!!! Die Hand- und Institutsbibliotheken der Physikalischen Institute


! 1.1 Das l. Physikalische Institut

Im Zuge der Neuen Reformation von Kaiser Ferdinand l. war mit 1. Jänner 1554 die erste dauerhafte Lehrkanzel für das Fach Physik an der Universität Wien geschaffen worden. Der Jesuitenorden, dem 1623 in der Sanctio Pragmatica neben der Theologischen auch die Philosophische Fakultät der Universität übergeben wurde, begründete zur praktischen Unterstützung des Unterrichts das „Physikalische Kabinet", eine Art Museum, in dem diverse Werkzeuge und Maschinen ausgestellt wurden. Nach der Aufhebung des Ordens fiel dieses Museum im Jahre 1773 gemeinsam mit der Lehrkanzel wieder an die Universität. Nachdem die Lehrkanzel für Physik nebst dem Kabinet bis 1848 im Gebäude der Alten Universität untergebracht war, wurden die Vorlesungen ab dem Frühjahr 1849 im Theresianum abgehalten. Die Bestände des Kabinets wurden 1850 bzw. 1851 zum überwiegenden Teil an das neu geschaffene Physikalische Institut abgegeben. Erst mit der Übersiedelung der Lehrkanzel in das ehemalige Konviktsgebäude im Jahr 1855 kam es auch zu einer Wiederbelebung des Physikalischen Kabinets. In der Folge war es Viktor von Lang, der als Inhaber der Lehrkanzel von 1865 bis 1909 die Ausstattung des Kabinets derart vervollständigte, dass dort auch wissenschaftliche Arbeiten ausgeführt werden konnten.

Ab ca. 1870 änderte sich der Sprachgebrauch dahingehend, dass man unter der Bezeichnung „Physikalisches Cabinet" (mit C!) die Einheit aus Lehrkanzel und ursprünglichem Kabinet verstand. Das Cabinet in diesem Sinn übersiedelte 1875 in das Haus Türkenstraße 3. Im Zuge der Neuordnung des Physikstudiums im Jahr 1902 wurde es in „l. Physikalisches Institut" umbenannt und bezog unter diesem Namen im Jahre 1913 Räume im ersten und zweiten Stockwerk des neu errichteten Institutsgebäudes an der Ecke Boltzmanngasse/Strudlhofgasse.

[{Image src = 'viktor_von_lange_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/viktor_von_lange.jpg' caption = 'Viktor von Lang, bei der Arbeit in seinem Laboratorium, 1909' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='223' height='300' popup='false'}]

Der Beginn einer zur Lehrkanzel für Physik gehörenden Sammlung von wissenschaftlicher Fachliteratur lässt sich zeitlich nicht genau festlegen. Für die Zeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kann die Existenz einer eigenen Handbibliothek jedenfalls mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden. Dass Bücher zum Inventar des Physikalischen Kabinets gehört haben, ist gleichfalls unwahrscheinlich, weder Andreas Baumgartner in seiner Beschreibung des Lehr- und Forschungsbetriebes (1831) noch das Protokoll bezüglich der Aufteilung des Kabinets-Bestandes (1850/51) erwähnen solche. Zuständig für die Beschaffung der von der Lehrkanzel geforderten Literatur war offenbar allein die Universitätsbibliothek. So finden sich für diese Zeit in den Beständen der Universitätsbibliothek die wissenschaftlichen Werke und Lehrbücher der Lehrkanzelinhaber in ziemlicher Vollständigkeit, ebenso auch jene von ausländischen Autoren, die gleichfalls als Lehr- bzw. „Vorlesebücher" Verwendung fanden. Im Gegensatz dazu finden sich an der Zentralbibliothek für Physik als legitime Nachfolgerin der Literatursammlungen des l. Physikalischen Instituts und seiner Vorgängerinstitutionen diese Werke nur in Einzelfällen. Eigentumsvermerke aus früherer Zeit, die die Annahme rechtfertigen würden, dass es sich dabei um ehemalige Bestände einer vor 1850 existierenden Handbibliothek der Lehrkanzel für Physik handeln könnte, wurden bisher in keinem der an der Zentralbibliothek vorhandenen Bücher entdeckt.

Für den etwa Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anzusetzenden Beginn einer dem Physikalischen Cabinet eigenen Sammlung von Fachliteratur scheinen zwei Gründe maßgeblich gewesen zu sein: einerseits die räumliche Trennung des Physikalischen Cabinets von der Universität nach der Übersiedlung in die Türkenstraße und der damit verbundene erschwerte Zugriff auf die Bestände der Universitätsbibliothek, andererseits eine beträchtliche Anhebung der Dotation. So werden in dem 1875 erschienenen „Verwaltungs- und Zustandsbericht der kaiserlichen Universität Wien" unter den Lehrmitteln des Physikalischen Cabinets als Punkt 3 „die nöthigsten periodischen Fachschriften" angeführt. Eine gleich lautende Eintragung findet sich nochmals im Jahrbuch der
k. k. Universität Wien für das Studienjahr 1890/91, während die folgenden Jahrbücher keine diesbezüglichen Angaben mehr enthalten. Neben den erwähnten Periodika gehörten mit Sicherheit auch Monographien zum Bestand dieser Literatursammlung. Hinsichtlich ihrer Unterbringung kann vermutet werden, dass sie ähnlich mangelhaft war wie die von verschiedenen Seiten kritisierte Unterbringung des Cabinets selbst: Eine Fotografie, die Viktor von Lang 1909 in einem für Experimente eingerichteten Raum des Cabinets zeigt, lässt in diversen Wandschränken gelagerte Literatur erkennen. Ein eigener Bibliotheksraum dürfte wohl nicht zur Verfügung gestanden haben. Bei all ihren Mängeln und einem anscheinend nicht immer ungetrübten Verhältnis zur Universitätsbibliothek wurden derartige Literatursammlungen dennoch von den Institutsangehörigen sehr geschätzt. So vergisst auch Ernst Lecher, als er in seiner Festrede anlässlich der Feier zum 70. Geburtstag von Viktor von Lang auf die Bibliotheken zu sprechen kommt, nicht auf die Erwähnung der „wichtigsten unter ihnen, nämlich unsere ~[r~] Institutsbibliotheken".

[{Image src = 'bibliotheksraum_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/bibliotheksraum.jpg' caption = 'Bibliotheksraum, ausgestattet mit Lipmann-Wandregalen' style='float:right;margin:0px 0px 0px 15px;' width='300' height='192' popup='false'}]

Mit der Übersiedlung des l. Physikalischen Instituts vom Haus Türkenstraße 3 in den Neubau der Physikalischen Institute in der Boltzmanngasse/Strudlhofgasse erhielt die Literatursammlung einen eigenen, mit einem Lesezimmer verbundenen Bibliotheksraum im ersten Stock des Hauses, der „mit Patent-Lipmann-Wandregalen mit Schiebeleitern" ausgestattet war.

1920 wurde bei der Neuorganisation der Institute auch die Bibliothek des l. Physikalischen Instituts in die Überlegungen miteinbezogen: Gemäß Erlass des Bundesministeriums für Unterricht sollte sie ihre Bestände an die neu geschaffene „Zentralbibliothek der Physikalischen Universitätsinstitute" abtreten, was vorerst allerdings weitgehend unterblieb. So verzeichnet Robert Teichls Bibliothekenführer sowohl 1926 als auch 1929 weiterhin eine Institutsbibliothek des l. Physikalischen Instituts. Im Oktober 1928 erfolgte eine Bestandsaufnahme der Bibliothek. Noch 1934 wurde „bezüglich der
Ökonomisierung des Betriebes der vereinigten l. u. II. Physikalischen Institute" seitens der Fakultät die Zusammenlegung der Handbibliotheken beider Institute gefordert. Die Übergabe eines Großteils des Bestandes der Bibliothek an die Zentralbibliothek der Physikalischen Institute erfolgte erst 1946; der verbliebene Rest, in diversen Referenzen als Handbibliothek verzeichnet, wurde schließlich im Sinne der Bestimmungen des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 um 1980 an die Zentralbibliothek für Physik transferiert.

! 1.2 Das   II. Physikalische Institut

[{Image src = 'phy_instit_uni_wien_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/phy_instit_uni_wien.jpg' caption = 'Das Physikalische Institut der Universität Wien in Wien-Erdberg' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='300' height='214' popup='false'}]

Um den immer differenzierteren Arbeitsrichtungen der Physik in Forschung und Lehre besser entsprechen zu können, wurde im Jahr 1875 das „Physikalisch-Chemische Laboratorium" (ab 1891: „Physikalisch-Chemisches Institut") mit Sitz im Haus Türkenstraße 3 gegründet und Josef Loschmidt als dessen Vorstand eingesetzt. Die Dotation des Instituts ermöglichte von Beginn an eine gezielte Beschaffung von wissenschaftlicher Literatur, wobei neben einschlägigen physikalischen Werken auch solche aus den Fachgebieten Chemie und Mineralogie in die Sammlung aufgenommen wurden. So vermerkt das Jahrbuch der k. k. Universität Wien für das Studienjahr 1890/91 unter Punkt 3 des Abschnitts Lehrmittel „die nöthigs-ten periodischen Zeitschriften für Chemie, Physik und Mineralogie, sowie der brauchbarsten Handbücher aus diesen Fächern". Im „Adressbuch der Bibliotheken der Österreich-ungarischen Monarchie" (1900) von Johann Bohatta und Michael Holzmann finden sich ausführlichere Angaben über die Bibliothek: „300 Einzelwerke, 12 Zeitschriften. Jahresdotation: 300-400 Gulden. Vorstand: Prof. Dr. Franz Exner; Adjunct: Dr. Hans Benndorf. Inventar-Katalog. Benutzbar während des ganzen Jahres mit Ausnahme der Sonntage für die im Institute Arbeitenden. Ebenso Entlehnungen. Keine Versendungen."

[{Image src = 'thirring_bandkatalog_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/thirring_bandkatalog.jpg' caption = 'Dieser Zusatz zum Vorwort im systematischen Bandkatalog aus der Feder von Hans Thirring. dem Verwalter der Institutsbibliothek, beschreibt die Anordnung der Bücher in der 1913 bezogenen Bibliothek.' style='float:right;margin:0px 0px 0px 15px;' width='290' height='300' popup='false'}]

Im Rahmen der Institutsneuordnung des Jahres 1902 erhielt das Physikalisch-Chemische Institut den Namen II. Physikalisches Institut. Bei der 1913 erfolgten Übersiedlung in das neue Gebäude der Physikalischen Institute wurde die Bibliothek in einem eigenen Raum im dritten Stock, ausgestattet wie die übrigen Bibliotheksräume des Hauses mit Lipmann-Wandregalen, untergebracht. Als zweitgrößte Bibliothek der physikalischen Institute behielt sie, ähnlich wie die Bibliothek des l. Physikalischen Instituts, auch nach der 1920 erfolgten und im Folgenden noch eingehend erörterten Bibliotheksreform ihren weitgehend selbstständigen Status - auch innerhalb des Instituts selbst, wie aus der Existenz eines eigenen Bibliotheksstempels geschlossen werden kann. Im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme kam es 1939 zu einer Neubesetzung der Institutsleitung, gefolgt von einer „Umordnung des Bücherinventars", zu deren Hintergrund und Verlauf auch in den einschlägigen Quellen keine Angaben existieren. Die Kriegsereignisse des Jahres 1945 führten schließlich zu einer teilweisen Verlagerung des Bibliotheksbestandes: Ca. fünf Bände wurden jeweils zu einem Paket verschnürt, alles in insgesamt sechs Kisten verpackt, am 6. Februar 1945 nach Heiligenstadt verfrachtet und in der Folge nach Thumersbach bei Zell am See abtransportiert. Nach erfolgter Rückstellung kam der größte Teil des Bibliotheksbestandes an die neu gegründete „Zentralbibliothek der Physikalischen Institute". Der kleinere, am Institut zurückbehaltene Teil diente - mit gelegentlichen aktuellen Ergänzungen versehen - in der Folgezeit als Handbibliothek. Im Sinne der Bestimmungen des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 wurden schließlich auch diese Restbestände an die Zentralbibliothek transferiert.

[{Image src = 'isaac_newton_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/isaac_newton.jpg' caption = 'Isaac Newton: Optice, 1740' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='217' height='300' popup='false'}]

Ein interessantes Dokument zur Geschichte der Institutsbibliothek stellt ein bis heute erhalten gebliebenes, mit „Buchbinder" betiteltes Verzeichnis jener Druckwerke dar, die in der Zeit vom 10. Jänner 1899 bis zum 20. März 1920 von der Bibliothek zum Binden außer Haus gegeben wurden. Das Verzeichnis informiert nicht nur über die Buchbinderaufträge und damit den Bestand bzw. Zuwachs dieser Jahre, sondern auch über die für die Bibliothek verantwortlichen Institutsangehörigen. So finden sich darin unter anderem die Namen Benndorf, Haschek und Philipp von Peters, von dem besonders ausführliche Eintragungen aus der Zeit von 1913 bis 1915 und dann wieder ab 1919 stammen. Allgemeine Angaben über die Benützungsbedingungen der Bibliothek macht auch hier der von Teichl herausgegebene Bibliothekenführer. Die Bibliothek war nicht allgemein zugänglich, sondern der Benutzer bedurfte einer Einlasskarte. Eine Entlehnung von Literatur war nach Punkt 2 des „Auszugs aus der Bibliotheksordnung" grundsätzlich unmöglich.

! 1.3 Das Institut für Theoretische Physik

[{Image src = 'kasper_schott_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/kasper_schott.jpg' caption = 'Kaspar Schott, Magia universalis naturae et artis, 1657' style='float:right;margin:0px 0px 0px 15px;' width='264' height='300' popup='false'}]

Im Rahmen des Thun-Exner-Bonitz'schen Reformwerkes der Jahre 1848/49 war die Philosophische Fakultät den anderen Fakultäten gleichgestellt, die Schulzeit an Gymnasien von sechs auf acht Jahre erweitert und das Fach Physik in den Lehrplan der Gymnasien integriert worden. Das führte zu einem großen Bedarf an Physiklehrern mit Erfahrung im Umgang mit physikalischen Apparaten und Fertigkeiten im Experimentieren. Gleichzeitig hatte der Blick ins Ausland den Wunsch nach zeitgemäßer physikalischer Forschung laut werden lassen. Diesen beiden Zielen, der Heranbildung von praktisch geschulten Physiklehrern und zeitgemäßer Forschung, sollte ein Physikalisches Institut dienen. Seine Errichtung als integrierter Bestandteil der philosophischen Fakultät erfolgte nach Antrag des Ministeriums für Cultus und Unterricht mit a. h. Entschließung vom 17. Jänner und Erlass des Ministeriums vom 21. Jänner 1850. Zum Vorstand dieses Instituts, das in einigen (von Militär freien) Räumen der Alten Die Hand- und Institutsbibliotheken der Physikalischen Institute
Universität untergebracht wurde, war Christian Doppier ernannt worden. In den mit Erlass des Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 6. Mai 1850 gegebenen Statuten des Instituts heißt es hinsichtlich der Beschaffung der notwendigen Fachliteratur in § 7 unter anderem: „Wegen Herbeischaffung des literarischen Apparates hat sich der Vorstand des Instituts mit jenen der k. k. Universitäts-Bibliothek und der Sternwarte in's Einvernehmen zu setzen, und dann, wenn es nöthig ist, über das Erforderniss eines ausserordentlichen Beitrages einen besonderen Antrag zu machen."

[{Image src = 'astro_jahrbuch_1804_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/astro_jahrbuch_1804.jpg' caption = 'Astronomisches Jahrbuch, 1804' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='178' height='300' popup='false'}]

Die gleichfalls in diesem Paragraphen präzisierte Art der Benützung der Universitätsbibliothek durch die Institutszöglinge, auch „Eleven" genannt, wurde mit Schreiben des Statthalters für Mieder-Österreich vom 28. Mai 1850 dem damaligen Vorsteher der Universitätsbibliothek Wien zur Kenntnis gebracht: „Die Art der Benützung der Bibliothek der k. k. Universität und jener der Sternwarte durch die Institutseleven ist dem Übereinkommen des Institutsvorstandes mit dem Bibliothekar, und dem Director der Sternwarte überlassen; nur ist jedenfalls bei dem Entlehnen von Büchern an die Eleven nach Hause die Vorsicht zu beobachten, dass kein Buch hinausgegeben werde, ausser gegen ein Recepisse des Eleven, welches von dem Vorstand des phys. Inst, vidiert ist, wodurch der Empfänger als Inst. Zögling, und das Buch für ihn als solchen, als ein Bedürfniss erklärt ist. Ferner ist jedes Buch nur auf einen Monat zu entlehnen. Am Schlüsse dieses Termi-nes ist der Empfänger durch einen Bibliotheksdiener, wenn es nicht eingegangen ist, zu mahnen, welchem von dem
Empfänger, gegen Abgabe des Mahnzettels, eine Gratification von 12 Kreuzern C. M. für den Gang auszuzahlen ist. Bedarf der Entlehner ein Buch durch längere Zeit als einen Monat, so hat er die Verlängerung am Schlüsse eines jeden Monates, in dem er das Buch zurückstellt, anzusuchen; den stipendirten Eleven endlich oder jenen, welche ausserordentliche Unterstützungen erhalten, ist ihre Quittung am Ende jedes Semesters nicht eher von dem Vorstande zu coramisiren, bis die unversehrte Rückerstattung aller von dem betreffenden Eleven ausgeliehenen Bücher bestätiget wurde. Im Falle dass diese Bestätigung nicht erfolgt, haftet der den Eleven angewiesene Betrag für den der Bibliothek zugefügten Schaden, und wird zu dessen Ersätze verwendet."

[{Image src = 'physik_1799_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/physik_1799.jpg' caption = 'Annalen der Physik, 1799' style='float:right;margin:0px 0px 0px 15px;' width='177' height='300' popup='false'}]

Wie aus den Akten des Ministeriums für Cultus und Unterricht hervorgeht, machte Christian Doppier von der ihm in den Statuten gebotenen Möglichkeit, einen Antrag auf einen außerordentlichen Beitrag zur Literaturbeschaffung zu stellen, bereits am 18. August 1850 Gebrauch. In dem mit diesem Datum dem Ministerium für Cultus und Unterricht überreichten Gesuch bat Doppier zwecks „Creirung einer kleinen Handbibliothek" (s. Anhang A und B ) um Folgendes:

# die Überlassung von fachspezifischen Dubletten der Bibliothek des Polytechnischen Instituts;
# einen Betrag von 502 Gulden und 25 Kreuzer für die Anschaffung von ergänzender Literatur;
# eine jährliche Pauschalsumme von 120 Gulden zur Nachbeschaffung notwendiger Werke.

Im Schreiben des Ministeriums für Cultus und Unterricht an das „philosophische Professoren-Collegium der Wiener Universität" vom 27. August 1850 wurde sowohl die Überlassung der Dubletten der Bibliothek des Polytechnischen Instituts als auch der für die Anschaffung von ergänzender Literatur geforderte Betrag bewilligt, eine fixe jährliche Dotation zur Literaturanschaffung wurde allerdings abgelehnt.

Entsprechende Anweisungen seitens der Statthalterei erfolgten am 21. September 1850 einerseits an die Philosophische Fakultät, andererseits an die Direktion des k. k. Polytechnischen Instituts. Letztere beauftragte ihrerseits den Bibliotheks-Custos Georg Anton Martin, „mehrere in der Institutsbibliothek doppelt vorhandene überflüssige Werke dem physikalischen Institute an der Universität zur Creirung einer kleinen Handbibliothek zu übergeben und zwar gegen eine von Herrn Professor Doppier zu erfolgende Empfangsbestätigung".

Das von Custos Martin mit Datum vom 15. Jänner 1851 zusammengestellte „Verzeichniss der an Herrn Professor Doppier aus der Bibliothek des k. k. polyt. Instituts übergebenen Dupplikate" enthält 33 Titel, insgesamt an die 363 Bände. Deren Empfang wurde von Doppier am 28. Jänner 1851 bestätigt. Mit Bezug auf dieses Verzeichnis war es Custos Martin möglich, im Schreiben vom 18. Februar 1851 der Direktion des Polytechnischen Instituts „die geziemende Anzeige zu machen, daß er nach vollbrachter Übersiedelung der Bibliothek alle überflüssigen im neuen Bibliothekskatalog nicht mehr aufgenommenen Dupplikate, laut beifolgendem Verzeichnisse, an Herrn Prof. Doppier übergeben habe". Ein Teil dieser Duplikate - es handelt sich dabei um die Signaturen 3187 bis 3267 des von Martin stammenden Verzeichnisses - stammt aus dem Nachlass von Benjamin Scholz (1786-1833). So vermerkt Johann Ph. Neumann, der Vorgänger von Custos Martin, hinsichtlich des Zuwachses an Büchern im Studienjahr 1834: „... von No 3187 bis 3321 sind der Bibliothek zugewachsen durch ein Vermächtnis von Dr. Benjamin Scholz, ehemaligem Professor der allgemeinen Chemie, nachherigem Regie-rungsrathe und Director der k. k. Porzellanfabrik."

[{Image src = 'doppler_unterschrift_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/doppler_unterschrift.jpg' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='200' height='74' popup='false'}]

Die Ausscheidung der Duplikate ist somit im Rahmen des Neubezugs diverser Räumlichkeiten durch die Bibliothek des Polytechnischen Instituts um 1849 zu sehen. Wie von Custos Martin betont, wurden die durch die Dublettenabgabe frei gewordenen Signaturen in der Folge neu vergeben; dies zeigt auch ein Blick in den Bibliothekskatalog von 1850. Die zu diesem ursprünglichen Fundus zählenden Werke sind im Inventar der Zentralbibliothek für Physik in Wien durch Signaturen zwischen 1 und ca. 150 charakterisiert und weisen zum Teil auch heute noch die damaligen Eigentumsvermerke der Bibliothek des Polytechnischen Instituts bzw. Doppiers handschriftlichen Eigentumsvermerk auf.

Der Grundbestand der Handbibliothek des k. k. Physikalischen Instituts setzt sich somit zusammen:
# zum überwiegenden Teile aus den von der Bibliothek des k. k. Polytechnischen Instituts stammenden Bänden,
# aus den um den bewilligten Betrag von ca. 502 Gulden getätigten Neuanschaffungen (siehe Anhang B ) sowie
# aus Werken aus dem Eigentum von Doppier selbst - so findet sich ein derartiger handschriftlicher Eigentumsvermerk von Christian Doppier auf der Innenseite des Buch-Vorderdeckels des Astronomischen Jahrbuches für das Jahr 1781.

Bei späteren Instituts- bzw. Seminargründungen wurde dem Erfordernis einer zugehörigen Handbibliothek bereits in den jeweiligen Statuten Rechnung getragen. So heißt es etwa im § 9 des Statuts des 1873 gegründeten „Historischen Seminars der k. k. Universität Wien": „Für die Bedürfnisse des historischen Seminars ist eine Handbibliothek und eine Kartensammlung unter besonderem Reglement zur Verfügung gestellt ..." Und im § 6 des Provisorischen Statuts des gleichfalls 1873 geschaffenen „Mathematischen Seminars" ist zusätzlich eine jährliche Dotation zur Erhaltung der angeschlossenen Handbibliothek fixiert: „Zum Gebrauche für die Übungen im Seminar sowie für die Studien und Arbeiten der Mitglieder wird eine Handbibliothek der besten mathematischen Schriften angelegt und erhalten, deren Benützung unter Aufsicht der Leiter den Mitgliedern des Seminars gewährt wird. Zu diesem Behufe wird eine Dotation von jährlich 200.- fl. ö.W. bewilligt, welcher auch die etwa nicht zur Verteilung kommenden Stipendienbeiträge zufließen."

Um dem drückenden Platzmangel in der damals hauptsächlich von Militär bevölkerten Alten Universität zu entgehen, übersiedelte das Physikalische Institut im Herbst 1851 nach Wien-Erdberg. Trotz des miserablen baulichen Zustandes des Quartiers dürfte sich dieser Umzug in zweifacher Hinsicht positiv auf die weitere Entwicklung der Bibliothek ausgewirkt haben: Einerseits ermöglichte die bessere räumliche Situation die quantitative Entfaltung der Bibliothek, andererseits waren die Angehörigen des Instituts durch die vergrößerte Distanz zur Universitätsbibliothek bzw. zur Bibliothek der Sternwarte mehr denn je auf „ihre" Institutsbibliothek angewiesen. Für die qualitative Entfaltung der Bibliothek scheint hingegen von Bedeutung gewesen zu sein, dass Andreas von Ettingshausen, seit 1853 Nachfolger von Doppier, es ab 1861 einer Reihe von bereits promovierten oder auch habilitierten Forschern ermöglichte, die Einrichtungen des Physikalischen Instituts für ihre weiteren wissenschaftlichen Arbeiten zu benützen. Somit wurde die Bibliothek des Instituts von einer Hilfsbiblio-thek für die Ausbildung von Lehramtskanditaten zu einem echten wissenschaftlichen Instrumentarium; ihre Bedeutung, etwa für den wissenschaftlichen Werdegang eines Loschmidt, kann nicht unerwähnt bleiben.

Erstmals erwähnt wird die Bibliothek unter Angabe ihres Bestandes im Verwaltungs- und Zustandsbericht der kaiserlichen Universität Wien für die Studienjahre 1873/4 und 1874/5. Hier findet sich unter „Physikalisches Institut" die Eintragung: „Fachbibliothek, enthaltend 460 Werke in 1820 Bänden". 1890 beträgt der Bestand „712 Werke in 2510 Bänden", ab dem Studienjahr 1891/92 wird im Jahrbuch der Universität Wien auf eine detaillierte Aufführung der Lehrmittel verzichtet. In der „Geschichte der Wiener Universität von 1848 bis 1898" wird für das Physikalische Institut die „Ansammlung einer Fachbibliothek" erwähnt, „welche gegenwärtig 863 Nummern in 3132 Bänden zählt und sehr vollständig ist".

Einen zusammenhängenden Überblick über den Bestandsaufbau ab dem Jahre 1867 bietet eine von Bibliotheksleiter Robert Chorherr um 1950 zusammengestellte Tabelle. Möglicherweise basiert diese Darstellung auf dem alten, noch von Doppier stammenden Inventar des k. k. Physikalischen Instituts. Hinsichtlich der oben genannten Bestandsangaben weist diese Tabelle punkto Inventarnummern (= Zahl der Werke) Übereinstimmung auf, in Bezug auf die Bandzahl sind beträchtliche Differenzen zu beobachten.

! 1.3.1 Die Institutsneuordnung des Jahres 1902 und ihre Folgen

[{Image src = 'chimie_1801_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/chimie_1801_small.jpg' caption = 'Annales de Chimie, 1801' style='float:left;margin:0px 15px 0px 0px;' width='170' height='300' popup='false'}]

Mit dem Bemühen, Ludwig Boltzmann 1893 aus München nach Wien zu berufen, gingen Bestrebungen Hand in Hand, den theoretischen Unterricht der Physik (mathematische Physik) vom praktischen Teil (Experimentalphysik) zu trennen und die Kompetenzen der drei zu dieser Zeit an der Wiener Universität mit Physik befassten Institutionen neu zu ordnen. Dies führte schließlich zur Instituts-Neueinteilung des Jahres 1902, nach der sich das Physikalische Institut in das Institut für Theoretische Physik wandelte, als dessen Leiter Ludwig Boltzmann eingesetzt wurde. Es wurden ihm dabei die benötigten Instituts- und Bibliotheksräume zur Verfügung gestellt, wogegen er von der Abhaltung praktischer Übungen enthoben bleiben sollte. Das Inventar des ehemaligen k. k. Physikalischen Instituts, die Dotation und die Hilfskräfte wurden unter den drei neu formierten Instituten aufgeteilt.

Für die weitere Entwicklung des physikalischen Bibliothekswesens an der Wiener Universität scheint die Errichtung des Instituts für Theoretische Physik von ausschlaggebender Bedeutung zu sein: War doch hiermit ein physikalisches Institut geschaffen, das, im Wesentlichen frei von apparativen Bedürfnissen, seine nicht unbeträchtliche Dotation weitgehend in die Bibliothek als einzig benötigtes Instrumentarium investieren konnte. Nicht ohne Ironie charakterisierte diesen Sachverhalt der Experimentator Felix Ehrenhaft Jahre später mit der Bemerkung, „daß ein Theoretiker nur eine Bibliothek und sein Zimmer braucht..."

Die Schaffung eines physikalischen Instituts mit ausgeprägt theoretisch-mathematischer Zielsetzung, das in seiner Forschungsarbeit nicht an experimentelle Einrichtungen und an die kostspielige Anschaffung von Anlagen und Materialien gebunden ist, scheint letztlich auch für die unterschiedliche Entwicklung des chemischen bzw. des physikalischen Bibliothekswesens an der Universität Wien im 20. Jahrhundert verantwortlich zu sein. Bis ca. 1900 waren die diesbezüglichen Bedingungen bei den Studienfächern Chemie und Physik annähernd gleich: Jedes Fach verfügte über bis zu drei Unterabteilungen (Institute, Laboratorien), die ihrerseits mehr oder weniger große Sammlungen von Fachliteratur aufwiesen. Die Errichtung eines chemischen Instituts mit einer ähnlich theoretisch-mathematischen Programmatik wie jene des Instituts für Theoretische Physik schien - zumindest für die damalige Zeit - undenkbar.

So blieben die Bibliotheken der Chemischen Institute bis heute de facto Handbibliotheken der zugehörigen Abteilungen und dienen in diesem Sinn primär der Unterstüzung der experimentellen Arbeit in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Die Bibliothek des Instituts für Theoretische Physik hingegen entwickelte sich dank der auf die Regelung des Jahres 1902 zurückgehenden Sonderstellung des Instituts zu einer derartigen Bedeutung, dass sie schließlich nicht nur die Bibliotheken des l. bzw. II. Physikalischen Instituts im Hause absorbierte, sondern in zunehmendem Maß auch für die Literaturversorgung diverser anderer Institute und Institutionen Bedeutung erlangte, wie noch zu zeigen sein wird.

! 1.3.2 Vom Bezug des Institutsneubaus 1913 bis zum Jahr 1920

[{Image src = 'chimie_1807_small.jpg' link='Kunst_und_Kultur/Bücher/Österreichische_Zentralbibliothek_für_Physik/Kapitel_1/chimie_1807.jpg' caption = 'Annales de Chimie, 1807' style='float:right;margin:0px 0px 0px 15px;' width='167' height='300' popup='false'}]

Der Umfang und die wachsende Bedeutung der Bibliothek des Instituts für Theoretische Physik zeigten sich bereits 1913 bei Bezug des neuen Gebäudes der physikalischen Institute, wo ihr im vierten Stock zwei relativ große Räume, ausgerüstet mit Lipmann-Wandregalen aus Eisen, zugewiesen wurden. Zusätzlich stand ein eigenes Zeitschriftenzimmer zur Verfügung, das von den beiden Bibliotheksräumen durch einen Seminarraum getrennt war.

Über die Aufstellung der Bestände heißt es im Zusatz zum Vorwort des systematischen Bandkatalogs:

„Die Anordnung der Bücher in der Bibliothek ist in der folgenden Weise getroffen worden:
Die Werke sind im allgemeinen in der arithmetischen Folge ihrer Inventarnummern aufgestellt und zwar an der rechten und an der Rückwand des ersten Zimmers von links nach rechts laufend. Separat aufgestellt sind jedoch

# die Zeitschriften;
# die Werke der folgenden Autoren:
Boltzmann, Helmholtz, F. u. C. Neumann, Kirchhoff,
Poincare, W. Thomson, J. J. Thomson, L. Euler;
# die Bände der Sammlungen ,Die Wissenschaft', ,Scientia', Edition Jahnke ,Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften';
# die Kataloge und Wörterbücher;
# die physikalischen und mathematischen Tabellenwerke."

Anlässlich der Übersiedlung wurde mit der Neuanlage eines Bibliotheksinventars begonnen, das auch heute noch von der Zentralbibliothek für Physik weitergeführt wird. Aus der Zeit vor der Übersiedlung stammen sowohl der gleichfalls noch in Verwendung stehende Nominalkatalog in Kartenform wie auch der bereits erwähnte systematische Katalog in gebundener Form.

Ein Teil der Eintragungen dieser Kataloge wie auch des Inventarverzeichnisses kann auf Grund der Handschrift dem damaligen Assistenten und späteren Vorstand des Instituts für Theoretische Physik, Hans Thirring, zugeordnet werden. Laut seinen eigenen Angaben „hatte das theoretische Institut damals nur einen einzigen Assistenten und der war gleichzeitig der Verwalter der Institutsbibliothek".

Darüber hinaus führte er in den Jahren von 1911 bis 1920 auch das Rechnungsbuch des Instituts, das dank detaillierter Eintragungen den Anteil der für die Bibliothek getätigten Ausgaben am Gesamtbudget erkennen lässt.

Für das Jahr 1911 ergeben sich z. B. folgende Relationen: 

* Ausgaben für Buchbinder, Bücher und Zeitschriften: ca. 35 % des Jahresbudgets
* Gehalt des Institutsdieners: ca. 27 % des Jahresbudgets 
* Telefongebühren etc.: ca. 7 % des Jahresbudgets 
* Ausgaben für Apparate, Werkstattutensilien usw.: ca. 31 % des Jahresbudgets.

Nach Wegfall der Personalauslagen beträgt im Jahresab-schluss 1919/20 der Anteil der Auslagen für die Bibliothek (Kosten für Buchbinder; Anschaffung von Büchern und Zeitschriften) bereits 89 % des Jahresbudgets des Instituts für Theoretische Physik.

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''© Bild und Text [öster. Zentralbibliothek für Physik|https://bibliothek.univie.ac.at/zb-physik-fb-chemie]''

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