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Inge Friedl: Wie's früher war#

Bild 'Friedl'

Inge Friedl: Wie's früher war. Vom Leben auf dem Land. Styria Verlag Wien - Edition Oberösterreich 2010. 160 S., zahlreiche Abb. € 24,95

Das Buch erzählt in Bild und Text vom Leben in den Dörfern vor 50 bis 70 Jahren. Der Fundus an alten Fotos geht auf eine Aktion der "OÖ Nachrichten" zurück. Viele Leser schickten ihre Bilder an die Redaktion, einige Familien stellten ganze Alben zur Verfügung. Die Texte dazu schrieb die Museumspädagogin Mag. Inge Friedl: "Ich durfte für dieses Buch in vielen Häusern und Stuben in Oberösterreich zu Gast sein und mir von der alten Zeit erzählen lassen." Die alte Zeit, stellt die Autorin fest, war keineswegs immer und für alle eine gute: "Es spielte eine große Rolle, ob man als Bauer und Bäuerin oder als 'Dienstbot' … hineingeboren wurde. Die Magd, die ihr uneheliches Kind kaum versorgen konnte, der alte Einleger, der tageweise von Hof zu Hof ziehen musste, und die vielen Taglöhner und 'Fechter' (Bettler), die zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben hatten - auch diese Menschen gehören zum Bild der 'alten Zeit'." Obwohl im Vergleich von einst und jetzt manches verklärend bis belehrend klingt, ist der Autorin ein ansprechender Mix aus zusammenfassendem Rückblick, Originalzitaten und Bilddokumenten gelungen. Gerne folgt man in Gedanken der Historikerin auf ihren Recherchetouren und genießt mit ihr die Erzählungen und die goldgelben oberösterreichischen Bauernkrapfen.

Die meisten der 25 Kapitel sind mit Dialektzitaten übertitelt. Mundartliche Ausdrücke würzen die Texte und werden im Anhang erklärt. Ein kleines Kochbuch mit Rezepten von anno dazumal darf ebenso nicht fehlen. Von den Doppelseiten des liebevoll gestalteten Buchs sind durchgehend die rechten den Bildern vorbehalten, während die linken den Text - mit oft längeren erzählten Passagen - beinhalten. Wie im Leben sind Alltag und Bräuche, Arbeit und Freizeit eng verwoben. Inge Friedl stellt die unterschiedlichsten Menschen und ihre Arbeitswelt vor: Bauern, Bäuerinnen und ihre streng erzogenen Kinder, Dienstboten in ihrer Hierarchie und mit ihren Bräuchen, Berufe wie Schmied, Müller, Holzknecht, Störschneider oder Wanderhändler. Auch auffallende Dorfbewohner werden gewürdigt, wie "Jula, der weibliche Rossknecht" oder ein Kleinhäuslersohn, der den jungen Leuten am Sonntag mit seinem Trichtergrammophon zum Tanz aufspielte.

Man lernt Arbeitsvorgänge kennen, die heute weithin unbekannt sein dürften, sodass man sich ein Bild davon machen kann, wieviel Kraft und Erfahrung sie verlangten. Dazu zählen in erster Linie Anbau, Ernte und Verarbeitung des Getreides, aber auch das Abstechen der Schweine am eigenen Hof, Heuführen und Brotbacken. Der Kinderarbeit, zu der das Hüten - ebenso wie "Rossweisen", Garbenbinden oder die Aufsicht über jüngere Geschwister gehörte, ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Bilder zeigen u.a. einen Zehnjährigen, der ein Ochsengespann durch eine enge Toreinfahrt lenkt. Von der Wiege bis zur Bahre gibt es interessante Aussagen von Landbewohnern, z.B. über das Verhältnis von "Die Mentscher und die Buam", Freizeitvergnügen und Spiele der Jugendlichen, Lieben und Heiraten, "Ahnl und Ähnl" und als letzte Station "Vom Wachten und 'Betengehen'.

Ein bezeichnendes Licht auf die Zeitgeschichte wirft die Erinnerung an "Die Sau mit den zwei Schwanzln", wo es um das verbotene Schlachten in Notzeiten geht, oder "Die Zwangsarbeiterin". Die fünfzehnjährige Kleinbauerntochter kam 1942 als Magd zu einer Familie nach Wels, die ihr ein Kammerl neben dem Kuhstall anwies. Die verwitwete Bäuerin schlug sie und ließ sie hungern, manchmal steckte ihr eine Nachbarin heimlich Essen zu, nicht einmal warmes Wasser bekam das Mädchen. Weit besser erging es ihm auf der zweiten Stelle, wo es deutsch lernte. "Ich war verwundert und erfreut, endlich als Mensch behandelt zu werden." Die Geschichte fand ein Happy End, als die junge Frau nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hof bleiben sollte und 1956 einen Sattlermeister heiratete. Neben nachdenklich stimmenden Überlieferungen kommen die schönen Seiten des Lebens auf dem Lande nicht zu kurz. "Auf der Sunnbenk", der Bank vor dem Haus, traf man sich nach getaner Arbeit zum "Hoagachten" (gemütlichen Beisammensitzen). "Erinnerungen an die Weihnachtszeit" berichten vom Rorategehen, der Maulgabe für das Vieh, dem Christbaum, Eisschießen und Glöcklerlauf. So öffnet das Buch Fenster in eine Vergangenheit, die gar nicht so lang zurückliegt und manchmal doch unendlich weit entfernt scheint. Der Verlag verspricht nicht zu viel, wenn er meint, dass es "all jenen Freude bereiten wird, die die alte Zeit noch selbst miterlebt haben oder ganz einfach wissen möchten "wie's früher war".