsveranstaltungen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Diesen kam die günstige Lage an der Donau und wichtigen Fernstraßen entgegen. Seit dem Mittelalter befand sich hier eine Überfahrt oder Furt über die Donau nach Linz, wodurch Urfahr zu seinem Namen kam. Schon der erste Jahrmarkt erwies sich als sehr lukrativ. Der kommerzielle Höhepunkt wurde in den 1840er Jahren erreicht. Die Fläche vergrößerte sich beständig, ebenso die Marktdauer. Stellten am Beginn große Firmen ihre Waren aus, so verlagerten sich die Aussteller Anfang des 20. Jahrhunderts auf Gewerbetreibende der Umgebung. Verpflegungsstände und Volksfest-Attraktionen erlangten steigende Bedeutung. 1926 kam es dann offiziell zur Umwandlung in einen "Jahrmarkt mit Dult". Neben landwirtschaftlichen Produkten waren vor allem die hochwertigen Waren der Leinenweber und Sensenschmiede von Interesse für die Besucher, die aus Linz, Umgebung und den Nachbarländern kamen. Das "Schaufenster des Mühlviertels" wandelte sich in den 1950er Jahren zum Markt der städtischen Händler, mit der Zielgruppe der ländlichen Bevölkerung. Jetzt besuchen alljährlich eine halbe Million Menschen den Markt. Die Autorin schließt: "In seiner Bedeutung ist der Urfahraner Markt nicht mehr aus Linz wegzudenken und hat heute schon beinahe den Status eines Wahrzeichens der Stadt erlangt."
Mit den Menschen auf dem Markt beschäftigt sich Arabelle Bernecker. Sie besuchte Schausteller und Fieranten in ihren Wohnwagen. Die Interviews mit dem "fahrenden Volk" geben Einblick in eine eigene, der Mehrheit der Bevölkerung fremde, Welt. Der Urfahraner Markt eröffnet im März die Saison der "Fahrgeschäfte", mit denen man in den 1960er bis 1980er Jahren gut verdienen konnte. Damals wurden die Ringelspiele von den Besitzern großteils selbst gebaut und gewartet. Die Kinder waren "Wanderschüler" und halfen selbstverständlich in den Familienbetrieben mit. Die "prachtvollen Schaustellerfrauen" waren unermüdlich tätig als Managerin, Kassierin und LKW-Fahrerin. Die Autorin spricht von der "starken Matriarchin." Schaustellerfamilien sind vielfach miteinander verwandt und generationenlang aktiv. Einige Oberösterreicher hatten sogar in Übersee Erfolg.

Dies gilt auch für die "Linzer Buam", Elisabeth Nowak-Thaller hat dazu eine sehr persönliche Beziehung. Ihr Vater, Robert Thaller, gründete 1950 das Ensemble neu. Die erste Gründung war 1933 erfolgt. Der legendäre Rundfunkreporter und Volksmusikspezialist Andreas Reischek hörte das Ensemble in einem Gasthausgarten und war begeistert. Das Medienecho und die Auftritte auf dem Urfahraner Markt führten zu zahlreichen Engagements. Der frühere Kapellmeister und einige Musikanten kehrten aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr heim. Neben der Kapelle der "Original Linzer Buam" etablierte Robert Thaller die zweiten "Linzer Buam". Wie sich seine Tochter erinnert, rissen sie - und die Schauspielerin "Annamirl" Leitner - das Bierzelt-Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Auf dem Programm standen neben Operetten, Märschen und Schlagern auch Evergreens der Folklore-Unterhaltungsnummern und eine Schuhplattler-Performance. Bald drang der Ruf der Kapelle über die Grenzen, sodass sie verstärkt und mit Gaststars, mit vier Gruppen auftrat. "Ohne Sponsoren oder Subventionen waren die Linzer Buam mehr als ein halbes Jahrhundert im Volksmusiksektor DIE Linzer Botschafter im In- und Ausland", schreibt Elisabeth Nowak-Thaller.

Das abwechslungsreiche Buch, das auch Beiträge des Gastkurators Georg Thiel enthält, endet mit dem von ihm und der Leiterin des Nordico, Andrea Bina, humorvoll und kenntnisreich zusammengestellten "Kaleidoskop der Lustbarkeiten". Zuletzt erfährt man, dass man für eine Portion Zuckerwatte - die Köstlichkeit wurde um 1900 in Amerika erfunden - nur einen knappen Teelöffel Zucker benötigt, und dass es inzwischen sogar zuckerfreie Zuckerwatte gibt.