!!!Almabtrieb - Das Erntedankfest der Almbauern

[{Image src='alm_abtrieb.jpg' class='image_left' caption='„Aufgekränzter Almabtrieb": Haller-Alm bei Bad Goisern.' height='400' width='368'}]   
Genau beobachten Sennerin und Bauer die Weidegründe und wohl auch deren natürliche Pflanzengesellschaft. Solange der Hahnenfuß, die „Schmalz-bleaml" (Butterblumen) und das „Manterlkraut" (der Frauenmantel) blühen, gibt es noch genug gutes Futter auf der Alm. Wenn aber der „Milchdieb" (der Augentrost) auftaucht, dann geht die Milch zurück. Auch die vielen blauen Blütchen der Glockenblumen sind nicht sehr erwünscht, und so lautet der diesbezügliche Spruch: „A jeds Gleckerl (Blütenglöcklein) nimmt an Tropfn Milch!" Die „Milchdiapn" (Augentrost) erscheinen ab dem Jakobstag („Joggas-Tag"), und so macht man auch die Kalenderheiligen für den Milchrückgang verantwortlich:

 
''„Der Jockel tuat kostn,

da Lenz tunkt in Boscht (Bart) ein,

und der Baschtl (Bartholomäus) fallt ganz drein."''

Während sich also der heilige Jakobus noch damit begnügt, die Milch zu kosten und so einen Teil wegnimmt, taucht der Laurentius schon seinen Bart hinein, und der Bartholomäus fällt gar in das Milchschaff.

Der wichtigste Almfeiertag ist auch heute noch der Jakobstag, der 25. Juli, in anderen Gegenden der 26. Juli, „Anna", bzw. das Wochenende danach. Zum Jakobstag oder am „Anna-Sonntag" gehen jung und alt auf die Alm, und dort geht es dann lustig zu, da wird gesungen und getanzt.

Die Almabfahrt, wie der Almabtrieb auch heißt, geht nachweisbar auf sehr frühe Ursprünge zurück. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich der Brauch entwickelt, das Vieh „aufzukränzen", d.h. mit bunten Kränzen und Flitter zu zieren. Dieser Schmuck war ursprünglich sowohl beim Auf- als auch beim Abtrieb üblich, und dies ist in Ansätzen gegendweise auch heute noch so geblieben, obwohl meist nur der Almabtrieb festlich begangen wird. Es ist eine weitverbreitete und unausrottbare Irrmeinung, daß das „Aufkränzen" ein Schutz gegen böse Geister war und ist. Dem kann man folgendes entgegenhalten:

Erstens war es seinerzeit (bis ins frühe 19. Jahrhundert) Brauch, nur die Leitkühe, den Stier und den Glockenochsen zu schmücken. Alle anderen wären also den Dämonen ausgeliefert gewesen.

Zweitens werden die Kühe in Jahren, in denen es auf der Alm oder am Hof bereits ein Unglück gab, nicht aufgekränzt.

Drittens wird bei besonders steilen und gefahrvollen Wegen der Schmuck von der Sennerin im Korb getragen, damit die Tiere freie Sicht haben.

Schon lange vor dem Almabtrieb müht man sich darum, den festlichen Schmuck für die Heimfahrt vorzubereiten. In manchen Gegenden wird noch ein sehr ursprünglicher Schmuck aus Speik, Almrausch, Wacholder, Zirben- und Fichtenzweigen angefertigt. Häufig wird aber heute sehr viel mit buntem Kreppapier, mit Flitterwerk usw. geschmückt.

In den letzten acht Tagen vor dem Abtrieb hielten die Almleute in manchen Gegenden die sogenannte „Schoppwoche" ab, in der es lustig zuging, wenig gearbeitet, dafür aber um so mehr gegessen und getrunken wurde. Es hat dies mit der alten „Abschlußrast" am Ende der Sommerzeit zu tun. Besonders in Tirol war es üblich, die letzte Nacht auf der Alm - dort „Grunacht" genannt - feuchtfröhlich zu feiern. Auf einigen Almen der steirischen Sölktäler geschieht dies heute noch.

Die erste urkundlich belegte Erwähnung vom Schmücken des Almviehs stammt aus einem Pustertaler Inventar von 1746; der Brauch ist aber sicherlich wesentlich älter.

!!Es wird „aufgekränzt"

[{Image src='alm_abtrieb_froeh.jpg' class='image_right' caption='Fröhlicher Almabtrieb im Bregenzerwald.' height='300' width='165'}]    

Besonders schön „aufgekränzt" wird die „Glockkuh", die zur Heimfahrt wieder die schwere, große Fahrglocke oder „Pumpel" trägt, während oft eine zweite Glockkuh mit der kleineren „Weideglocke" („Woad-glockn") geht. Die „Glockkuh" ist immer eine erfahrene, ältere Kuh, die auch die Angewohnheit haben muß, den Kopf richtig zu heben und zu senken, damit die Glocke richtig klingt. Diese Leitkuh ist sich beim Almabtrieb zweifellos ihrer Würde bewußt. Mehreren Tieren wird über die Hörner ein tütenförmiger Schmuck, die „Hörnerschoad" (Hörnerscheide), gezogen. Vorne tragen sie, häufig mit einem Spiegel verziert, das „Stirnbörtl". Und der „Glockriam" ist mit dem „Halsbörtl" geschmückt. Kunstvoll zurechtge-schnittene und gefaltete Papierstreifen auf den Börteln, lange, flatternde Bänder an den Hornspitzen lassen die Kühe stolz einherschreiten. Den Kälbern wird ein Kranz um den Hals gelegt, und selbst die Ziegen werden ein bißchen geschmückt.
 
Ist aber auf der Alm ein Stück Vieh abgestürzt oder sonstwie umgekommen, so fällt der Schmuck meist ganz weg, und höchstens die Glockkuh trägt eine bescheidene Zier. Wenn jedoch im Verlauf des Jahres von den Bauersleuten jemand gestorben ist, dann tragen die Tiere in manchen Gegenden Österreichs Trauerschmuck, schwarze, blaue oder violette „Klagkränze". Beim Tod eines Kindes wurde früher nur eine Kuh dunkel aufgekränzt. Die Klagkränze werden übrigens über Generationen hinweg im Haus aufbewahrt.
 

Wenn starker Schneefall zu überstürzt früher Heimfahrt zwingt, dann kann die Sennin meist nur einige Kühe ein wenig schmücken, denn für das „Aufkränzen" der Herde bleibt keine Zeit.

[{Image src='heimweide.jpg' class='image_left' caption='Nach dem Almabtrieb auf der Heimweide. - Der schöne Schmuck der Leitkuh wird daheim abgenommen und für das nächste Jahr aufbewahrt.' width='400' height='298'}]

Ging früher ein Stier im festlichenZug mit, so trug er einen stattlichen „Stierboschn" oder „Stiergrössing". Auf einem kleinen Holzjoch wurde ein Fichtenbäumchen, eine kleine Zirbe oder ein Wacholder (Kranawett) angebracht, an dem farbige Bänder flatterten. Das Festbäumchen kam dann daheim an den Brunnenständer oder über die Stalltür und blieb dort über die Tage hinaus, in denen der „Weihnachtsgrös-sing" am Tor die Weihnachtszeit ankündigte.

Der Stier trug früher manchmal eine „streberne" (aus Stroh geflochtene) Glocke an einem „strebernen Riam" (Riemen), in der ein hölzerner Klöppel schwang. An vielen Orten geleitete ihn der „Stiertreiber". Das war ein Almhalter oder Knecht, dem die Sennin Bärlapp und grüne Blätter auf das Gewand nähte und der vom Kessel Ruß holte, um sich Gesicht und Hände zu schwärzen, wodurch er unterwegs zum Schrecken der Weiberleut wurde. Den Abschluß des Zuges bildete früher einmal gelegentlich ein sogenannter „Protzwagen", der mit Reisig, Zirbenkränzen und Flitter geschmückt war und das reinlich gescheuerte Almgerät und die gewonnenen Käse- und Buttermengen barg. Manchmal schlössen sich diesem Zug noch mehrere andere Wagen an. Näherte sich die Kolonne dann dem Heimhaus, so wurde sie von den Daheimgebliebenen festlich mit Böllerschüssen, Musik und im Salzburgischen auch mit Peitschenknall, einem Rest alter Unhol-denabwehr, empfangen.


!!Sautreiber und Säuling

[{Image src='sautreiber.jpg' class='image_right' caption='„Sautreiber" (Almabtrieb Donnersbach, Stmk.)' width='184' height='450' popup='false'}] 

Den Almabtriebszug begleitete früher häufig der „Sautreiber". Wo er ein weibliches Wesen erspähte, das den festlichen Zug ansehen wollte, suchte er es zu haschen und zu schwärzen. Aus seiner Tasche teilte er aber „Raunkerln" (Almabtriebsgebäck) aus, und seine Stimmung hob sich unterwegs wohl durch den ständig angebotenen Schnaps. In den Eisenerzer Alpen nennt man das Almabtriebsschmalzgebäck „Säuling".
 

Der „Ahrisäuling" ist einem Faschingskrapfen ähnlich. Wenn die Sennerinnen mit ihren Tieren das Dorf erreichen, dann haben besonders früher die aufgereihten Dorfbewohner alle nach dem Säuling gefragt. - Auch heute wird diese Sitte noch, in etwas eingeschränktem Umfang, aufrechterhalten.

Woher kommt die Bezeichnung „Säuling"? Besonders beim Almabtrieb verursachten früher, aber auch heute noch die Schweine, die man zur teilweisen Buttermilchverwertung auf der Alm mithatte, Probleme. Ihr Abtrieb war immer mit großen Strapazen verbunden, sie gingen über keine Brücke und mußten darübergetragen werden; entdeckten sie unterwegs Wasser, so suhlten sie sich darin und wurden kaum wieder herausgebracht, und so machten sie zehnmal mehr Mühe als die Rinder. Aber weil schließlich doch immer wieder alles gutging und alle Tiere ihre Heimathöfe erreichten, taufte man die Schmalzkrapfen zur Erinnerung an die doch eher lustigen Begebnisse beim „Schweinealmabtrieb" eben „Säulinge".
 

!!Almnudeln, Fedlkoch und Almraunkerln

Eine interessante und auch „nahrhafte" Sitte zum Almabtrieb sind die verschiedenen „Brauchtumsgebäcke":

Ist der Sommer ohne „Unreim", d.h. ohne Unglück beim Vieh durch Krankheit, Absturz usw. glücklich vorbei, so daß es zur freudig-festlichen Almabfahrt kommt, so hat die Sennin nicht nur einen großen Wäschkorb von „Fedlkrapfen" für die Erwachsenen, sondern auch ein Körbl „Schnurausbeerla" für die Kinder zu backen.

Die Schnurausbeerla werden aus den von den Fedlkrapfen rundum abgeschnittenen Teigresten gemacht. Man knetet diese zusammen, rollt lange, fingerdicke Würste, die „Schnüre", daraus und schneidet mit Messer oder Schere lauter kleine, dreieckige Zipferln, die „Beerla", davon herunter, legt sie auf ein Sieb und taucht sie mit diesem ins heiße Schmalz zum Backen.

Jeder Erwachsene, der dem fröhlichen Heimzug des Almviehs begegnete, erhielt früher zwei Fedlkrapfen, jedes Kind eine Handvoll Beerla, ebenso jeder Erwachsene und jedes Kind des Heimhofes.

Jeder, der die Sennin im Sommer auf der Alm besucht und ihr, wie üblich, für die Bewirtung ein kleines Gastgeschenk - ein Kaffeehäferl, ein Kopftüchl usw. - mitbringt, wird ebenfalls mit zwei Fedlkrapfen bedacht. Am Tag nach der Heimfahrt ist die Sennin unterwegs, um diese Brauchtumsschuld an Krapfen abzutragen.

Auch das „Fedlkoch" wird, wie das „Weinbeerlkoch", von der Sennerin zur Almabfahrt gekocht, oft schon acht Tage im voraus gemacht (bei Gebrauch mit etwas Milch aufgewärmt) und als Bewirtungskost und als Gabe für jeden in der Hofgemeinschaft des Heimhauses verteilt („fedeln, feteln" heißt in der Obersteiermark soviel wie „mit Hab und Gut übersiedeln").

Vielfach werden beim Heimfahren auch Almraunkerln verteilt; nachstehend das Rezept:

''„Almraunkerln " oder „Rumpelnudeln":''

1.000 g Mehl, 200 g Butter, 200 g Zucker, 1/4 l saurer Rahm, Prise Salz, Zimt, Backfett
 

Aus den Zutaten einen Mürbteig bereiten, nach dem Rasten auswalken, mit einem Ausstecher („Raunkerlmodel") Herzformen ausstechen oder von einer Teigrolle fingerdicke „Nudeln" abschneiden und diese in heißem Fett backen.
 

!!Schabab-Schiwou-Sträußerln

[{Image src='nudeln.jpg' class='image_left' caption='Almraunkerln, Fedikoch und Almnudeln - die speziellen „Brauchtumsspeisen" beim Almabtrieb (Mößna/Großsölk, Stink.)' width='250' height='217'}] 
 

Zum Almabtrieb in den Eisenerzer Alpen binden die Sennerinnen mit bunten Bändern geschmückte Alm-kräutersträußchen, welche allen Besuchern, die zum Abtrieb auf die Alm heraufkommen, überreicht werden. Hievon gibt es zwei Gattungen: ein normales Sträußerl und ein anderes, in welches das „Schiwoukräutel" hineingebunden wird. Dieser Begriff „Schiwou" ist eine Verballhornung der Bezeichnung „Schabab", die sich auf abschaben, geringer werden, nachlassen, im speziellen auf das Nachlassen der Milchleistung bei den Kühen bezieht. Verantwortlich für das Versiegen der Milch ist dieses bestimmte Kräutl, das hier in den Eisenerzer Alpen eben Schiwou-Kraut genannt wird. Es handelt sich um das Bärenkreuzkraut, das zur Familie der Kreuzkrautgewächse gehört, nur auf Kalkuntergrund gedeiht und im Hochsommer kräftig gelb blüht. Dieses Schiwousträußerl erhalten beim Almbesuch nun „boshafterweise" jene Männer überreicht, bei denen angeblich „nichts mehr los" ist, oder solche, die sich den Sennerinnen gegenüber allzu spröde verhalten haben.


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