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Gunnar Möller: Weihnachten und Neujahr#

Bild 'Möller'

Gunnar Möller: Weihnachten und Neujahr im alten Vorpommern. Böhlau Verlag Wien - Köln. 250 S. ill., € 28,-

Niemand weiß, wann Jesus geboren wurde. Fest steht, dass Weihnachten als kirchlicher Feiertag am 25. Dezember seit 336 in Rom belegt ist. Aus der einst universalen römisch-katholischen Kirche stammen zahlreiche Bräuche, die noch heute in vielen Ländern bekannt sind. Ein gemeinsames Element ist das Licht, wobei die Sonnenwende um den Weihnachtstermin im finsteren Winter Hoffnung gibt.

Der mit Kerzen geschmückte, immergrüne Nadelbaum gilt als besonders aussagekräftiges Symbol. Der Christbaum mit seinen zahlreichen Variationen hat sich von Deutschland aus international verbreitet. Aus dem Ostseeraum ist 1510 überliefert, dass die Gilden der jungen Kaufleute nach Beendigung ihrer Trinkzusammenkünfte zu Weihnachten und zu Fastnacht zwei Tannenbäume, mit künstlichen Rosen versehen, auf die Marktplätze trugen, diese umtanzten und anschließend verbrannten. "Der Deutschen liebster Baum" ist nicht der einzige Weihnachtsbrauch, den man auch in Österreich findet.

Aus der Region Vorpommern wird im Spätmittelalter berichtet, dass Geschenke zur Weihnachtszeit für die Kinder in Schuhen bereitgelegt wurden - hierzulande ein klassischer Nikolausbrauch. "Nach der Reformation verschwand die Heiligenverehrung in den protestantischen Regionen. Dies geschah, entgegen dem Wunsch von Martin Luther, nur ganz allmählich. In Luthers Haus selbst wurden noch 1535 seine Kinder vom Heiligen Nikolaus beschenkt. In den Hansestädten genoss er als Patron der Seefahrer und Kaufleute besondere Verehrung.

Gunnar Möller, Denkmalpfleger der Hansestadt Stralsund, zeichnet ein umfassendes Bild der Bräuche zwischen Advent und Dreikönig im vorpommernschen Raum zwischen Darß und Oder. Viele davon stammen aus der Zeit vor der Reformation im frühen 16. Jahrhundert. Daher finden sich zahlreiche Parallelen mit österreichischen Winterbräuchen. Im Jahreslauf sind es die Tage der Heiligen Martin, Andreas, Barbara, Nikolaus, Lucia, weiters Weihnachten, Silvester, Neujahr, Epiphanias und Maria Lichtmess. Die Weihnachtszeit dauerte bis zum 2. Februar, die Kerzenweihe an diesem Tag ist in katholischen Kirchen allgemein üblich. In vorreformatorischer Zeit gab es auch im Norden im Advent feierliche Roratemessen, bei denen hunderte Kerzen brannten. Die Christmette dauerte mehrere Stunden. Ähnlich wie sie in Wien mit lustigen Elementen, von Hirtenspielen gestaltet waren, mischten sich im Norden "Hirten" unter die Gläubigen, die sie mit Späßen unterhielten, um sie während des Gottesdienstes wach zu halten.

Winterbräuche waren nicht nur kirchlich, sondern auch vom Aberglauben geprägt. In den Rauhnächten zwischen Weihnachten und Dreikönig gab es Arbeitsverbote. Dass man in den "Zwölften" keine Wäsche aufhängen sollte, ist bis heute bekannt. Orakel zu Silvester sind überregional, besonders interessant erschienen sie im Hinblick auf kommende Hochzeiten. Pantoffelwerfen, Nussschalenorakel und Vorzeichen sollten Hinweise auf den zukünftigen Bräutigam geben.

Im 13. Jahrhundert brachten die Wiener ihrem Herzog Schmuckstücke, Rinder, Brot und andere Geschenke zu Weihnachten. Im 14. Jahrhundert ließ die Stadt Wien dem Landesfürsten, seiner Frau und Beamten Gaben überreichen. 1418 bestanden die "Weihnachtskleinodien", damals Pflichtabgaben, aus vergoldeten Silberbechern. 1504 erhielt der österreichische Kanzler eine größere Geldsumme. In Stralsund ist für 1636 und die folgenden Jahre bezeugt, dass die Ratsherren größere Mengen Rosinen, Kerzen und Münzen für ihre Verdienste erhielten. Im 18. Jahrhundert bekamen die Vertreter der Stadtregierung als "Herrenbrot" den sogenannten Wolf, Stollen oder Striezel mit Rosinen und Mohn. Ähnliche Weihnachts-"Brote" sind auch aus Süddeutschland, Westfalen, Österreich, Schweden oder England bekannt. Wurden Politiker mit kostbaren Nahrungsmitteln beschenkt, so gingen arme Burschen um Eier, Äpfel und Nüsse heischen. Verkleidet und lärmend zogen sie von Haus zu Haus, manche Gruppen sagten Sprüche auf. Bekannt ist, wie in Niederösterreich: "Wir wünschen dem Hausherrn einen goldenen Tisch, auf allen vier Ecken einen gebratenen Fisch…" Andererseits waren verkleidete Gabenbringer unterwegs, die das Wohlverhalten der Kinder kontrollieren sollten und oft Angst verbreiteten. Statt wie bei uns Nikolaus und Krampus kamen im Norden Knecht Ruprecht, Weihnachtsmann, Klapperbock, Schimmelreiter und andere Schreckgestalten.

Ein Hauptthema des Buches sind die speziellen Bräuche des Heiligen Abends. Dazu zählte der Julklapp, ein gut verpacktes Geschenk, das unter lautem Rufen unerkannt in die Stube geworfen wurde. Auch die Weihnachtsspeisen, wie Schweinsbraten mit Reis, Gänse, Nüsse, Marzipan, Lebkuchen und anderes Gebäck werden gewürdigt. Zu Neujahr bevorzugte man im alten Vorpommern "Grünkohl und Schweinskopf" oder Karpfen. Dessen Schuppen wurden als Analogie in das Portemonnaie gelegt, damit das Geld nicht ausging. Weitere Kapitel widmen sich der Bescherung im Kinderarmenhaus und dem Weihnachtsmarkt von Stralsund. Dieser ist - seit 1512 - der älteste an der Ostsee. Zuvor gab es im ausgehenden Mittelalter Jahrmärkte mit einem reichen Angebot an Lebensmitteln und Handwerksprodukten. Kein Geringerer als Kaiser Maximilian I. hatte am 29. Juli 1505 der Stadt Braunschweig das Privileg erteilt, einen Tag nach Mariä Empfängnis (8. Dezember) einen Markt abzuhalten. " Jetzt schätzt man schätzt man die Zahl der Weihnachtsmärkte in Deutschland auf mehr als 2500.

Die letzten Kapitel sind Silvester, Neujahr und Dreikönig gewidmet. Traditionell waren diese Tage mit superstitiösen Vorstellungen verbunden. Dazu zählten Neujahrsgebäcke als gutes Omen für genug Essen im kommenden Jahr. Alkoholische Getränke, wie Würzwein, wurden gerne und kräftig konsumiert. Bürger gaben den Rauchfangkehrern Trinkgeld und Apotheker beschenkten Ärzte. Heischegänger hatten Saison und die Verbote ließen nicht auf sich warten. Diese betrafen auch auf die Sternsinger zu Dreikönig. Im 17. Jahrhundert fühlten sich die Stralsunder Bürger durch das Betteln und gewalttätige Handeln einquartierter Soldaten belästigt. Der Rat der Stadt bat den schwedischen Kommandanten um ein Verbot dieser Sternsinger. Der Kommandant kam der Bitte aber nicht nach und berief sich auf ein altes Soldatenrecht.

Gunnar Möller geht erfreulich sachlich und kompetent an das Thema heran, über das alle Jahre wieder viel Falsches zu lesen ist. Im 19. und erst recht im frühen 20. Jahrhundert wurde nach den vorchristlichen Wurzeln vieler Feste und Bräuche gesucht. Solche vielfach völkischen Forschungsansätze versuchten auch, einzelne Weihnachtsbräuche in eine mythische "germanische" Zeit zurück zu verfolgen. … diesbezügliche Behauptungen (sind) vielfach wissenschaftlich nicht haltbar und wohl auch jünger. Hingegen konnte sich der Autor u. a. auf Bestände der Stadtarchive Stralsund und Greifswald, des Landesarchivs Greifswald, volkskundliche Fragebogenaktionen, Autobiographien und Berichte aus fünf Jahrhunderten stützen. Seine ältesten Zeitzeugen lebten um 1500, dazu kamen Erinnerungen bekannter Persönlichkeiten wie der Historiker Ernst Moritz Arndt, der Maler Philipp Otto Runge oder der Schriftsteller Theodor Fontane. Das Werk ist zwar kein "Buch über Österreich", doch eine äußerst lohnende Lektüre zur Volkskunde einer mehr als 700 km entfernten Region.

hmw