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Stadtgemeinde Berndorf (Hg.): Berndorf Silber - Tafeln mit Stil#

Bild 'Berndorf'

Stadtgemeinde Berndorf (Hg.): Berndorf Silber - Tafeln mit Stil. Die Besteckerzeugung in Berndorf von den Anfängen bis heute. Texte von Isabel Bauer, Ingrid Haslinger, Susanne Schmieder-Haslinger, Gabriele Schöberl, Fotos von Harald Schmid. Kral Verlag Berndorf. 200 S., ill., € 9,90

BMF/AS, BE oder der Bär, der einen Löffel trägt sind nur einige der rund 200 Schutzmarken der Berndorfer Metallwarenfabrik. Nach fast 180 Jahren ist die Berndorf AG ein Konzern mit mehr als 60 Unternehmen. Die Berndorf Gruppe beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern weltweit. Die - wenn auch zeitweise unterbrochene - Erfolgsgeschichte begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit Bestecken aus Alpacca-Silber. Mittels Löffelwalze aus einer Kupfer-Zink-Nickel-Legierung produziert, kosteten sie nur ein Zehntel der silbernen. Bald setzte sich das neue Material als "vollkommenster Ersatz für echtes Silber" in der Hotellerie und Gastronomie ebenso durch wie in Privathaushalten.

Das vorliegende, reich illustrierte Buch stellt die Besteckerzeugung in Berndorf von den Anfängen bis heute vor. Autorinnen des ersten Kapitels sind Susanne Schmieder-Haslinger und Gabriele Schöberl vom krupp stadt museum BERNDORF. Es zeigt, wie der Wiener Großkaufmann Alexander Schöller und der deutsche Fabrikant Alfred Krupp ihr Unternehmen im Triestingtal begannen. Sein Bruder Hermann Krupp sollte als technischer Leiter helfen, die Anfangsschwierigkeiten zu beheben. Er blieb 35 Jahre und verstand sich als "erster Arbeiter der Fabrik". In Spezialwerkstätten fertigten 'Kunsthandwerker' … schöne und qualitativ hochwertige Produkte. Technischen Neuerungen stets aufgeschlossen, kaufte Hermann Krupp als Erster in Österreich eine moderne Maschine zur galvanischen Versilberung - und steigerte damit die tägliche Produktion um fast die Hälfte. Nach seinem plötzlichen Tod übernahm der erst 23-jährige Sohn Arthur Krupp die Leitung der Fabrik. Er vergrößerte sie, erfand neue Produkte und vermarktete diese in aller Welt. Auch die Schutzmarke mit dem Bären entstand damals. Sie verweist sowohl auf den Standort, als auch auf den Vornamen des Chefs. Arthur soll sich vom keltischen Handelsgott Artaius ableiten, was sich mit "Bär" übersetzen lässt.

Arthur Krupp war überall und sorgte für alles. Als 'gütiger Vater' wollte er nicht nur für ausreichend Arbeit, sondern auch für das soziale Wohl seiner Arbeiter sorgen. … Er formte nach seinem Wahlspruch 'Arbeit - Bildung - Friede', in der Rolle als Schöpfer und Mäzen, seine Stadt Berndorf und seine Arbeiter. Bis heute sind die Schulen mit den Stilklassen, Theater und Kirche sichtbarer Teil dieser Aktivitäten. Dass es in der Zwischenkriegszeit zu Arbeiterunruhen kam, war "die schwerste Enttäuschung seines Lebens." Auch wirtschaftlich gab es Schwierigkeiten. "Reich an Erfolgen, wie an Kummer und Sorgen …" ließ er 1938 auf seine Parte drucken. Kriegsproduktion, USIA-Betrieb und Verstaatlichung erlebte der Patriarch nicht mehr.

Das zweite große Kapitel Zur Kulturgeschichte des Tafelns verfasste Ingrid Haslinger. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hofsilber- und Tafelkammer in der Wiener Hofburg gilt als hervorragende Kennerin kulinarischer Traditionen. Hier stellt sie die Geschichte des gedeckten Tischs und die Entwicklung der Tafelgeräte vor. Im Europa des Mittelalters gab es kein eigenes Speisezimmer. In Fürstenresidenzen stellte man Schragen mit Tafelbrettern in die jeweils passenden Räume. Nach dem Mahl wurde die Tafel "aufgehoben". In Bauernhäusern aßen Familie und Gesinde an einem großen Küchentisch. Im 18. Jahrhundert kamen bei den Großbürgern Speisezimmer auf. Oft überstieg der Wunsch nach einem üppigen Mahl die finanziellen Möglichkeiten. Kaiser Joseph II. beschränkte daher die Speisen und Zutaten für die Untertanen und schickte Beamte zur Kontrolle aus. Dem entsprechend unbeliebt waren die "Häferlgucker". Im 19. Jahrhundert beeinflusste die Berndorfer Fabrik mit ihrem Alpacca-Silber die Tischkultur auf breitester Basis. Neben Besteck gab es nun spezielle Rindfleischteller, Suppenserviertassen, Utensilien zum Servieren von Heißgetränken und besondere Objekte für die Tafeldekoration. Die Ideen der Designer scheinen unerschöpflich.

Die Architektin Gabriele Schöberl stellt das Besteckdesign bis 1955 vor, die Kunsthistorikerin Isabel Bauer Entwürfe bis zur Gegenwart. 1843 begann die Produktion mit 18 glatten und 15 verzierten Besteckformen. Als ältester Katalog ist jener von 1893 erhalten, der 301 verschiedene Produkte verzeichnet. Der Wiener Ringstraßenarchitekt Ludwig Baumann plante nicht nur die Gebäude im Zusammenhang mit der Fabrik, er leitete auch deren Zeichenbüro. Sein eher konservativer Geschmack entsprach dem von Arthur Krupp. Als dieser 1918 die Silberwarenfabrik Klinkosch kaufte, lieferten die dort tätigen Künstler des Jugendstils und Art deco - wie Josef Hoffmann oder Michael Powolny - Entwürfe für Berndorf.

Die Produktgestaltung der letzten Jahrzehnte, beginnend bei der "Stunde Null", der Übernahme durch die Republik Österreich, ist ein Spiegellbild des Zeitgeistes. Es kam zu einem "Wertewandel bei Tisch" - Stichworte: Party, Picknick, Camping. Funktionelle und formreduzierte Besteckmodelle waren gefragt. In den siebziger und achtziger Jahren sollten "sinnliche und emotionale Qualitäten der Gegenstände" in die äußere Form einbezogen werden. Dem entsprechend vielfältig waren die Fassonen, auch inspiriert von der bunten "Flower Power"-Bewegung. Einen Meilenstein in der Berndorfer Designgeschichte bildete das AUA-Bordbesteck, das die österreichische Fluglinie von 1980 bis 1991 einsetzte. Bis zur Jahrtausendwende verwirklichten international anerkannte Spitzendesigner außergewöhnliche Modelle unter dem Zeichen des Bären.

Der abschließende Teil bringt Faksimiles aus dem Muster- und Preisbuch von 1911. Zur Zeit ihrer Hochblüte offerierte die Fabrik 84 Besteckmuster in 102 Formen, "sodass für jede Geschmacksrichtung Passendes vorhanden sein dürfte." Zudem gab es 329 verschiedene Tafelgeräte. Aus dem Angebot: Fischvorlegebesteck mit Elfenbeinheften, Spargelgriff, perforierte Zuckerstreulöffel, Absinthbecher, Traubenschere mit Silberauflage, Champagnerhaken, Sardinengabel, Maiweinlöffel, innen vergoldet, Biskuitdose mit irisierendem Glaseinsatz, Gestell für Sellerie mit Kristallglas, Weinkühler, Bierwärmer und - für den modischen Herrn - Suppenlöffel für Schnurrbartträger.

hmw