!! Gerhard Wasshuber: Blumen einst und jetzt

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''Gerhard Wasshuber: Blumen einst und jetzt. Klosterbibliothek Heiligenkreuz - Biosphärenpark Wienerwald. Verlag Pustet Salzburg 2015. 208 S., ill., € 36,-''

Die Formel "einst und jetzt" verspricht immer interessante Vergleiche. Im vorliegenden Prachtband wird sie zur Zauberformel. Selten wurden Wandel und Bestand so eindrucksvoll vorgestellt.  "Einst" die "Phytanthoza iconographia" des Apothekers und Botanikers Johann Wilhelm Weinmann (1683-1741), "jetzt" qualitätvolle Fotos von Gerhard Wasshuber (* 1940), Absolvent der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt und Lehrbeauftragter der TU Graz.

Weinmann wirkte in der freien Reichsstadt Regensburg und war ein Zeitgenosse von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Joseph Haydn. Damals herrschte Karl VI.  als römisch-deutscher Kaiser, Maria Theresia übernahm in Weinmanns letztem Lebensjahr die Regierung. Der Pharmazeut und Pflanzenforscher war ein erfolgreicher Unternehmer, pflegte Kontakt mit Gelehrten und kultivierte die Kräuter in seinem botanischen Garten, der 9000 Arten umfasst haben soll. Der schwedische Naturforscher Carl von Linné  (1707-1778) benannte eine Pflanzengattung nach ihm. 

Fast ein Jahrzehnt hindurch arbeitete Johann Wilhelm Weinmann an der Phytanthoza iconographia. Die Foliobände erschienen 1737, 1739, 1742 und 1745 in Regensburg. Sie enthalten 1025 ganzseitige, handkolorierte Kupferstichtafeln und Beschreibungen in deutscher und lateinischer Sprache. Die Illustrationen stammten von den Malern und Kupferstechern Bartolomä Seuter, Johann Elia Ridinger (der für seine Tierdarstellungen, wie die Motive der Hohen Schule, bekannt ist) und Johann Jacob Haid (dessen Bruder Johann Gottfried in der Werkstatt von Maria Theresias Hofmaler arbeitete und in Wien eine Schule für Kupferstecher betrieb). Seuter war der erste, der in Deutschland den mehrfarbigen Kupferstich anwandte, und zudem Porzellanmaler. Weinmanns Blumen dienten der Porzellanmanufaktur Meißen als Vorbild für die Dekorationen von Tafelservicen.

Von dem Kompendium des botanischen Wissens der Barockzeit sind nur wenige komplette Exemplare erhalten, da "geschäftstüchtige Antiquare die Bände auseinandernahmen und die prachtvollen handkolorierten Kupferstichblätter einzeln an zahlungskräftige Liebhaber verkauften". Umso wertvoller ist es, dass sich in der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz eine vierbändige, in Leder mit Goldprägung gebundene Ausgabe befindet. Das als "mystische Herz des Wienerwaldes" bezeichnet Stift stellte sie dem Autor für Reproduktionen zur Verfügung. Gerhard Wasshuber hat sich nicht nur als Drucktechniker mit den Geheimnissen der Kolorierung beschäftigt, sondern dem "einst" das beeindruckende "jetzt" zur Seite gestellt.

Von den "Pflanzen, Bäumen, Stauden, Kräutern, Blumen, Früchten und Schwämmen ec." aus "allen vier Weltteilen" hat er jene rund 60 Tafeln ausgewählt, die heute im Biosphärenpark Wienerwald vorkommen. So stehen nun im Bildteil den historischen Ansichten eigens angefertigte aktuelle Fotos gegenüber, im Textteil jeweils eine kurze Beschreibung Zitaten  aus dem Original, in Frakturschrift in barocker Sprache und Schreibweise.

Der Apotheker Weinmann hat sein Werk für Branchenkollegen verfasst, auch die Heiligenkreuzer Klosterapotheke hatte es in Gebrauch. Die Blumenkollektion beginnt mit den Schneeglöckchen, die als erste erscheinen. "Sie kommen so gar, wann der Winter noch nicht vorbey." Als letzte blüht die Herbstzeitlose, vor der der Botaniker warnt: "Der innerliche Gebrauch der Zeitlosen ist wohl von vernünfftigen Ärzten völlig untersaget, da es doch, laut der täglichen Erfahrung, ein tödliches Gifft ist." Aus den barocken Texten spricht traditionelle Weisheit, vieles ist wohl überholt. So sollte der Saft der Anemone die Nase reinigen, gegen Augenkrankheiten helfen, "grobe, ungestalte" Finger- und Zehennägel verschönern. Überhaupt fallen die kosmetischen Hinweise auf. Iris beispielsweise fand Anwendung gegen Sommersprossen und als Haarpuder der Barockperücken. "Schminck-Wasser" wurde aus Blättern und Wurzeln von Leberblümchen hergestellt. Ausgepressten Primelsaft nahmen Frauen als Gesichtswasser, "damit sie die Flecken und Runzeln austreiben wollen." Wer weiß, vielleicht werden solche Wundermittel im "bio-"Zeitalter wieder entdeckt.

Die Brücke zur Gegenwart schlägt ein Beitrag von Univ. Prof. Georg Grabherr, der das botanische Lektorat besorgte, über den Wienerwald. Dieser zählt zu den von der UNESCO geschützten Biosphärenparks, Modellregionen der nachhaltigen Bewirtschaftung.  Außer in der geschützten Kernzone dürfen sie "maßvoll genutzt" werden. Auf den Wiesen der Wienerwald-Pflegezone gedeihen zehnmal so viele Arten wie im modernen Intensivgrünland. Der Ökologe wagt ein Gedankenexperiment: Maiglöckchen, die ständig in Erdtrieben weiterwachsen, können es auf ein Alter von 400 Jahren bringen. Das Maiglöckchen, das dem historischen Kupferstecher als Vorlage gedient hat, könnte also (wenn auch nicht im Wienerwald) heute noch leben. 









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