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Stephan Füssel (Hg.): Die Gutenberg-Bibel von 1454#

Bild 'Gutenbergbibel'

Stephan Füssel (Hg.): Die Gutenberg-Bibel von 1454. Taschen Verlag Köln. 2 Bände mit Begleitbuch, 1400 S., ill. € 100,-

Bei der Verwendung von Superlativen ist Vorsicht geboten, in diesem Fall sind sie angebracht. Die Gutenberg-Bibel, die vor mehr als einem halben Jahrtausend als erstes großes abendländisches Werk mit beweglichen Metalllettern gedruckt wurde, ist bis heute eine Sensation. Nicht übertrieben, es als "das Buch, das die Welt veränderte", zu bezeichnen. Für den sensationellen Reprint gebührt dem Taschen-Verlag Gratulation und Dank. Zu einem günstigen Preis gibt er eine bibliophile Edition heraus: zwei Bände (in Leinen gebunden) plus ein reich illustriertes, mehr als 100-seitiges Begleitbuch. Sein Autor Stephan Füssel, ist der Leiter des Instituts für Buchwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Inhaber des dortigen Gutenberg-Lehrstuhls.

2018 jährt sich der Todestag von Johannes Gutenberg zum 550. Mal. Um 1400 als Sohn eines Mainzer Patriziers geboren, lebte er 1434, begütert und angesehen, in Straßburg. Mit Geschäftspartnern produzierte er u. a. "Wallfahrtsspiegel" aus einer Blei-Zinn-Legierung. Im späten Mittelalter besuchten zehntausende Pilger die Reliquienschau in Aachen. Mit den Spiegeln wollten sie den "Segensschein" der Reliquien auffangen, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Der innovative Unternehmer profitierte damit von einem Brauch, der durch die Reformation bald obsolet werden sollte. Gleiches galt für die - auch von Gutenberg hergestellten - Ablassbriefe. Die berühmten 42-zeiligen Bibeln druckte er zwischen 1452 und 1454, nach anderen Angaben im "goldenen Jahr" 1450. 1465 ehrte der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, Adolf II. von Nassau, Gutenberg durch Aufnahme in sein "Hofgesinde". Der Ausgezeichnete durfte die Hoftracht der Edelleute tragen, wurde von allen Steuern befreit und erhielt große Mengen Korn und Wein als Geschenk. Anfang 1468 starb Johannes Gutenberg als Mitglied einer Mainzer Totenbruderschaft.

Der Erfinder des Satzes und Druckes mit beweglichen Einzellettern ist als "Vater der Massenkommunikation" in die Geschichte eingegangen. Schon sein erstes Buch, die 42-zeilige Bibel, war ein Meisterwerk und gilt das typographisch gelungenste Buch aller Zeiten. Die Gutenberg-Bibel besteht aus zwei Bänden im Folio-Format. Sie war, wie zuvor die Handschriften, für den liturgischen Gebrauch gedacht. Von den 1286 Seiten sind 1275 zweispaltig bedruckt. Der Satzspiegel von ca. 19,5 x 29 cm folgt dem "Goldenen typografischen Modul" (2:3) der Handschriftentradition. 180 Exemplare wurden im Lauf von zwei bis drei Jahren fertig gestellt - so lange hätte ein mittelalterlicher Schreiber für ein Stück gebraucht. 49 vollständige Exemplare haben sich erhalten. Manche sind auf Pergament gedruckt, wie jenes in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, das zum UNESCO- Weltdokumentenerbe zählt. Es bildete die Vorlage des einzigartigen Reprints. Dieselbe Bibliothek verwahrt auch das Musterbuch für die Illustrationen und ein "Notariatsinstrument", das die Gesellschaft des erfindungsreichen Drucktechnikers und Organisators Johannes Gutenberg, des Finanziers Johannes Fust und des Typographen Peter Schöffer betrifft. Auch diese beiden Schätze stellt Stephan Füssel im Begleitbuch vor.

Der Herausgeber nennt die Gutenberg-Bibel ein einzigartiges Dokument der Satz- und Druckgeschichte und einen wichtigen Meilenstein bei der Verbreitung der Bibel. Dem gedruckten Text liegt die Vulgata zu Grunde, jene Übersetzung, die der heilige Hieronymus um 400 aus den griechischen, hebräischen und aramäischen Originalen anfertigte. Um 1270 erfolgte an der Pariser Sorbonne eine Vereinheitlichung der Bücher der Heiligen Schrift. Gutenberg publizierte diesen Standard-Text, den das Konzil von Trient ein Jahrhundert später als verbindlich festlegte. Vorbilder für die grafische Gestaltung waren Mainzer Handschriften. Vier bis sechs Setzer arbeiteten von einem Manuskript. Sie verfügten über sehr gute Lateinkenntnisse, der theologische Korrektor fand kaum Druckfehler.

Das Revolutionäre an Gutenbergs Erfindung war, einzelne Buchstaben und Zeichen in hoher Zahl gleichförmig zu gießen. Zuerst stellte man für jede Type einen Stahlstempel (erhaben und seitenverkehrt) her. Die Patrize wurde in einen Kupferblock geschlagen, wodurch die Matrize entstand. Aus dieser Form gewann man durch Ausgießen mit einer Bleilegierung die einzelnen Lettern. Die ersten Typographen legten größten Wert auf ein geschlossenes Druckbild. Um den gleichmäßigen Randausgleich zu erzielen, fertigten sie 47 Versalien und 243 Kleinbuchstaben als Lettern verschiedener Breite an. Ein weiteres Mittel, Lücken zu vermeiden, waren Abkürzungen und Ligaturen, wie man sie aus den Skriptorien kannte. Die Druckerschwärze, ebenfalls von höchster Qualität, stellte die Werkstatt aus dem Russ harzhaltiger Hölzer und Leinölfirnis selbst her. Damit wurde auf Pergament bzw. Papier, das aus Italien kam, gedruckt. Überschriften in roter Farbe waren zu aufwendig. Rubrikatoren fügten die Texte mit der Hand ein. Als die Buchdruckerkunst noch "in der Wiege" lag, verkaufte man die Bogen der Inkunabeln unkoloriert und ungebunden. Für die Endfertigung sorgte der Käufer nach seinem Vermögen und Geschmack. Er erwarb "Quaternionen", Lagen aus fünf gefalteten Bogen, die er individuell mit einem Umschlag zu einem Buch binden ließ. Für die farbigen, oft vergoldeten, Initialen hatten die Drucker 4,6 oder 8 Zeilen frei gehalten. Illustratoren besorgten die Gestaltung. Die Vorlagen lieferten ihnen Musterbücher, wie jenes in der Göttinger Bibliothek. Das Begleitbuch zur Bibelausgabe stellt es in Faksimiles vor, dazu die Originaltexte und deren Übersetzung in heutiges Deutsch. Elf Pergamentblätter enthalten Figuren, Ornamente, Anweisungen über die Anfertigung der Farben und die einzelnen Arbeitsschritte.

"Als erstes gedrucktes Buch von Bedeutung aus der Mainzer Werkstatt hat die lateinische Bibel … eine ganz herausragende Bedeutung, da sie mehr ist als ein bloßer Prototyp der Erfindung", schreibt der Herausgeber. Stephan Füssel verweist "sowohl auf die Situation der Erfindung einer neuen Medientechnik als auch die in rascher Folge durch sie bewirkten kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Umbrüche." Obwohl es vom Göttinger Exemplar (und zwei Dutzend weiterer, u. a. jenem in der Österreichischen Nationalbibliothek) hochwertige Digitalisate im Internet gibt, erschließt sich die ästhetische Qualität doch erst beim blätternden Gebrauch. Der sensationelle Reprint aus dem Taschen-Verlag ermöglicht dieses wohltuende Erlebnis wieder.

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