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Ernst Lauermann: Archäologie des Weinviertels#

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Ernst Lauermann: Archäologie des Weinviertels. Von den Steinzeitjägern bis zu den Kelten. Unter Mitarbeit von Volker Lindinger und Renate Heger. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach 2017, 120 S, illl., € 19,90

Archäologie scheint eine Trendwissenschaft zu sein. Zahlreiche Fernsehdokumentationen über Mumien und Aufsehen erregende neue Erkenntnisse finden ein interessiertes Publikum. Dieses übersieht meist, dass es sich bei dieser Wissenschaft im wahrsten Sinn des Wortes um Knochenarbeit handelt. Es denkt weniger an die exakt geplanten, mühsamen Grabungen und puzzleartiges Zusammenfügen der Fundstücke, als an jene Sensationen, die auftauchen, wenn die Kamera dabei ist. Weniger bekannt dürfte auch sein, dass das niederösterreichische Weinviertel mit Superlativen aufwarten kann: In Großmugl erhebt sich der höchste hallstattzeitliche Grabhügel. Die 25 ha große Keltensiedlung von Roseldorf war die größte Österreichs und verfügte über eine eigene Münzprägewerkstätte. Etwa 1500 Geldstücke aus Gold und Silber sind bereits wissenschaftlich bearbeitet. Überregionale Bedeutung erlangte der Fundort durch den Nachweis von drei Kultbezirken mit sieben Heiligtümern aus der Zeit von 400 bis 150 v. Chr. Auch die vermutlich einzige eiserne "Druidenkrone" kam dort zu Tage.

Das sanft hügelige Weinviertel weist eine dichte ur- und frühgeschichtliche Besiedelung auf. Die Landschaft zwischen Thaya und Donau liegt am Schnittpunkt der Kulturen Europas, im Kreuzungsbereich der Bernsteinstraße und des Donauweges. Günstige klimatische Verhältnisse und gute Bodenbeschaffenheit begünstigten ab dem 6. vorchristlichen Jahrtausend den Ackerbau. Für Laien liegen die Epochen der Urgeschichte unvorstellbar weit zurück. Daher ist eine Zeittafel am Ende des Buches hilfreich: Paläolithikum - Altsteinzeit und Mesolithikum (unterteilt in Früh-, Mittel-, Jung und Spätpaläolithikum) zwischen ca. 400.000 und 5600/5500 v. Chr.; Neolithikum (Linearbandkeramik, Lengyel-Kultur, Spätneolithikum) von 5600/5500 bis 2300/2200 v. Chr.; Bronzezeit (frühe, mittlere und späte = Urnenfelderzeit) 2300/2200 bis 800/750 v. Chr. und Eisenzeit (Hallstattzeit, Latènezeit) bis Christi Geburt. Zum weiteren Verständnis helfen Einblicke in die Arbeit der experimentellen Archäologie. Sie versucht, mit Werkszeugen, wie sie vor Jahrtausenden verwendet wurden, Rekonstruktionen herzustellen. Viele sind (bzw. waren) im Freigelände des Urgeschichtemuseums Asparn/Zaya (MAMUZ) zu sehen.

Dr. Ernst Lauermann, dessen wissenschaftlicher Leiter, ist Landesarchäologe für Ur-, Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie. In diesem Buch dokumentiert er in Wort und Bild die archäologische Landschaft des Weinviertels. Der behandelte Zeitraum umfasst 400.000 Jahre, vom ersten Auftreten des Menschen an der March bis zu den keltischen Siedlern der letzten Jahrhunderte vor Christus. Im Vorwort dankt der Wissenschaftler den Heimatforschern, die "Fundstellen kennen, nicht ausplündern, sondern behutsam bewahren und so der Nachwelt erhalten." So fand Herbert Preisl 1992 steinzeitliche Schlagwerkzeuge (Chopping tools) aus der Altsteinzeit, die nach Meinung einiger Experten den Beginn der Siedlungsgeschichte in Niederösterreich markieren (300.000/200.000 v. Chr.)

Nach der langen Epoche der Jäger und Sammler traten im Altneolithikum (5600/5500 bis 4900 v . Chr.) die ersten Bauern auf. Ihre geschliffenen Steingeräte sind aus jeder Gemeinde des Weinviertels bekannt. Sie verweisen auf die grundlegende Änderung von der nomadischen Lebensweise zur Sesshaftwerdung mit Ackerbau, Viehzucht und Vorratswirtschaft. Die größte Siedlung befand sich in Schletz bei Asparn an der Zaya. Für ihr gewaltsames Ende sprechen Skelette mit Schädelverletzungen.

Ein Jahrtausend nach der Einführung von Ackerbau, Viehzucht und Sesshaftigkeit kam es erneut zu kulturellen Veränderungen. Befestigte Siedlungen und Kreisgrabenanlagen sind nun charakteristisch. Luftbildarchäologische Aufnahmen zeigen im Weinviertel 40 dieser rätselhaften Anlagen aus der Zeit um 4900 v. Chr. Das Ende der Kupferzeit und damit der Jungsteinzeit wird als Glockenbecherkultur bezeichnet. Namensgebend sind Gefäße aus einer verzierten Keramik, deren Form an eine Glocke erinnert.

Die folgende Bronzezeit bezeichnet der Autor als " das goldene Zeitalter". Die Verwendung der neuen, goldglänzenden Kupfer-Zinn-Legierung brachte tiefgreifende wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Veränderungen. Anbauflächen, Siedlungen und Gräber lagen nahe beieinander. Charakteristisch sind Hortfunde, bei denen mehrere Bronzegegenstände absichtlich vergraben worden waren. Aus der mittleren Bronzezeit sind Keramikdepots bekannt, die aus sorgfältig zusammengestellten und versteckten Gefäßen bestehen. Jede historische Phase hatte ihre speziellen Begräbnisformen, Grabbeigaben und Rituale, die der Autor in Wort und Bild vorstellt. In der Spätbronzezeit war das Verbrennen der Toten auf Scheiterhaufen und die Bestattung in Urnen Brauch. Die bevorzugte Siedlungsform der Urnenfelderzeit waren Höhensiedlungen, am bekanntesten jene von Stillfried an der March.

Das letzte Kapitel ist der Eisenzeit gewidmet. Ihre Siedlungslandschaften waren von Grabhügeln der Hallstattkultur geprägt. Ernst Lauermann nennt sie die "Pyramiden des Weinviertels". Die Marktgemeinde Großmugl verdankt ihren Namen dem 14 m hohen Tumulus. Als Archäologen des Naturhistorischen Museums einen benachbarten kleineren untersuchten, fanden sie Reste eines hölzernen Grabhauses und zahlreiche Keramiken, darunter eine Reiterfigur. Etliche weitere Anlagen konnten durch moderne Methoden sichtbar gemacht und neue Ergebnisse gewonnen werden. "Die Technik nimmt immer mehr Platz in der modernen Archäologie ein - Luftbildarchäologie und Laserscan, gekoppelt mit Geomagnetik und Georadar ergeben ungeahnte Möglichkeiten zur Erfassung ganzer archäologischer Landschaften … Daher muss es einem um die Urgeschichtsforschung auch in Zukunft nicht bange sein," schreibt Ernst Lauermann abschließend.