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Nick Thorpe: Die Donau#

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Nick Thorpe: Die Donau. Eine Reise gegen den Strom. Paul Zsolnay Verlag Wien 2017. 384 S., € 26,80

Nick Thorpe ist Korrespondent der renommierten Rundfunkanstalt BBC. Seit 30 Jahren lebt er in Budapest, der majestätischen Hauptstadt an der Donau. Das motivierte ihn zu seiner "Reise gegen den Strom". Über die Donau sind schon viele Bücher erschienen. Doch dieses ist ganz anders - zunächst wegen der Richtung. Sein Leitmotiv ist jener "gewappnete Fisch", dessen Fossilien 200 Millionen Jahre alt sind. "Sie werden ein Stör sein", sagte ihm ein alter Fischer, "flussaufwärts schwimmen um zu laichen."

Nick Thorpes Wortkaviar ist wohlschmeckend. Das Werk ist kein Geschichtsbuch und auch kein Geschichtenbuch, sondern beides. Man erfährt viel über die Historie - auf dem Balkan entwickelten sich zivilisierte Kulturen lange vor dem Westen. In bester Journalistenmanier hat der Autor mit "Menschen auf und neben dem Fluss" gesprochen und eine Menge von ihnen gehört. Namentlich zitiert, kommen sie in kurzen Passagen zu Wort: Gelehrte Archäologen und Ökologen ebenso wie einfache Fischer und Schiffer, Mönche, Roma und viele andere. Es sind spannende Berichte, von Forschungsergebnissen und Erlebnissen, oft während der Zeit des Kommunismus, der auch der Donau übel zugesetzt hatte, Lebensweisheiten, Märchen und Mythen vom großen Strom. Das Buch kommt ohne Bilder aus. Sie entstehen bei der Lektüre des illustrativen Textes. Auch dank der Übersetzung von Brigitte Hilzensauer sagt hier - in Umkehrung eines alten Spruchs - ein Wort mehr als 1000 Bilder.

2011 bis 2012 erkundete der Autor in Etappen die Donauländer und ließ Erfahrungen an frühere Besuche einfließen. Die Exkursion per Pedes, Fahrrad, Auto, Skateboard, Bahn, Flugzeug und Wasserfahrzeugen aller Art beginnt im rumänischen Tulcea, dem Tor zum Donaudelta. Ein Forschungszentrum informiert über den Stör, von dem in der Donau fünf Arten vorkommen. Schon Daker und Römer wussten das rosa Fleisch und das "schwarze Gold", den Kaviar, zu schätzen. Die nächste Station, Sulina im Donaudelta, ist nur mit Schiffen zu erreichen. Hier dokumentiert ein Leuchtturm Kilometer Null des Flusslaufs. Er wird stromaufwärts gemessen, nicht ab der Quelle, wie andere Flüsse. In einem Dorf trifft der Autor den Fischer, der ihn mit dem Fisch vergleicht: "Der Stör ist ein schlauer Fisch, wenn er das Netz riecht, kann man ihn nicht fangen …" Seinen Superfang machte der Pensionist vor 15 Jahren, ein Weibchen mit 209 Kilo und 35 Kilo Kaviar Ein anderer fing um die Jahrtausendwende ein 450 Kilo schweres Exemplar mit 82 Kilo Rogen. Das veränderte sein Leben: Er kaufte Häuser und Autos und wurde zum Bürgermeister gewählt. Rund ein Drittel des Buches widmet der Autor Rumänien.

In Bulgarien folgte er dem "Roma-Fluss" und ließ sich wahrsagen - mit düsteren Prophezeiungen. In Serbien hörte er den Erinnerungen der Türken zu, die im "Fluss der Träume" auf der romantischen Insel Ada Kaleh lebten. Der Traum versank um 1970 im rumänisch-jugoslawischen Prestigekraftwerk Eisernes Tor. In Belgrad, wo die Save in die Donau mündet, erinnerte sich Thorpe an einen Besuch am Vorabend des Kosovokrieges 1999. Seine Wahlheimat Ungarn wollte er mit dem Fahrrad erkunden und erlitt dort einen Unfall, dessen Folgen sich dann doch als nicht so dramatisch herausstellten, wie befürchtet. Nach einem halben Jahr konnte er zumindest in Budapest und Umgebung recherchieren, unter anderem beim Kraftwerk Gabčíkovo-Nagymaros. Es hätte die Donau auf 200 km Länge beeinträchtigt. Auf ungarischer Seite stoppten Proteste den Dammbau, doch in der Slowakei wurde gebaut. In Kapitel 12 geht es um Österreich. Positiv fallen dem Autor die Renaturierungsmaßnahmen in den Auen bei Orth und in der Wachau auf. Wahrscheinlich würde kein Einheimischer die Wachau mit der Farbe Orange gleichsetzen und Stift Melk so charakterisieren: "Mächtig steht Melk orange und weiß am Zusammenfluss von Melk und Donau, wie eine Marillen-Zitronen-Eisbombe." Kennt man das Land, fällt eine gewisse Großzügigkeit auf: Aus Korneuburg, wo der sagenhafte Rattenfänger unterwegs war, wird Klosterneuburg. Das römische Legionslager Albing befand sich nicht in Krems, sondern im 112 km entfernten St. Pantaleon-Erla im Bezirk Amstetten.

In Bayern nähert sich der Reisende seinem Ziel: Passau, Regensburg, Kelheim, Ingolstadt, Ulm, die Grenze zu Baden-Württemberg. In Donaueschingen, der dortigen Großen Reichsstadt, fließen Brigach und Breg zusammen. Im Schlosspark sprudelt die Donauquelle: "Das Wasser ist köstlich kalt. Die Reihe Buchen am Ufer der Breg gibt der Szenerie eine gewisse Würde. … Auf einem Schild sind verschiedene Entfernungen zur Mündung angegeben: 2840, 2845 oder sogar 2779 Kilometer. Es ist ein weiter Weg bis Sulina."