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Die Technische Universität Graz - ein Jubiläum#

Erzherzog Johann - Visionär und Wegbereiter#



Johann von Österreich. Zwischen Tradition und Innovation


Josef W. Wohinz
Josef W. Wohinz
Universitätsprofessor, Leiter Inst. of Production Science and Management und des IBL
von
Josef W. Wohinz










Schenkungsurkunde
Schenkungsurkunde Erzherzog Johanns vom 16. Juli 1811 (Orig.: Steiermärkisches Landesarchiv)


"Ich Johann Baptist, Erzherzog zu Österreich, Ritter des Goldenen Vließes, Großkreuts des militärischen Marie Theresien und Großkreuts des österreichischen Leopold – Ordens, k.k. General der Kavallerie, Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens, der Ingenieur- und Neustädter militär. Kadetenakademie Direktor und Inhaber des Dragonerregiments Nr. 1 erkläre, ..."






Mit diesem Wortlaut beginnt die am 16. Juli 1811 ausgestellte Schenkungsurkunde, mit der die naturwissenschaftlichen Sammlungen Johanns den Herren Ständen Steyermarks überlassen wurden. Johann von Österreich als Stifter des Joanneums war selbstverständlich von der Zeit geprägt, in die er hineingeboren wurde. Er war auch geprägt von der Familie, der er von Geburt an angehörte. Dennoch ist seine Biographie zusätzlich geprägt von Merkmalen, die ihm eine Position außerhalb seiner Zeit und außerhalb seiner Familie zukommen lassen. Sein Lebensweg war gekennzeichnet durch das Bewahren von Althergebrachtem wie auch durch das Bemühe um neue Entwicklungen – eingebettet in ein Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. Dieser Weg war von Erfolgen und Misserfolgen begleitet. Letztlich kann damit wohl auch seine große Popularität bis in unsere Zeit erklärt werden. In diesem Sinn erscheint es durchaus interessant, sich mit seiner Persönlichkeit in einer zeitgemäßen Form auseinanderzusetzen.


Meilensteine seines Lebens

Johann Baptist von Österreich wurde am 20. Jänner 1782 im Palazzo Pitti in Florenz als 13. Kind des Großherzogs Leopold von Toskana und dessen Gemahlin Maria Ludovika, einer spanischen Prinzessin, geboren. Die Kindheitsjahre in der Toskana endeten jäh, als mit dem Tod Kaiser Josef II. am 20. Februar 1790 nun Leopold (als Bruder) die römisch-deutsche Kaiserkrone übernahm. Johann übersiedelte deshalb mit acht Jahren nach Wien. Zwei Jahre später verlor er innerhalb von drei Monaten Vater und Mutter. Sein ältester Bruder Franz folgte dem Vater auf den Thron.

Im Vordergrund der Erziehung des Erzherzogs stand zweifellos die Vorbereitung auf die militärische Laufbahn. Es war die Zeit der so genannten Koalitionskriege, in denen Europa durch die Auseinandersetzungen des Hauses Habsburg mit Frankreich unter Napoleon Bonaparte geprägt war. Als 18-jähriger, Johann befand sich inmitten seiner militärischen Ausbildung, wurde er zum kommandierenden General der Armee in Deutschland befördert. Am 3. Dezember 1800 kam es zur Schlacht von Hohenlinden bei München, die mit einer vernichtenden Niederlage für die österreichischen Truppen endete.

1809 war Johann an Kampfhandlungen gegen französische Truppen bei Pordenone, Fontanafredda und Sacile beteiligt. Sie endeten mit einem schwer erkauften Sieg der Österreicher. Eine nachfolgende Schlacht bei Raab ging ungünstig aus und zur anschließenden Schlacht bei Wagram traf Johann mit seinen Truppen verspätet ein – die Auseinandersetzung war für Österreich bereits verloren gegangen.


Mit 25 Jahren erwarb Johann Burg und Herrschaft Thernberg bei Seebenstein in Niederösterreich. Dort vereinigte er seine bedeutend angewachsenen naturwissenschaftlichen Sammlungen. Ursprünglich hatte er vor, diese Materialien der Universität Innsbruck zu übergeben: Johann war im Alter von 18 Jahren am 7. Oktober 1800 von der Universität Innsbruck die Würde eines "Rector magnifi centissimus ac perpetuus", d.h. eines Rektors auf Lebenszeit, verliehen worden.


Erzherzog Johann als Deutscher Reichsverweser
Erzherzog Johann als Deutscher Reichsverweser mit den sieben Abgeordneten, die ihm die Wahlentscheidung des Reichstages überbrachten (Eigentümer: Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum)
Aufgrund der politischen Lage ergab es sich jedoch, dass diese Sammlungen den Weg in die Steiermark fanden: Es kam zur Gründung des Joanneums in Graz. Die Schenkungsurkunde trägt das Datum 16. Juli 1811. Die formelle Überreichung an den steirischen Landtag erfolgte allerdings erst am 26. November 1811. Dieser Tag wird seither auch als der Gründungstag des Joanneums und damit auch als Gründungstag der Technik in Graz betrachtet.


Sein Zusammentreffen mit Anna Plochl 1819 und die daraus entstandene Beziehung legten den Grundstein zum Mythos des "Steirischen Prinzen". Anna war 15 Jahre alt, Johann 22 Jahre älter. Bereits 1823 erläuterte Johann seinem Bruder Franz, dem Kaiser, seine Eheabsichten mit Anna. Doch erst sechs Jahre später kam es zur Trauung. Fortan war es ihm ein besonderes Anliegen, für die von ihm begründete Familie eine Erhebung in den Adelsstand durchzusetzen. Am 11. März 1839 wurde Sohn Franz als Freiherr von Brandhofe geboren, 1845 wurde er zum Grafen von Meran erhoben.



Das Jahr 1848 brachte wohl den Höhepunkt in der persönlichen Entwicklung Johanns. In den stürmischen Märztagen übernahm er eine wichtige Rolle zur Verständigung in Graz. Diese ausgleichende Haltung war wohl auch der Grund dafür, dass Johann am 29. Juni desselben Jahres durch die Nationalversammlung in Frankfurt zum "Deutschen Reichsverweser" gewählt wurde. Die weitere politische Entwicklung konnte auch er nicht entsprechend klären: ein Beobachter dieser Zeit bezeichnete ihn wegen seiner unentschlossenen Haltung kritisch als "Wanderer am Scheideweg zwischen Fürstenhausen und Volkshausen". So kehrte Johann im Jahre 1850 von Frankfurt in die Steiermark zurück und nahm die Wahl zum Bürgermeister von Stainz an.



Johann verstarb am 11. Mai 1859 im Palais Meran in Graz. Sein Leichnam wurde vorübergehend im Mausoleum am Grazer Dom beigesetzt. Nach Fertigstellung der Familiengruft in Schenna bei Meran wurde der Sarkophag mit den sterblichen Überresten am 21. Juni 1869 nach Südtirol überführt.





Reflexion aus Anlass seines Todestages

Eine Reflexion auf das Leben und Wirken von Johann von Österreich aus Anlass seines 150. Todestages ergibt ein differenziertes Bild einer vielschichtigen Persönlichkeit.

  • Johann von Österreich, aufgewachsen in Florenz und in Wien, war Zeit seines Lebens – nahezu rastlos – unterwegs. Seine zahlreichen Wohnsitze – Thernberg, Brandhof, Vordernberg, Pickern, Gastein, Graz, Stainz und schließlich Schenna – geben darüber Zeugnis. Dazu kamen seine zahlreichen Reisen in ganz Europa, so traf er 1816 u. a. auf James Watt in Birmingham.
  • Johann von Österreich deshalb als den "Steirischen Prinzen" geradezu mythologisch zu vereinnahmen, ist zwar verständlich, wird aber seiner Persönlichkeit nur unzureichend gerecht. Rektor der Universität in Innsbruck, Reichsverweser in Frankfurt, seine letzte Ruhestätte in Schenna sind hier wohl mit zu berücksichtigen.
  • Johann von Österreich hat zweifellos Großes für die Entwicklung der Steiermark geleistet. Als Stifter des Joanneums, als Protektor von Leseverein, Musikverein, Landwirtschaftsgesellschaft, Grazer Wechselseitiger Versicherungsanstalt und des Vereins zur Förderung und Unterstützung der Industrie und des Gewerbes in Graz wurden von ihm Initiativen gesetzt, die auch heute noch für die Steiermark besondere Bedeutung haben.
  • Johann von Österreich in der Rolle des innovativen Unternehmers war für seine Zeit besonders wichtig: Bauer am Brandhof, Radmeister in Vordernberg, Hammerherr in Krems bzw. Obergraden, Weinbauer in Pickern. Von diesen Aktivitäten existiert heute, bis auf eine Ausnahme, nichts mehr. Allein das Weingut in Pekre wird als Versuchsweingarten der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität in Maribor weiterhin betrieben.
  • Johann von Österreich als Protektor der Semmering-Bahn hat entscheidenden Einfluss auf die verkehrsmäßige Erschließung der Steiermark genommen und damit auf die Realisierung der gesamten Südbahn von Wien nach Triest. Die formelle Bezeichnung dieser Bahnstrecke als "Erzherzog Johann-Bahn", wie sie in aktueller Literatur zu finden ist, wurde allerdings nicht eingeführt.
  • Johann von Österreich als Militär war sicherlich bemüht, aber glücklos. Hohenlinden und Wagram waren auch persönliche Niederlagen, nur in Oberitalien hatte er bescheidenes Kriegsglück auf seiner Seite. Seine Rolle als Generaldirektor des Kaiserlichen Genie- und Fortifikationswesens und als Direktor der militärischen Ingenieurakademie nahm er mit großer Umsicht war.
  • Johann von Österreich in der Rolle als Politiker war ähnlich ambivalent geprägt. Seine Wahl zum Deutschen Reichsverweser in Frankfurt war ein besonderer Höhepunkt in seiner persönlichen Entwicklung. Allerdings war er dem Spannungsfeld dieser nicht wirklich geklärten politischen Funktion nur unzureichend gewachsen. Trotz anfänglicher Begeisterung musste er der politischen Realität Tribut zollen und sich wieder zurückziehen. Persönlich beeindruckend war schließlich die Art, wie er in der Folge die Rolle des Bürgermeisters von Stainz bis zu seinem Tod ausübte.
  • Johann von Österreich als Förderer der Wissenschaft ist wohl jene Rolle, die besonders nachhaltige Wirkungen hervorgebracht hat. Als Rektor der Universität in Innsbruck standen noch formale Aspekte im Vordergrund. Seine Initiativen in der Steiermark führten dazu, dass neben Innsbruck heute mit seinem Wirken vor allem zwei Universitäten in Verbindung gebracht werden können: die Technische Universität Graz und die Montanuniversität in Leoben.
  • Johann von Österreich als Ehegatte von Anna Plochl und damit Ahnherr der Grafen von Meran ist in der breiten Bevölkerung wohl am deutlichsten präsent. Gerade dieser Bereich seiner Persönlichkeit zeigt auch das starke Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, das er nur schwer bewältigen konnte. Volksverbunden und bürgernah bemühte er sich dennoch, für die von ihm begründete Familie die Nobilitierung zu erwirken: "Grafen von Meran" als Hintergrund für nachfolgende Generationen.


Tradition und Innovation im 21. Jahrhundert

Im Licht des 21. Jahrhunderts können nun wesentliche Schlussfolgerungen abgeleitet werden: Das Spannungsfeld zwischen Alt und Neu, zwischen Tradition und Innovation stellt kein Merkmal der heutigen Zeit dar. Dieses Spannungsfeld hat es schon immer gegeben. Die Ausprägungen sind allerdings zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlicher Intensität festzustellen. Für die Entwicklung der Gesellschaft erscheint es besonders relevant, wie dieses Spannungsfeld bewältigt wird. Es kommt offensichtlich auf den Geist an, in dem Tradition und Innovation gepflegt werden. Schließlich liegt es an uns Menschen selbst, wie mit dem Althergebrachten einerseits und den zukünftigen Entwicklungen andererseits umgegangen wird.

Johann von Österreich bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Sein Lebensweg war gekennzeichnet durch ein besonderes Wechselspiel zwischen Tradition und Innovation. Sein Bemühen war es aber stets, diese Ambivalenz in Verantwortung für seine Familie, für sein persönliches Umfeld, wie für die gesamte Gesellschaft bestmöglich zu gestalten. In diesem Sinn bleibt die heute als "joanneischer Geist" bezeichnete Einstellung für die Zukunft durchaus beispielhaft. In der ihm eigenen Sprache formulierte er dazu: "Treu dem guten Alten, aber darum nicht minder empfänglich für das gute Neue."


Literaturhinweise:
  • Basch-Ritter, Renate: Anna Plochl – Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns (Graz, 2005)
  • Dultinger, Josef: Die "Erzherzog Johann-Bahn". Erste Eisenbahnverbindung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien mit der Stadt und dem Adriahafen Triest (Rum, 1985)
  • Klingenstein, Grete (Hrsg) unter Mitwirkung von Cordes, Peter: Erzherzog Johann von Österreich – Beiträge zur Geschichte seiner Zeit (Graz, 1982)
  • Koren, Johannes (Hrsg.): Erzherzog Johann und die Steiermark (Graz, 1995)
  • Magenschab, Hans: Erzherzog Johann – Bauer, Bürger, Visionär (Graz-Wien-Köln, 2008)
  • Nenning, Günther: Erzherzog Johanns Wiederkehr (Wien-München, 1990)
  • Pickl, Othmar: Erzherzog Johann von Österreich – Sein Wirken in seiner Zeit (Graz, 1982)
  • Wohinz, Josef W.: Tradition und Innovation. In: Akademische Reden an der Technischen Universität Graz, Bd. 1 (Graz, 1996)



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