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Interfakultäres Forschungsprojekt Randelementmethoden in Graz#


Von


Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Olaf Steinbach

Institut für Numerische Mathematik (Math D)


Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Olaf Steinbach
Olaf Steinbach


© Forschungsjournal WS 05/06


In den letzten Jahren hat sich der Standort Graz zu einem Zentrum der Entwicklung und Analysis von Randelementmethoden entwickelt. Neben der Herleitung und mathematischen Begründung effizienter Algorithmen stehen dabei die Anwendungen in verschiedensten ingenieurwissenschaftlichen Bereichen im Vordergrund.


Schwerefeld der Erde
Schwerefeld der Erde
© R. Pail

Die mathematische Modellierung physikalisch-technischer Prozesse durch partielle Differentialgleichungen und ihre Diskretisierung durch finite Elemente erfordert eine in vielen Anwendungen zeitintensive Vernetzung des dreidimensionalen Rechengebietes zum Beispiel in Tetraeder. Die Transformation der partiellen Differentialgleichung in eine dazu äquivalente Randintegralgleichung verlangt im Gegensatz dazu nur eine Diskretisierung des Randes, die in der Regel einfacher zu erstellen und zu kontrollieren ist.

Die Technische Universität Graz verfügt über eine lange Tradition in der Anwendung von Randelementmethoden. Zu nennen sind hier insbesondere das Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik (Prof. Dr. W. Rucker, seit 1996 Universität Stuttgart) und das Institut für Baustatik (Prof. Dr. G. Beer). Durch die Neuberufungen von Prof. Dr. O. Steinbach (Institut für Numerische Mathematik) im Oktober 2004 und Prof. Dr. M. Schanz (Institut für Baumechanik) im Januar 2005 wurde dieses Forschungsgebiet deutlich gestärkt und ausgebaut. In dieser Übersicht soll auf verschiedene Aktivitäten und Entwicklungen von Randelementmethoden eingegangen werden und nach Möglichkeit neue Querverbindungen aufgezeigt werden.

Die Ursprünge von Randintegralgleichungen finden sich in der mathematischen Beschreibung elektrischer und magnetischer Felder durch Einfach- und Doppelschichtpotentiale als Lösungen der Laplace-Gleichung bzw. der Maxwellschen Gleichungen. Die unbekannten Dichtefunktionen können näherungsweise aus zugehörigen Randintegralgleichungen bestimmt werden, wobei lineare Gleichungssysteme mit vollbesetzten Systemmatrizen großer Dimensionen zu lösen sind. Bis zu seinem Wechsel an die Universität Stuttgart hat hieran vor allem W. Rucker am Institut für Grundlagen und Theorie der Elektrotechnik gearbeitet. Neben der direkten Simulation rückt die Lösung inverser Probleme dabei immer stärker in den Vordergrund.

Zu nennen sind hier insbesondere Methoden der Elektrischen Kapazitätstomografie und der Magnetischen Induktionstomografie Anwendungen finden sich sowohl in der Industrie, aber vor allem auch in der Medizin. An der TU Graz werden diese Verfahren zum Beispiel am Institut für Elektrische Messtechnik und Messsignalverarbeitung (B. Brandstätter) und am Institut für Medizintechnik (H. Scharfetter) entwickelt. In Kooperation mit dem Institut für Numerische Mathematik werden diese Methoden aktuell weiterentwickelt.

Am Institut für Baustatik (G. Beer) werden seit Jahren Randelementmethoden sehr erfolgreich zur Simulation der auftretenden Verformungen und Spannungen eingesetzt. Für die Modellierung im Halbraum bieten sich dabei Randintegralgleichungen an, da die Randbedingungen im Fernfeld explizit in die Formulierung eingehen.

Neben der Simulation elastischer Materialien wird momentan an der Entwicklung von Randelementmethoden für elastoplastisches Materialverhalten gearbeitet. Neben einer reinen Randelementformulierung eignen sich dafür auch gekoppelte FEM/BEM Formulierungen.

Zeitabhängige Randelementmethoden sind einer der Forschungsschwerpunkte am Institut für Baumechanik (M. Schanz). Neben den klassischen Anwendungen in der Akustik stehen hier zum Beispiel die Wellenausbreitung in poroelastischen Kontinua sowie die Entwicklung effizienter Randelementmethoden im Zeitbereich im Mittelpunkt.

Wirksamkeit von Schallschutzmaßnahmen
Wirksamkeit von Schallschutzmaßnahmen
© M. Schanz, G. Tröndle, S. Langer

Die mathematischen Grundlagen von Randelementmethoden und die Entwicklung effizienter Algorithmen werden am Institut für Numerische Mathematik (O. Steinbach) untersucht. Neben einer fundierten Analysis orientiert sich diese Arbeit vor allem an den Anforderungen der ingenieurwissenschaftlichen Kooperationspartner. Darüber hinaus bestehen eine Vielzahl von Kooperationen mit Anwendern an Universitäten und in der Industrie.

Neben den genannten Anwendungen gibt es in Graz eine große Anzahl weiterer Forschungsaktivitäten, die in den Bereich der Randelementmethoden bzw. verwandten Methoden fallen. Zu nennen sind hier insbesondere die Berechnung des Gravitationsfeldes sowie weitere Anwendungen in der Physik und in der Medizin. Neben den Forschungsaktivitäten an den Grazer Universitäten spielt natürlich die industrielle Anwendung von Randelementmethoden gerade im Bereich der Festkörpermechanik und Akustik eine wesentliche Rolle.

Deformation eines Relays
Deformation eines Relays
© O. Steinbach, S. Rjasanow

Aktuelle Forschungsthemen sind zum Beispiel die Entwicklung von Randelementmethoden für nichtlineares Materialverhalten bzw. Probleme mit anisotropen Koeffizienten. Zentrale Fragestellungen sind die numerische Integration singuläre Oberflächenintegrale und die Lösung der resultierenden linearen Gleichungsssyteme. Gerade in den letzten Jahren wurden hier erhebliche Fortschritte erreicht, insbesondere durch die Entwicklung schneller Randelementmethoden. Zu nennen sind hierbei vor allem die aus der Vielteilchenphysik stammende schnelle Multipolmethode sowie algebraische Approximationsmethoden zur effizienten Speicherung vollbesetzter Matrizen. Gerade die ursprünglich für Randelementmethoden entwickelten Hierarchischen Matrizen eignen sich für eine Vielzahl unterschiedlichster Anwendungen. Die Kompetenz der Grazer Forscher zeigt sich in einer Vielzahl aktueller Monografien und Lehrbücher sowie referierten Publikationen in internationalen Fachzeitschriften. Zu nennen ist hier insbesondere der gerade erschienene Sonderband Fast Boundary Element Methods in Industrial Applications der Zeitschrift Computing and Visualization in Science. Durch die Abhaltung interdisziplinärer Lehrveranstaltungen, Seminare und Kolloquien kann die bereits bestehende Zusammenarbeit in Graz verstärkt werden. Damit können insbesondere wichtige Impulse für die weitere Entwicklung leistungsfähiger Randelementmethoden gesetzt werden. Vom 10.-12. Juli 2006 wird in Graz das alle zwei Jahre stattfindende Kolloquium der International Association for Boundary Element Methods (IABEM 2006) veranstaltet. Organisiert wird diese interdisziplinäre Tagung von dem Institut für Baumechanik, dem Institut für Baustatik, dem Institut für Numerische Mathematik sowie dem Johann Radon Institut für Numerische und Angewandte Mathematik Linz (RICAM). Erwartet werden über hundert Teilnehmer aus der Mathematik und den verschiedensten Anwendungsgebieten.

Links:

Institut für Baumechanik www.mech.tugraz.at

Institut für Baustatik www.ifb.tugraz.at

Institut für Medizintechnik www.imt.tugraz.at

Institut für Numerische Mathematik www.numerik.math.tu-graz.ac.at

Institut für Navigation und Satellitengeodäsie www.inas.tugraz.at

Symposium IABEM 2006 www.iabem2006.tugraz.at