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Herta Neiß und Klaus Landa (Hg.): Museum und Tourismus#

Bild 'Neiss'

Herta Neiß und Klaus Landa (Hg.): Museum und Tourismus. Ein Handbuch zur Nutzung touristischer Potenziale. Böhlau Verlag Wien Köln Weinmar 2017. 285 S., ill., € 35,-

" Kultur und Tourismus - das ist aus der Sicht vieler Kulturakteure keine Liebe auf den ersten Blick. Sie tun sich immer noch recht schwer mit den Touristen, die als oberflächlich interessierte Besucher gelten und sind skeptisch gegenüber den touristischen Unternehmen, die angeblich kein Verständnis für kulturelle Belange aufbringen." So zitiert Walter Putschögl, kaufmännischer Direktor des oö. Landesmuseums, ein Standardwerk über Kulturtourismus. Damit ist auch das Thema des vorliegenden Buches treffend zusammengefasst.

Den einführenden Teil eröffnet der prominente Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber mit einem eindrucksvollen Bild der österreichischen Museumslandschaft. ICOM, die größte heimische Museumsorganisation, hat 1900 Mitglieder, davon allein in Niederösterreich 700, doch nicht alle Sammlungen sind Mitglieder. Zwischen 1970 und 1995 hat sich die Zahl der österreichischen Museen mehr als verdoppelt, und der Zuwachs hält an. Die Statistik Österreich nennt 32 Millionen Besucher, wovon mehr als die Hälfte auf Kunst- und kulturhistorische Sammlungen entfällt. Nicht erfasst wird die Zahl der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, ohne die vor allem in kleineren Häusern kein Betrieb möglich wäre. Auch ihnen wäre die Lektüre dieses Handbuchs mit den praktischen Checklisten zu empfehlen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Erfolgsfaktoren zur touristischen Nutzung von Museen, wie Positionierung, klassische und neue Medien, Shop, Besucherforschung, Netzwerke oder Finanzierung. Keine Sammlung ist zu klein, um sich damit auseinander zu setzen.

Teil drei führt mitten in die Praxis. Er enthält ein Dutzend Beispiele aus Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten. Seit dem Mittelalter war das Mühlviertel ein Zentrum der Textilproduktion. Haslach "spinnt aus den Fäden der Vergangenheit einen Stoff für die Zukunft". Seit 1970 dokumentiert der Verein Webereimuseum die lokale Wirtschaftsgeschichte. Es gelang ihm, Alt und Neu, Kunst und Industrie eindrucksvoll zu verweben. Inzwischen kommen jährlich 10.000 Gäste zu den Aktivitäten. Um die Jahrtausendwende übersiedelte das Museum in eine aufgelassene Fabrik, die nun als Tourismus- und Kulturzentrum fungiert. Für sein innovatives Konzept erhielt das Textile Zentrum Haslach den österreichischen Museumspreis und steht als Best Practice- Beispiel auf der UNESCO-Liste für das Immaterielle Kulturerbe. Dort findet man auch die zweite Tradition der Region, "Blaudruck in Gutau". Die letzte Färberei arbeitete in der Gemeinde bis 1968.1982 richtete ein Verein in der Werkstätte das einzige Färbermuseum Österreichs ein, da sich vor allem mit der Technik des Blaudrucks beschäftigt. In Zusammenarbeit mit Touristikern erfand es einen "Färbermarkt", zu dem mittlerweile 80 Aussteller aus fünf Ländern und 7000 Besucher kommen. Der Handwerksmarkt und sein Rahmenprogramm, von der Modeschau bis zum Volkstanz, hat sich zum touristischen Highlight entwickelt. Auch Biobauern und die Gastronomie naschen am Erfolg mit. Im Museumsshop gibt es einen aus blauen Früchten hergestellten Edelbrand namens "Färbergeheimnis".

Keine Berührungsängste haben auch kulturelle und kommerzielle Einrichtungen an der Niederösterreichischen Bernsteinstraße. Seit Jahrtausenden fand das goldgelbe versteinerte Harz seinen Weg von der Ostsee über Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn und Slowenien nach Italien. In der zur Römerzeit bedeutenden Stadt Carnuntum querte die einst wichtigste Nord-Süd-Verbindung Europas den Grenzfluss March. Um die zweite Jahrtausendwende entstand im Weinviertel das Museumsnetzwerk Bernsteinstraße. Zu den raschen Erfolgen bei Entwicklung und Belebung der Region trug das Maskottchen "Betty Bernstein" bei. Das lustige Mädchen mit roten Zöpfen und Mittelalterkleid begleitet große und kleine Gäste durch mittlerweile 33 Museen und Ausflugsziele. Zahlreiche Aktionen, Angebote und Produkte - bis hin zu einem Betty Bernstein-Musical - verhalfen dem Verein zu einem angesehenen niederösterreichischen Kulturpreis. Zwei weitere Best Practice-Beispiele aus dem größten Bundesland könnten in ihrer Thematik kaum unterschiedlicher sein: Das Museumsdorf Niedersulz und Stift Klosterneuburg. Gemeinsam ist ihnen der - nicht nur touristische - Erfolg.

Salzburg ist mit dem Denkmalhof Rauchhaus Mühlgrub, dem vielseitig aktiven Wagrainer Kulturverein "Blaues Fenster" und den Stille-Nacht-Gemeinden vertreten. Letztere feiern 2018 das 200-Jahr-Jubiläum des weltberühmten Weihnachtsliedes. Nicht verschwiegen werden in dem Beitrag vergangene interne Konflikte beim Zusammenschluss zwecks Vermarktung. Kärnten präsentiert sich im Handbuch mit der "Künstlerstadt" Gmünd - "eine ganze Stadt lebt die Kunst" und dem Werner-Berg-Museum in Bleiburg/Pliberk. Im äußersten Südosten gelang der zweisprachigen Gemeinde "Identitätsstiftung durch nachhaltige Kultur".

So beweist sich, was der Herausgeber Klaus Landa, Geschäftsführer des Verbundes OÖ. Museen, eingangs meint: "Somit zeigt sich: Museen und Tourismus haben viele Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten. Und zahlreiche Maßnahmen, die für Museen im touristischen Kontext essentiell erscheinen, können die Qualität der Museumsarbeit generell fördern." Die Herausgeberin und Tourismusmanagerin Herta Neiß schreibt: "Das Vorurteil, Museen vielerorts lediglich als Schlechtwetterprogramm zu betrachten, entwickelt sich in Richtung bewusst gesuchtes Erlebnis. … Kulturtouristen werden von der Tourismus- und Freizeitwirtschaft als äußerst attraktive Zielgruppe betrachtet. Sie verweilen länger, geben im Urlaub mehr aus, sind besser gebildet und verfügen über ein höheres Einkommen." Was kann man sich von (Museums-)gästen noch mehr wünschen?