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Inge Friedl: Weihnachten wie`s früher war#

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Inge Friedl: Weihnachten wie`s früher war. Erinnerungen, Geschichten und Bräuche. Styria-Verlag Wien, Graz, Klagenfurt 2017. 160 S, ill., € 19,90

Die Historikerin und Museumspädagogin Mag. Inge Friedl dokumentiert (meist ländliche) Gewohnheiten und Bräuche, um sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Die Interviews, die sie kompetent und einfühlsam führt, fließen in hübsch gestaltete Text-Bild-Bände ein. So vermittelt die Autorin "Wie's früher war" (2010), "So war's der Brauch (2012), Almleben (2013), Kinderspiele und "Was sich bewährt hat" (beide 2015).

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch "Weihnachten wie's früher war" zum Thema machte. In bewährter Weise entstand ein Kaleidoskop aus Erinnerungen, Fotos, Liedern, Texten (u. a. von Peter Rosegger), Kochrezepten, Basteltipps und Kommentaren. Es mag schon so sein: "Die Stille rund um Weihnachten scheint uns abhandengekommen, so manches Ritual ebenso. Sehnsüchtig denken wir daran, wie wir es früher erlebt oder erzählt bekommen haben." Aber wer ist "wir" und warum soll es "uns" so schwerfallen, sich auf die besondere Stimmung der Advent- und Weihnachtszeit einzulassen? Es ist von der Autorin gut gemeint, wenn sie "uns" auf ihre nostalgische Reise durch die Zeit zwischen Kathrein- und Lichtmesstag mitnimmt. In vielen Punkten hat sie recht. Überaus treffend ist der Vergleich des Jahreszyklus mit einem "Geländer zum Festhalten". Feste zum Festhalten geben den Rhythmus, den man zum guten Leben braucht. Im Vergleich zu früheren Büchern geraten aber die Aussagen der Interviewten in den Hintergrund, und das ist schade.

Die Zeitreise führt durch die vier Wochen des Advents. Auf den doppelseitigen Fotos, die die Kapitel trennen, brennt jeweils eine Kerze mehr am Adventkranz. Dafür hat eine steirische Bäuerin sogar mitten im Sommer einen Reisigkranz gewunden - die Anleitung ist nachzulesen. Auch Weihnachtskekse wurden gebacken, im Bild festgehalten (und verkostet). Weitere GesprächspartnerInnen kamen aus Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Wien. Nahezu allgemein war die Angst der Kinder vor dem Begleiter des Nikolo, dem Krampus. Nur wenige Eltern verzichteten auf die "schwarze Pädagogik. So wie jener Vater, der die Krampusse in der Küche einsperrte und ihnen nach Ablegen der Masken einen Schilling gab: "Geht's nach Hause!" Eine Frau aus dem Salzkammergut erinnerte sich nach sechs Jahrzehnten, dass sie mehrmals einen Nikolo an den Schuhen erkannt und so enttarnt hatte. Diese Erfahrung machten seinerzeit auch andere schlaue Kinder.

Zur zweiten Adventwoche stellt die Autorin eine neuen Brauch vor: In einem Rauchstubenhaus des Freilichtmuseums Stübing in der Steiermark findet man sich, in Begleitung von Profis, zum Singen von Advent- und Weihnachtsliedern ein. Dabei spielt die Tageszeit eine emotionale Rolle. Nach der Dämmerung gibt es nur Kerzenlicht. Ein ähnlicher Zauber ging einst vom Besuch der Roratemesse in den frühen Morgenstunden aus. Die Bauern hatten mit ihren Laternen einen mühsamen Weg durch verschneite Berggegenden zurückzulegen. Auch in der Kirche brannten nur Kerzen. Die Orgel schwieg, denn Advent war Fastenzeit. Die dritte Woche stand ganz im Zeichen der Vorbereitung auf das große Fest, wie Kekse backen - hier gibt es viele traditionelle Rezepte nachzulesen! -, Schlachten, Hausputz oder Briefe an das Christkind schreiben.

In der vierten Woche war es Zeit zum "Weihnachtsaufputzen". In der Stube schmückte man den Herrgottswinkel und bereitete den Platz für das Kripperl vor, Tannennadelduft breitete sich aus. Dass die Bäume kleiner und unregelmäßig gewachsen waren, zeigen die Fotos, die Inge Friedl gesammelt hat. Oft bestand der Christbaumschmuck nur aus eingewickelten Zuckerln (oder Attrappen), Lametta, Kerzen und einigen Kugeln. In der Steiermark gab es noch in den 1960er Jahren Christbäume, die platzsparend von der Decke hingen. Am Heiligen Abend war auf dem Land das Räuchern üblich. Vor der - bescheidenen - Bescherung mussten alle den Rosenkranz beten. Das Festmahl mit Fleischspeisen verzehrten sie erst nach der Mitternachtsmette. Während in der Stadt die Mütter die Bäume schmückten, gingen viele Väter mit den Kindern spazieren oder ins Kino. Seit den 1970er Jahren gab es am 24. Dezember spezielle Kinderprogramme im Fernsehen, dafür blieb der Apparat am Heiligen Abend ausgeschaltet. "Stille Nacht" wurde gesungen (oder im Radio gehört), Gedichte aufgesagt und musiziert, Geschenke ausgewickelt (auf dem Land waren sie nicht eingepackt), vielleicht die Mette besucht und jedenfalls gut gegessen. Als typische Spezialitäten galten gebackener Karpfen, gebratene Gans, Würstel, kalte Platten mit Lachsbrötchen, Mayonnaisesalat, später Fondue und Raclette.

Geschmaust und getrunken wurde auch nach den Feiertagen, wenn die Verwandten zu Besuch kamen. Glückwünsche wurden aufgesagt - am Unschuldigen Kinder-Tag "Frisch und g'sund…" - und ein gutes Neujahr gewünscht. Beides brachte den Kindern kleine Gaben ein, ebenso den Neujahrsgeigern im Burgenland für ihre musikalischen Darbietungen. Traditionell beendete Maria Lichtmess am 2. Februar die Weihnachtszeit. "Die helle Jahreszeit beginnt und gibt mit den länger werdenden Tagen schon eine Ahnung vom kommenden Frühjahr."