Stahlkonstruktionen im Kraftwerksbau#
Von
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Richard Greiner
Dipl.-Ing. Dr.techn. Robert Ofner
Dipl.-Ing. Andreas Taras
Der moderne Kraftwerksbau stellt heute höchste Anforderungen an die druckführenden Komponenten – Rohre, Druckschächte, Abzweigstücke, Sperrklappen – wie kaum in einem anderen Gebiet der Technik. Diese kommen durch den Einsatz neuer hochfester Stähle (690 MPa Streckgrenze), Wanddicken bis zu 120mm und Durchmesser bis 7m zum Ausdruck. Damit werden besondere Maßstäbe an die Schweißtechnik und die stahlbauliche Berechnung und Auslegung gestellt ebenso wie an die hydraulische und betriebliche Konzeption.
Die im Folgenden dargestellten Forschungsthemen des Stahlbaus stehen insgesamt im Zusammenhang mit der Forschung anderer Institute unserer Universität – den Instituten für Werkstoffkunde und Schweißtechnik (Prof. Cerjak), Hydraulische Strömungsmaschinen (Prof. Jaberg) und Wasserbau und Wasserwirtschaft (Prof. Heigerth). Die TU Graz kann damit auf diesem zukunftsträchtigen Gebiet eine umfassende fachliche Kompetenz anbieten.
Von den stahlbaulichen Problemstellungen der letzten Zeit werden drei dargestellt: die Auslegung von Abzweigstücken und Klappenverankerungen, die Tragwirkung von Schubringen und die Stabilität von Druckschachtpanzerungen.
Abzweigstücke in Verteilrohrleitungen und Klappen mit ihren Verankerungsrohren gehören zu den höchst beanspruchten Komponenten von Druckrohrleitungen, welche mechanisch gesehen komplexe, meist versteifte Schalentragwerke darstellen. Ihre Spannungsberechnung beruht auf der Finite-Elemente-Methode, ihre sichere Auslegung erfolgt spezifisch nach verschiedenen Spannungskategorien auf Basis statischer oder Betriebsfestigkeits-Kriterien sowie für Wechselplastizieren. Das neue Bemessungskonzept des Eurocodes 3-1.6 für schalenförmige Stahlkonstruktionen, an dem seitens des Instituts mitgearbeitet wurde, kann hier als Grundlage verwendet werden.
Die für Anwendungen des Kraftwerks "Kopswerk II" der Vorarlberger Illwerke AG durchgeführten Untersuchungen zeigen den starken Einfluss der realen Randbedingungen auf die meist "abgedeckelt" ausgelegten Abzweigstücke, welche zu erheblichen Ovalisierungen führen können (Abb. 1 und 2).
Schubringe stellen häufig auftretende Strukturkomponenten des Druckrohrleitungsbaus dar (Abb. 4), die zur Übertragung von axialen Verankerungskräften in den umgebenden Beton oder Fels dienen. Der kombinierte Beanspruchungszustand aus Innendruck, axialer Kontaktwirkung, Plastizierung des Schubringes und des Betons ergibt ein sehr komplexes Strukturproblem.
Numerische FEM-Analysen (ABAQUS) konnten zur Herleitung eines mechanisch begründeten Bemessungskonzeptes verwendet werden, das die wesentlichen Tragmechanismen einer einfachen Berechnung zugänglich macht (Abb. 5).
Druckstollenpanzerungen zeichnen sich durch besonders hohe Schlankheiten (Verhältnisse Radius zu Dicke R/t) aus. Dies wird in den letzten Jahren noch verschärft durch den verstärkten Einsatz hochfester Stähle. Im Laufe des Bauprozesses, sowie später im Betrieb, treten Lastfälle auf, bei denen die Stollenpanzerung Außendruck aufnehmen muss und dadurch beulgefährdet ist (Abb. 7).
Im Laufe der Planungen für die größten derzeit laufenden europäischen Wasserkraftwerksprojekte "Kopswerk II" und "Limberg" sollten konventionelle Bemessungsformeln auf ihre Anwendbarkeit auf höherfeste Stähle hin überprüft werden. Dazu waren FEMAnalysen (ABAQUS) des ummantelten Kreisrohres erforderlich, bei denen eine Vielzahl strukturmechanischer Effekte – geometrische und materielle Nichtlinearitäten, Kontaktwirkung und Reibung zwischen Rohr und Betonumhüllung, Nachgiebigkeit des Gebirges, Eigenspannungen und Formimperfektionen. Ergänzt wurden diese Untersuchungen durch analytische Ableitungen.
Als Ergebnis zeigt sich einerseits das typische Stabilitätsversagen des Durchschlagens (Abb. 8) sowie andererseits eine durchaus gute Übereinstimmung von Vergleichsrechnungen mit Versuchen und dem bestehendenanalytischen Bemessungskonzept (Abb. 6).