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Werner Rosenberger: Hietzing#

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Werner Rosenberger: Hietzing. Von Künstlervillen & Künstlerleben. Amalthea Verlag Wien. 288 S., ill., € 25,-

"Etwas festlich Heiteres weht in der Luft von Hietzing, " befand die Journalistin Baronin Blanche Kübeck. Ihr Berufskollege Baron Alfred Berger schrieb: "Wenn ich in Hamburg an die Heimat denke, so denke ich an Hietzing und das Salzkammergut … weil für mich (dort) das eigentlich Heimatliche der Heimat lauter und unvermischt enthalten ist." (Über die Salzkammergutvillen erschien erst kürzlich ein Band bei Amalthea). Die beiden adeligen Intellektuellen waren typische Bewohner der Umgebung des kaiserlichen Schlosses Schönbrunn, wie sie das Buch über Künstler und ihre Villen vorstellt.

Sein Autor, der Kulturredakteur Werner Rosenberger, erzählt Dutzende Geschichten über die "Promis" von einst. Eine markante historische Persönlichkeit bildet den Einstieg zu jedem Kapitel, das jeweils weitere Personen in deren Umkreis vorstellt und den Bogen über die Generationen hinweg zieht. Spannende Storys aus der Kaiserzeit sind zu erfahren. So soll die Baronin Kübeck ein Kind Kronprinz Rudolfs gewesen sein (was aber altersmäßig kaum möglich ist). Baron Berger, seines Zeichens nicht nur Journalist, sondern auch Jurist, Philosoph und am Ende Burgtheaterdirektor, war mit der gefeierten Schauspielerin Stella Hohenfels verheiratet. Sie besaßen eine Villa Ecke Hietzinger Hauptstraße/Kopfgasse. Als Berger 1910 die Berufung zum Direktor der Traditionsbühne erhielt, kommentierte er bitter: "Leider um zehn Jahre zu spät." Er starb 1912. Seine Frau, die "Märchenprinzessin und Sentimentale aus vergangenen Glanzzeiten des Burgtheaters", überlebte ihn um acht Jahre. Die Villa erwarb der Strickwarenfabrikant Bernhard Altmann. Dessen Schwägerin Maria Altmann wurde als Erbin des Wiener Industriellen Ferdinand Bloch-Bauer bekannt, in dessen Besitz sich das wertvolle Klimt-Gemälde der "goldenen Adele" befand. So kommt immer wieder die Zeitgeschichte ins Spiel, denn etliche Villen hatten jüdische Besitzer.

Der Kleiderfabrikant Hugo Steiner beauftragte 1910 Adolf Loos mit seiner Villa Ecke Larochegasse/St. Veit-Gasse. Für den Architekten war es sein erstes Einfamilienhaus, im Lauf der Zeit plante er 60, davon fünf in Hietzing. Im Haus Steiner mit seiner "leeren Fassade" und dem markant gewölbten viertelkreisförmigen Dach gingen Künstler und Intellektuelle ein und aus, wie der Illustrator Ludwig Heinrich Jungnickel, der Archäologe Guido Kaschnitz von Weinberg, die Schriftsteller Franz Theodor Csokor und Erwin Buschbeck, der Maler Oskar Laske, der Radierer Luigi Casimir oder der Kunsthistoriker Hans Tietze und seine Frau Erica Tietze-Conrat, die 1905 als erste Kunstgeschichte-Studentin in Wien promovierte. Die Hausherrin Lilly Steiner-Hofmann hatte die Wiener Kunstschule für Frauen und Mädchen absolviert. Ihre Grafiken, Aquarelle und Ölbilder fanden später in der Pariser Wahlheimat Anerkennung. Als a.o. Hagenbund-Mitglied pflegte sie dort Kontakte zur Avantgarde.

Die "Maler des modernen Wien", Gustav Klimt und Egon Schiele, waren mit drei Hietzinger Adressen verbunden. Feldmühlgasse 11, als Klimt-Villa bekannt geworden, nennt der Autor einen "Etikettenschwindel, denn die gab es zu Lebzeiten des Malers noch gar nicht." Klimt mietete 1911 ein Gartenhaus als Atelier, in dem er bis zu seinem Tod 1918 unermüdlich arbeitete. 1923 ließ die damalige Besitzerin dieses im neobarocken Stil umbauen. Inzwischen ist die rekonstruierte Gedenkstätte eine viel besuchte Attraktion.

Ungewiss ist hingegen das Schicksal der Villa Beer, Wenzgasse 12, ein Baujuwel von Josef Frank und Oskar Wlach. Josef Frank initiierte die Werkbundsiedlung mit 64 Musterhäusern in Hietzing, plante Villen und soziale Wohnbauten. In der Emigration in Schweden entwarf er 1000 Möbelmodelle, hunderte Stoff- und Tapetenmuster, von denen man einige bis heute produziert. Zu den prominenten Bewohnern des Hauses, das sich der Besitzer einer Kautschukfirma errichten ließ, zählten das "Traumpaar" Jan Kiepura und seine Frau Martha Eggert. Der "König des Belcanto", Richard Tauber, war ebenfalls hier Mieter. Ein Foto zeigt ihn stolz bei seiner Mercedes Benz-Limousine.

Apropos Auto: Der Zwölftonkomponist Alban Berg (Hietzinger Hauptstraße 6 und Trauttmansdorffgasse 27) schätzte sein Ford A-Cabriolet, das er 1930 mit den Tantiemen für seine Oper "Wozzek" kaufte. Sein liebevoll "blauer Vogel" genanntes Fahrzeug ist seit 2016 eine Attraktion des Technischen Museums Wien.

Der Spaziergang, den markierte Stadtpläne am Vorsatz und Nachsatz begleiten, endet mit dem Hietzinger Friedhof, Maxingstraße 15. Er "ist berühmt für seine Empire- und Biedermeiergräber und die prunkvollen Mausoleen, die ihm den Ruf eines Nobelfriedhofs eingetragen haben." Die Steine tragen Namen wie Alban Berg, Anton Hanak, Kolo Moser oder Otto Wagner. Fanny Elßler und Franz Grillparzer erhielten Ehrengräber, wie in letzter Zeit Gottfried von Einem. Manchmal gießt seine Witwe Lotte Ingrisch "eine gute Flasche Wein" über die Ruhestätte.

Hietzing, der drittgrößte Wiener Bezirk, verströmt das Flair von imperialem Glanz, dörflicher Anmut und dem gutbürgerlichen Lebensstil. "Alt-Hietzing bleibt Alt-Hietzing. Dort sind noch Traditionen aus jener Zeit lebendig, als die Großväter und Urgroßväter Nachbarn, vielleicht Freunde von Aristokraten, Diplomaten, Künstlern und anderen Persönlichkeiten mit klingenden Namen sind. … Wer den Zauber der Gegend spürt, der fühlt, dass es auch unserer schnelllebigen Zeit glücklicherweise noch nicht gelungen ist, den schönsten Wiener Gartenbezirk mit so reicher Historie seiner sympathischen Eigenart zu berauben," freut sich Werner Rosenberger. Die Leserschaft freut sich mit dem Autor.