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Georg Markus: Spurensuche#

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Georg Markus: Spurensuche. Neue Geschichten aus Österreich. Amalthea Verlag Wien. 304 S., ill., € 26,-

Professor Georg Markus ist einer der erfolgreichsten und produktivsten Autoren Österreichs. Jede Woche freut man sich über seine Kolumne "Geschichten mit Geschichte" in der Tageszeitung "Kurier". Seine Sachbücher, darunter viele Bestseller, erscheinen Im Jahrestakt, zuletzt "Das gibt’s nur bei uns" (2018) und "Alles aus Neugier" (2019). Heuer steht "Spurensuche" auf dem Amalthea-Verlagsprogramm. Der Titel ist nicht gerade originell, mindestens ein Dutzend anderer Bücher heißt so oder ähnlich. Umso origineller sind aber die "neuen Geschichten aus Österreich", die der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller erzählt.

Georg Markus, der sich als "Chronist historischer Begebenheiten" bezeichnet, hat 115 Storys in 17 Kapitel gegliedert, wobei er schreibt: In keinem meiner bisherigen Bücher war es so schwierig, Ordnung in die einzelnen Geschichten zu bringen, wie in diesem. Letztlich aber war es für den literarischen Routinier kein Problem, all das Unterhaltsame, Spannende und Informative zu strukturieren. Dabei beschreibt er einen großen Kreis "um des Kaisers Bart" - im wahrsten Sinn des Wortes.

Die skurrile Spurensuche beginnt bei Achilles Farina. Der 14 Jahre jüngere Doppelgänger Franz Josephs diente in der Trabantenleibgarde und war nach seiner Pension Logenschließer in Burg und Oper. Als solcher trug er eine Uniform und legte sich einen Backenbart zu. Es war sein ganzer Stolz, dem Monarchen ähnlich zu sehen. So ähnlich, dass er einmal die Burgwache zum irrtümlichen Habtachtstehen veranlasste. Der Kaiser ließ das stadtbekannte Wiener Original zu sich rufen, tadelte Farina aber nicht, sondern nahm ihn sogar vor seinem Vorgesetzten in Schutz.

In der Welt der Musik war es kein Geheimnis, dass der Komponist Leopold Mozart mit seinen Kindern Wolfgang und Maria Anna einträgliche Konzertreisen unternahm und der arme Franz Schubert befürchtete, im Alter betteln gehen zu müssen. Weniger bekannt dürfte sein, dass das dritte Genie, Ludwig van Beethoven, in seiner Wohnung auf der Mölkerbastei höchstpersönlich Karten für seine Veranstaltungen verkaufte. Ein entsprechender Vermerk findet sich auf einem Theaterzettel aus dem Jahr 1814. In der k. u. k. Welt darf die Burgschauspielerin Katharina Schratt nicht fehlen. Sie gab als fast Achtzigjährige ihr einziges Interview. Mit dem jungen Reporter Hans Habe sprach sie über vieles - aber nicht über den Kaiser. Wie etwa: Ich gehöre nicht mehr zu dieser Welt. Man betet für ein langes Leben - doch man lebt zu lange.

In der Welt des Kriminals beschreibt der Autor einen Mord im Burgtheater. 1925 wurde der bulgarische Freiheitskämpfer Todor Panitsa von einer früheren Mitstreiterin während einer Vorstellung in der Loge erschossen. Als Motiv vermutet man "eine Mischung aus privaten und politischen Gründen".

Unter prominenten Wien-Besuchern waren so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Papst Pius VI, der Kaiser Joseph II. von seinen kirchlichen Reformen abbringen wollte, die Stars Charlie Chaplin, Eleonora Duse, Sarah Bernhardt, Isadora Duncan und Zsa Zsa Gabor, der Schriftsteller Mark Twain, die Musiker Giacomo Puccini, George Gershwin und Arturo Toscanini, sowie Graf Zeppelin, der mit seinem Luftschiff auf dem Flugfeld Aspern landete. Die Spurensuche in der Welt der Liebe zieht sich durch die Jahrhunderte, von Prinz Eugen bis Marlene Dietrich. Auch Francesco Casanova, Hans Makart, Richard Gerstl und die Brüder Klimt ließen sich hier einreihen. Sie finden sich aber in der Welt der Maler.

Im Kapitel über Wiener Gebäude widerspricht Georg Markus der Überlieferung, dass der Opernarchitekt Eduard van der Nüll wegen der Kritik an seinem Hauptwerk Selbstmord begangen und der Miterbauer August Sicard von Sicardsburg aus Gram darüber an gebrochenem Herzen verstorben sei. Ersterer hätte wegen einer Arterienerweiterung kaum mehr Lebenswartung gehabt, letzterer erlag der Tuberkulose. Anders als beim Opernhaus hörte man über das neu erbaute Burgtheater wenig Böses. Hofschauspieler Hugo Thimig nannte es nach der ersten Probe "Eine prunkhafte Gruft aller echten Kunstbestrebungen" und wies den Kaiser auf die akustischen Mängel hin. Die ärgsten wurden nach einigen Jahren beseitigt.

Vieles hat der Autor noch zu berichten, aus der Politik, dem Kaiserhaus, der Literatur, dem Theater, der Medizin, von berühmten Musen, großen Tragödien und dunklen Stunden. Doch nicht diese stehen am Ende, sondern die Spurensuche im Reich der Anekdote. Abschließend geht es wieder "um des Kaisers Bart", diesmal um die Konkurrenz zwischen Franz Joseph und Johann Strauß. Der Walzerkönig war sieben Jahre jünger als seine Frau. Obwohl schon 37 (sie 44) Jahre alt, wollte er bei der Hochzeit würdiger aussehen. Sein neuer Backenbart wurde zum Stadtgespräch. Zufällig gleichzeitig trennte sich der Kaiser von seinem optischen Markenzeichen. Wie eine Zeitung berichtete, aus galanter Zärtlichkeit für die Kaiserin. Ihre Majestät ließ nämlich die Bemerkung fallen, dass der Kaiser früher … munterer ausgesehen habe.

In bewährter Weise führt der Erfolgsautor durch die Jahrhunderte. Obwohl er schon so vieles Interessante verraten hat, gibt es wohl noch genug Stoff für Geschichte und Geschichten. Die geneigte Leserin, der geneigte Leser dürfen sich auf Fortsetzungen freuen. Von Markus-Storys kann man nie genug bekommen.

hmw