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Salzburger Bauernkalender 2020#

Bild 'Kalender'

Gertraud Steiner (Hg.): Salzburger Bauernkalender 2020. Verlag Pustet Salzburg 2019. 192 S., ill., € 11,90

Seit mehr als 500 Jahren erscheinen gedruckte Bauernkalender. Der wohl bekannteste, der "Steirische Mandlkalender" geht auf ein kaiserliches Privileg aus dem Jahr 1706 zurück, der Salzburger Bauernkalender ist genau 200 Jahre jünger. Bis heute werden beide Jahr für Jahr aktualisiert gedruckt. Ein Schreibkalender war neben der Bibel oft das einzige Buch im Bauernhof. Er bot neben dem Kalendarium viel Praktisches und Lesestoff, er ließ auch Platz für persönliche Eintragungen. Der Salzburger Bauernkalender, der 2020 zum 113. Mal erscheint, war anfangs als Beitrag zur ländlichen Bildung gedacht und sollte zur Modernisierung der Wirtschaften beitragen. Ambulante Verkäufer besorgten den Vertrieb bis zu den entlegendsten Bergbauernhöfen. Wie das vor sich ging, erzählt der Tobiasbauer aus Gschwendt, der sich als Kind mit seiner Schwester damit Taschengeld verdiente.

Im Zeitalter der Massenmedien erhebt sich vielleicht die Frage nach der Notwendigkeit von Druckwerken, deren vielfältiger Inhalt Mondphasen und Mundartgedichte ebenso umfasst wie Trächtigkeitskalender für Pferde, Kühe, Schafe und Schweine oder Kubiktafeln für Rundhölzer. Die Frage stellt sich nicht, sonst hätte der Verlag das Erscheinen längst eingestellt. Für den richtigen Mix und interessanten Lesestoff sorgt seit zwölf Jahren die "Kalenderfrau" Dr. Gertraud Steiner. Die aus dem Lungau stammende Kulturpublizistin hat eine Reihe von Büchern zu Salzburgthemen geschrieben und wirkt als Redakteurin und Lektorin des Verlags. In rund 40 Beiträgen kommen ExpertInnen und Nicht-Fachleute zu Wort. Aufschlussreiche Einblicke in die Geschichte verbinden sich mit Artikeln zu aktuellen Entwicklungen.

Der Leiter des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, Dr. Michael Greger, berichtet vom ländlichen Alltag früherer Jahrhunderte. Die Zahl der familienfremden Arbeitskräfte nahm von der Jahrhundertwende bis 1970 um fast 90 % ab. Unter dem Titel "Schuhe, G'wand und ein paar Gulden" liefert der Kulturwissenschaftler einen historischen Vergleich der Dienstbotenlöhne im Lungau. Man erfährt, dass eine Hierarchie der Knechte und Mägde bestand, wobei letztere nur ein Drittel ihrer Kollegen verdienten. Die Naturalentlohnung sah für Knechte einige Kleidungsstücke vor, Mägde bekamen den Stoff und mussten selbst nähen, was sie brauchten. Am ärmsten waren die nicht mehr arbeitsfähigen Dienstboten. Als "Einleger" wurden sie von Haus zu Haus abgeschoben. Ebenso erging es Waisenkindern, die nicht erfuhren, wo sich ihre Geschwister befanden. Ihr Schicksal schildert der Lehrer Arno Müller, der über eine Familie aus dem Pongau geforscht hat. Deren Urahn, ein Förster, starb in Ausübung seines Berufes, bald auch seine Frau. Die Vollwaisen wurden zu Einlegerkindern. Ein Sohn wäre in einem Tiroler Stiftsgymnasium aufgenommen worden, doch das Heimweh war stärker. Er ging zu Fuß zurück in sein Heimatdorf, wo er sich als Knecht verdingte. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete er eine Familie, wurde Kleinhäusler und Bergbauer. Nun selbst Vater von fünf Buben und drei Mädchen, förderte er deren Bildung - mit Erfolg: ein Sohn machte Karriere als Bankdirektor, ein anderer als Landesrat. Eine andere Bäuerin erzählt vom entbehrungsreichen Leben ihrer Großmutter. Ein Altbauer, der seine lebensgeschichtlichen Erinnerungen aufschrieb, erinnert sich an die Kriegsgefangenschaft in Ostfriesland. Er hatte das Glück, als Erntehelfer zu einem Großbauern zu kommen und pflegt die Verbindung zur Familie noch mit 94 Jahren. Die Historikerin Sandra Klammer verfasste einen Beitrag über die Vertreibung der Salzburger Protestanten im 18. Jahrhundert.

Eine Reihe von Artikeln beschäftigt sich mit Pflanzen, Tieren und Landesprodukten. So lernt man die "Landsorten-Sammlung" kennen, die der Salzburger Agrarforscher Erwin Mayr vor genau 100 Jahren anlegte. Er beschrieb Getreidesorten und ihre Verarbeitung. Anbau und Verwendung von Tabak sind Inhalt der Beiträge der Lehrerin Maria Kainhofer und der "Kalenderfrau" Gertraud Steiner. Immer wieder gelingt es ihr, den Bogen in die Gegenwart zu schlagen. So freut sie sich: "Der Salzburger Obstbau blüht auf" oder stellt das "Lungauer Kochwerk" vor, das sich für die Vernetzung von Produzenten, Köchen, Abnehmern und Interessierten nachhaltig erzeugter Lebensmittel engagiert. Einige Bauern züchten erfolgreich alte Erdäpfelsorten. Heute finden sich wieder bunte Raritäten im Lungauer "Eachtlingkorb". Nicht nur beim Essen und Trinken geht es darum, Übernommenes weiter zu entwickeln, auch bei Bräuchen, wie dem Funkenflug-Festival in Abtenau oder dem Salzburger Adventsingen und beim Handwerk wie Trachtenschneiderei, Käserei oder Federnkielstickerei ist Kreativität gefragt. Aktuelle Themen wie Klimawandel, Abfallvermeidung und Umweltschutz finden gebührend Raum - alles mit treffenden Fotos illustriert. Preisrätsel, Serviceteil, p.r.-Artikel und Inserate dürfen nicht fehlen. Ein Kalendarium, wie man es selten so ausführlich findet, rundet den Jahresbegleiter ab.

hmw