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Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne#

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Eva B. Ottillinger (Hg.): Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne Künstler, Auftraggeber, Produzenten. Band 37 der Publikationsreihe MMD. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar. 189 S., ill., € 35,-

Ausstellungen vergehen, Kataloge bestehen. 2018 war nicht nur ein Jubiläums- und Gedenkjahr politischer Ereignisse. Vor 100 Jahren starben auch Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Kolo Moser. Die Wiener Museen standen unter dem Motto "Schönheit und Abgrund". Vor 20 Jahren, 1998, eröffnete das Hofmobiliendepot - Möbel Museum Wien. Es verfügt über einen wertvollen Bestand von Interieurs der Wiener Moderne. Für die Ausstellung wurden sie in vier Kapitel gegliedert: Ringstraße und Kunstgewerbereform, Otto Wagner (1841-1918), Josef Hoffmann (1870-1956) und Adolf Loos (1870-1933).

Die Wiener Moderne um 1900 war von einer künstlerischen Zusammenarbeit zwischen Architekten, Möbelproduzenten - wie Bothe & Ehrmann, J. & J. Kohn, Bernhard Ludwig, Portois & Fix, Friedrich Otto Schmidt, Gebrüder Thonet - und AuftraggeberInnen geprägt, zu denen Wirtschaftstreibende, Künstler und Intellektuelle zählten. Eva B. Ottillinger, die stellvertretende Sammlungsleiterin des Möbel Museum Wien, stellt sie in ihrem historischen Kontext vor. Sehr interessant sind auch die ausführlichen zeitgenössischen Zitate von Künstlern und Kritikern. So wird das reich illustrierte Begleitbuch zur Ausstellung zu einem umfassenden Nachschlagewerk.

Die Vorgeschichte der Wiener Moderne beginnt mit der Anlage der Ringstraße, die Kaiser Franz Joseph 1857 angeordnet hatte. Im halben Jahrhundert bis zur Fertigstellung war die Formensprache des Historismus unmodern. Otto Wagner kritisierte 1896: "Die Ringstraße ist eine Musterkarte von Stilkopien, eine lächerlicher als die andere." Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte nach englischem Vorbild die Kunstgewerbereform eingesetzt, deren Ziel die Geschmacksbildung war. Diesem Zweck diente die Gründung des ersten Kunstgewerbemuseums auf dem Kontinent (MAK) und der heutigen Universität für angewandte Kunst. "Aus den Reformideen wurde jedoch rasch ein willkürlicher Stilpluralismus, der zum Ruf nach neuen Reformen führte, " schreibt Eva B. Ottillinger als Verfasserin des Katalogteils.

Der Architekt und Professor für Baukunst an der Akademie der bildenden Künste, Otto Wagner, ist vor allem durch sein Stadtbahnprojekt für Wien bekannt. Er folgte der Idee des Gesamtkunstwerks und richtete dem entsprechend seine Villen in der Hüttelbergstraße und Wohnungen in der Köstlergasse und Döblergasse ein. Die drei Mietwohnhäuser an der Linken Wienzeile plante Otto Wagner 1898/99. In jenem Ecke Köstlergasse richtete er für sich eine kleine Wohnung ein, in der Textilien ein wichtiges Element des Interieurs ausmachten. Ein Farbfoto zeigt das Muster eines Seidenstoffs für das Schlafzimmer, das den Eindruck vermittelt, in einem Garten auszuruhen. Für den Depeschensaal der Zeitung "Die Zeit" in der Kärntner Straße und für die Postsparkasse wählte Wagner in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts sachliche Bugholzmöbel der Gebrüder Thonet in ausgeklügelten Variationen.

Josef Hoffmann war ein Schüler Otto Wagners und Professor an der Kunstgewerbeschule. Er gründete die Wiener Werkstätte "und hat in seiner langen Karriere zahlreiche Stilwandel durchlaufen." Hoffmann arbeitete mit der Konkurrenz der Firma Thonet, der Bugholzmöbelfabrik Jakob und Joseph Kohn, zusammen. Hofmann entwarf für sie ein Musterhaus bei der Kunstschau 1908, die Einrichtung des Sanatoriums Purkersdorf, Sessel für das "Cabaret Fledermaus" in Wien und Möbelmodelle wie Kleiderschränke, Tische, Betten und Vorzimmereinrichtungen. Berühmt ist u. a. sein Armlehnstuhl "Sitzmaschine" aus vier Bugholzrahmen, welche die beiden Trageelemente, Sitzfläche und die verstellbare Lehne bilden. Großformatige historische Fotos geben einen Eindruck des vom Architekten 1907 gestalteten Geschäftslokals der Staatsdruckerei auf der Seilerstätte und des Verkaufsraums der Wiener Werkstätte. Einen weiteren Auftrag erhielt er 1916 von der Journalistin Berta Zuckerkandl-Szeps, die einen Salon für Wissenschaftler und Literaten führte. Die Tochter des liberalen Zeitungsherausgebers Moritz Szeps und Gattin des Anatomie-Professors Emil Zuckerkandl war eine engagierte Vertreterin der Wiener Moderne.

Der Architekt und Kulturkritiker Adolf Loos lehnte die Idee des Gesamtkunstwerks ab. Er engagierte sich vor allem bei der Einrichtung. Anregungen erhielt dazu erhielt er bei seinen mehrjährigen Aufenthalten in Amerika und Großbritannien. Loos arbeitete mit der Firma Friedrich Otto Schmidt zusammen, die für ihn Möbel wie den "Elefantenrüsseltisch", ägyptische Hocker oder den Fauteuil "Knieschwimmer" herstellte. Loos gestaltete Interieurs für wohlhabende Auftraggeber, wie den Unternehmer Eugen Stössler aus der Lebensmittelindustrie oder den Metallfabrikanten Georg Roy. Das Café Museum verdankte ihm seine exzellente Ausstattung. In moderner Formensprache enthielt es alle Elemente eines traditionellen Ringstraßencafés: Sitzkassa, Billardtische, Marmortische, rot gebeizte Bugholzsessel. Grüne Tapeten bildeten einen ungewöhnlichen Farbkontrast.

Nach der Vorstellung und Abbildung von 70 Exponaten enthält das Buch noch mehrere aufschlussreiche Beiträge: "Was sind moderne Möbel? Antworten von Wagner, Hoffmann und Loos" von Eva B. Ottillinger, "Die kulturellen Netzwerke der Wiener Moderne. Loos, Hoffmann und ihre Klienten von Elana Shapira, "Ausgewählte Firmengeschichten" von Ursula Graf und Stefan Üner, sowie "Die neuen Geschäftshäuser der Möbelproduzenten. Beiträge zur Wiener Architektur-Moderne" von Maria Welzig.