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Wolfgang Häusler: Ideen können nicht erschossen werden#

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Wolfgang Häusler: Ideen können nicht erschossen werden. Revolution und Demokratie in Österreich 1789 - 1848 - 1918. Molden Verlag Wien 2017. 272 S., ill., € 29,90

2018 wird ein Jubiläumsjahr, Gedenkjahr und Bedenkjahr. Neben der Republiksgründung am 12. November 1918 erinnert man sich an eine Reihe weiterer Ereignisse: 1848 (März-Revolution, Wiener Oktober-Aufstand), 1938 („Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland, 12. März und Novemberpogrom), 1948 (Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen), 1958 (Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Österreich) und 1968 (68er-Bewegung, Prager Frühling). Neben der lange geplanten Eröffnung des HGÖ (Haus der Geschichte Österreich) ist eine Fülle von Veranstaltungen und Publikationen zu erwarten.

Unter den ersten Autoren ist Wolfgang Häusler, 1984-2003 Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien. Er hat schon viel Erhellendes publiziert, beispielweise „Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung“ (1979) über die Revolution von 1848, zur Geschichte des österreichschen Judentums und zur niederösterreichischen Landeskunde. Besonders interessieren ihn die Wechselwirkungen von Geschichte und Literatur, Wissenschaft und Bildung. Seine Studien vermitteln die Zusammenhänge, fundiert für Experten und verständlich für das Publikum, dem die Thematik weniger vertraut ist.

Wenn sich Prof. Häusler nun mit Revolution und Demokratie in Österreich beschäftigt, fordert er: "Nicht den Herrschern und Siegern, sondern den Unterdrückten, Verfolgten und Widerständigen soll unsere Aufmerksamkeit, unsere Erinnerung gelten. Sie waren … die 'siegenden Geschlagenen' des Revolutionszeitalters, in dem wir immer noch leben." Die Erinnerungsorte und Denkmäler der Revolutionen sind unscheinbar im Vergleich zu den Monumenten von Absolutismus, Herrschaft und Krieg. Sie weisen trotz alledem über sie hinaus als Tradition des Widerstands gegen Unrecht und Gewalt, als zukunftsweisendes Gedächtnis der Demokratie.

Der Autor wird nicht müde, auf die grundlegende revolutionäre Dimension der österreichischen Geschichte hinzuweisen, wie er es auch 2015 als einziger Sprecher einer Enquete zum Thema HGÖ getan hat. "Ich meine daher, dass 'Zeitgeschichte' nicht erst 1918 oder 1945 einzusetzen habe, sie beginnt im Zyklus der bürgerlichen Revolution 1789-1848." Der Versuch einer Neuordnung der Gesellschaft durch die ersten österreichischen Demokraten - im Gefolge der Französischen Revolution 1789 - wurde unterdrückt. 1848/49 scheiterten die bürgerlich-demokratische und die soziale Revolution. Die langfristige Durchsetzung ihrer Programme ließ sich nicht verhindern.

In Wien denkt man vor allem an das Revolutionsjahr 1848. Im März wurde die Stadt von einer europaweiten politischen Bewegung erfasst. Deren Ziele waren unter anderem gewählte Volksvertretungen, Beseitigung feudaler Strukturen, Pressefreiheit, rechtliche Gleichstellung aller StaatsbürgerInnen, Mitspracherecht für Fabrikarbeiter. Die vom Bürgertum getragene Märzrevolution forderte erste Todesopfer, Fabriken wurden zerstört, doch führte sie zum Rücktritt des Staatskanzlers Clemens Wenzel Lothar Metternich und brachte die Pressefreiheit. Während der von Studenten getragenen Mairevolution verließ Kaiser Ferdinand I. mit seinem Hof Wien und blieb bis August in Innsbruck. Die Fabrikarbeiter trugen den Aufstand im Oktober. Der Kaiserhof, die meisten Regierungsmitglieder und 20.000 Bürger flüchteten aus der Stadt. Die bis 1849 amtierende Militärregierung fällte zahlreiche Todesurteile.

Unter den Hingerichteten waren die Journalisten Alfred Julius Becher und Hermann Jellinek. Ihm werden die letzten Worte zugeschrieben, die dem vorliegenden, vielseitigen Werk den Titel gaben: "Ideen können nicht erschossen werden." Außer dem "Achtundvierzigerjahr" widmet sich Prof. Häusler zahlreichen Themen wie Volk und Freiheit, Vaterland und Nation; „Jakobinerverschwörung“; Napoleon und Österreich; Wiener Kongress; der Ausgleich mit Ungarn 1867 und das Staatsgrundgesetz; Kampf um das Wahlrecht; Die Revolution in Russland 1917 und ihre Auswirkungen auf Österreich 1918. Als Polyhistor zieht der Autor eine Reihe von Querverbindungen, zitiert Gedichte, stellt Denkmäler in den Städten der ehemaligen Donaumonarchie vor … Es mangelt nicht an ausdrucksstarken Bildern, darunter das berühmte Gemälde des Historienmalers Jacques-Louis David, der Napoleon hoch zu Ross vorwärtsstürmend die Alpen überqueren lässt. Ernüchternd vermeldet der Bildtext, dass Bonaparte "in Wahrheit auf einem Maultier über den Pass geführt wurde." Auch Antonio Canovas Theseusgruppe sollte der Verherrlichung Napoleons dienen. Ausgerechnet Kaiser Franz kaufte das Meisterwerk und interpretierte es als Sieg über die Revolution. Der Kaiser ließ den Theseustempel für die Plastik bauen, die nun im Stiegenhaus des Kunsthistorischen Museums die Besucher begrüßt. Ein weiterer Marmor-Napoleon, in Gestalt des Mars, ebenfalls von Canova, fand einen wenig repräsentativen Aufstellungsort. Die britische Regierung machte die Statue dem Sieger von Waterloo, Lord Wellington, zum Geschenk. "So wurde der nackte Heros, im Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen, zur Schildwache an der Treppe von Apsley House degradiert, vor Garderobe und Toilette."

Der Historiker, der das letzte Kapitel mit "Kein Schlusswort" übertitelt, sieht heroische Reiterstandbilder kritisch. Ausführlich zitiert er Robert Musil, der in seinem "Nachlass zu Lebzeiten" schrieb: "Die Fahne flattert in der Hand, und es geht gar kein Wind. Das Schwert ist gezückt, doch niemand fürchtet sich davor. Der Arm weist gebieterisch vorwärts, aber kein Mensch denkt daran, ihm zu folgen, selbst das Pferd, das sich mit sprühenden Nüstern zum Sprung erhoben hat, bleibt auf den Hinterhufen stehen…"