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Michaela Lindinger: Kaiserin Elisabeths Hermesvilla#

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Michaela Lindinger: Kaiserin Elisabeths Hermesvilla. Refugium einer rastlosen Seele. Wien Museum, Residenz Verlag Salzburg. 120 S., ill. € 15,-

"Sisi"-Bücher gibt es viele, wahrscheinlich zu viele. Die meisten zeichnen das kitschige Bild einer verliebten Prinzessin, einer melancholischen Exzentrikerin oder des Opfers eines gewaltsamen Todes, vergleichbar mit Lady Di. Glücklicherweise ist das vorliegende Buch ganz anders. Das liegt einerseits an der Autorin - Mag. Michaela Lindinger ist Kuratorin im Wien Museum - und andererseits am Thema. Den Schwerpunkt bildet die Hermesvilla, in der sich Kaiserin Elisabeth (1837-1898) selten aufhielt.

"Gut gemeint ist das Gegenteil von gut", diese Weisheit drängt sich bei der Gabe Franz Josephs (1830-1916) an Elisabeth auf. 1881 beschloss der 51-jährige Kaiser den Bau eines "Jagdhauses" im Lainzer Tiergarten, das er seiner Gemahlin drei Jahre später schenkte. Er beauftragte den Ringstraßenarchitekten Karl Hasenauer mit der Planung. Künstler wie Hans Makart, Gustav Klimt und Viktor Tilgner besorgten die Ausstattung. Die Kosten bestritt der Monarch aus seiner Privatkasse. Er hoffte, mitten in seinem bevorzugten Jagdgebiet, zeitweise ein "beschauliches Leben" mit seiner Ehefrau zu führen. Nach fünf Jahren war die "Villa Waldesruh" im Lainzer Tiergarten fertig gestellt, doch als sie die Besitzerin erstmals betrat, war die Enttäuschung groß. Obwohl alles prächtig wirkte, ließ der Wohnkomfort zu wünschen übrig. Elisabeth und besonders die jüngste Tochter, Marie Valerie - damals 18-jährig und später Erbin des Objekts - ließen kein gutes Haar an dem Bauwerk. Elisabeth reiste gleich nach der Besichtigung wieder ab. Ich werde mich immer fürchten, alles zu verderben, soll der Kaiser ihre Ablehnung kommentiert haben. Aus der Chronik am Ende des Buches lässt sich leicht errechnen, dass Elisabeth in zwölf Jahren nur 14 Monate in der Hermesvilla logierte. Zumindest im Frühling verbrachte das Kaiserpaar dort einige gemeinsame Wochen.

Elisabeth, die in die Planung nicht einbezogen war, begann 1887 mit der Umgestaltung. Bei ihrem Lieblingsbildhauer, dem deutschen Kunstprofessor Ernst Herter, bestellte sie jene Figur aus der griechischen Mythologie, der das "Schloss der Träume" seinen Namen verdankt: Hermes, Gott der Kaufleute, Diebe, Reisenden und Seelenführer in die Unterwelt. In den nächsten Jahren kamen weitere Kunstwerke dazu, die befremdlich wirken, wie die Marmorplastik der gefallenen Lichtfee Peri, eine lebensgroße Marmorfigur der Aspasia - die zweite Frau des Staatsmannes Perikles war eine außergewöhnlich geistreiche "Hetäre" -, ein bronzenes Johanneshaupt samt Schwert, Gemälde einer Madonna in Schwarz und ihres Großcousins auf dem Totenbett. Eine lebensgroße Gipsfigur im Stil einer Grabplastik stand, grün beleuchtet, im Schlafgemach.

Franz Joseph entwickelte eine sentimentale Beziehung zu dem Landsitz. Das Gebäude im dunklen Wald verkörperte für ihn den letzten Rest des gemeinsamen Lebens mit seiner fast unterbrochen abwesenden Ehefrau. Wenige Tage vor ihrer Ermordung in Genf schrieb er ihr: Viel und mit recht wehmütigen Gedanken habe ich zu deinen Fenstern hinaufgeblickt und mich dabei in Gedanken in die Tage zurückversetzt, welche wir zusammen in der lieben Villa verbrachten. Doch, Es gab genügend Tage, an denen es Franz Joseph trotz eines gemeinsamen Aufenthalts in der Hermesvilla nicht gelang, in die Gemächer seiner Frau vorzudringen. … Das Ehepaar residierte jeweils in eigenen Raumfluchten im ersten Stock der Hermesvilla. Gemeinsame Lebensräume waren bei Mitgliedern des Hochadels vollkommen unüblich, auch ein gemeinsames Schlafzimmer gab es in keinem einzigen kaiserlichen Schloss. Mit der Dekoration von Elisabeths Schlafzimmers betraute der Kaiser den damals berühmtesten Wiener Maler. Er gab Hans Makart das Thema vor: Szenen aus Shakespeares "Sommernachtstraum". Die Kaiserin konnte ihr Lieblingsstück in der englischen Originalsprache des 16. Jahrhunderts auswendig. Ihren Ehemann benannte sie nach dem Elfenkönig "Oberon", sich selbst sah sie in der Rolle der Titania. Darauf bezieht sie sich auch in ihrem Poetischen Tagebuch, wo sie ihm "beständig einen Eselskopf angedeihen lässt." Michaela Lindinger zitiert daraus beispielsweise Entsetzensvoll stürzt sie von dannen / Verschwindend im Dunkel der Tannen. Den Zeitgenossen blieben solche Reime großteils unbekannt, sie wuren erst 1984 publiziert. Aus germanistischer Sicht haben ihre Arbeiten keinen Wert, doch geben sie einen hilfreichen Einblick in ihre Denkweise und ihre Gefühlswelten.

Fünf Jahre nach der Fertigstellung von "Titanias Zauberschloss" erwog Elisabeth die grundsätzliche Verlegung ihres Dauerwohnsitzes nach Griechenland. 1890-1892 ließ sie in Korfu nach ihren Vorstellungen das "Achilleion" er- und einrichten. Die Marmorfigur des namengebenden Helden Achilles übersiedelte vom Lainzer Tiergarten nach Gastouri. Kaum war der "exorbitant kostspielige Bau" fertig, wollte sie ihn schon wieder loswerden. Kaiser Franz Joseph reagierte äußerst konsterniert auf diese unerwarteten Pläne seiner Frau. Er hat das Achilleion nie besucht.

Die Hermesvilla überstand den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet, doch hatte kaum jemand Interesse an dem späthistoristischen Objekt, das abgerissen werden sollte. 1962 drehte Walt Disney in den Stallungen "Die Flucht der weißen Hengste". Durch den Erfolg des Films wurde die Stadtverwaltung auf die schlossartige Villa aufmerksam. Bürgermeister Bruno Marek plante, darin ein Naturmuseum einzurichten. Dazu initiierte er den "Verein der Freunde der Hermesvilla", der in teilweise renovierten Räumen 1971 eine Jagdausstellung zeigte. Seit 1979 ist die Hermesvilla die größte Außenstelle des Wien Museums. Die letzte umfassende Renovierung fand 2015 statt. Seit kurzem kann man das "Refugium einer rastlosen Seele" mit dem aufschlussreichen Begleitbuch für sich entdecken.

hmw