!!! Hanni Vanicek: Das Geschäft ist meine Bühne

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''Hanni Vanicek: Das Geschäft ist meine Bühne. Die Geschichte der "Schwäbischen Jungfrau".. Aufgezeichnet von Freya Martin. Amalthea Verlag. 208 S., ill., € 28,- '' \\ \\

Eines der  ältesten Wiener Traditionsunternehmen feiert zwei runde Jubiläen. Das bekannte Wäscheausstattungshaus "Zur Schwäbischen Jungfrau" wurde vor 300 Jahren gegründet, seine Inhaberin, Kommerzialrätin Johanna ("Hanni") Vanicek leitet es seit 60 Jahren. Gute Gründe, für die "Linen-Lady" Memorien zu schreiben, die ihrer Firma und ihre eigenen. Es ist ein überaus anregendes und interessantes Buch geworden. Gratulation !

Anno 1720 ließ sich der Leinwandhändler Johann Josef Wolff in Wien am Haarmarkt nieder. So hieß damals ein Teil der Rotenturmstraße, wo mit Flachs ("Haar") gehandelt wurde. Dieser Wolf kam aus Schwaben und soll drei schöne Töchter gehabt haben - woraus sich nach der Überlieferung der Firmenname ableitet. Er hatte Bestand, obwohl die Besitzer oft wechselten und im Lauf der Zeit vier Übersiedlungen stattfanden. Die Historikerin Freya Martin, eine auf Traditionsunternehmen spezialisierte Autorin, schreibt, dass sich die Recherche zur Unternehmensgeschichte der Leinenwarenhandlung "schwieriger als gedacht" gestaltete. 1968 ging das firmeneigene Archiv bei einem Brand zu Grunde, dessen Ursache ungeklärt blieb. Zumindest zwei wertvolle Bilder konnte die Familie retten: jenes von Leopold Kupelwieser, das eine junge Frau in schwäbischer Tracht mit einem Leinenballen zeigt, und das große Geschäftsschild desselben Sujets, ein Werk des Biedermeiermalers Johann Nepomuk Mayer, den man "Schilder-Raffael"  nannte.

Zur Zeit der Brandkatastrophe war das Geschäft frisch renoviert. Hanni Vanicek, damals seit acht Jahren Chefin, hatte es schon als 21-Jährige übernommen. Die Tochter einer altösterreichischen Familie wurde in Wels geboren, absolvierte die Modeschule Michelbeuern mit Meisterprüfung und erwarb ihre Praxis in Wiener Haute-Couture-Salons  Der Titel ihrer Erinnerungen, ''Das Geschäft ist meine Bühne'', ist mit Bedacht gewählt, denn ''So lange ich mich zurückerinnern kann, wollte ich immer Sängerin werden.'' Als Teenager nahm sie Unterricht bei einer Opernsängerin. Die Eltern aber meinten, besser als eine mittelmäßige Sängerin zu werden, sei es doch, einen ordentlichen Beruf zu lernen, von dem man leben könne - und schickten sie auf die "Schneider-Akademie". Nach dem Abschluss begleitete sie ihren Vater -  er war Physiker, Techniker und Erfinder - als Assistentin auf seinen Geschäftsreisen. So lernte sie von Jugend an die Welt und interessante Menschen kennen.

Nach dem Kauf des Geschäftes am Graben, das Bekannte der Eltern betrieben hatten, standen nun eigene internationale Einkaufstouren und Messebesuche an. Stets betont die Autorin, dass vieles nur durch den guten Zusammenhalt in der Familie möglich war. Immer wieder flicht sie in ihr unterhaltsames Buch Anekdoten und lustige Geschichten ein. ''Meine Mutter … unterstützte mich sehr. Wenn wir beide abends nach Geschäftsschluss selbst den Boden aufwischten, deckten wir die Schaufenster mit Packpapier ab. … Eine Putzfrau konnten wir uns in den ersten Jahren nicht leisten.'' Aber es ging beständig aufwärts: ''Peu a peu veränderte ich vieles im Geschäft, ich erweiterte und stellte sukzessive das Sortiment um … Nach und nach verwandelte ich die "Schwäbische Jungfrau" in ein Schmuckkästchen mit Boutiquencharakter. Der Weg zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Geschäft war ein steiler und langer, aber ein beständiger und ordentlicher. ''

Seit nunmehr sechs Jahrzehnten folgt Hanni Vanicek dem Motto ihres Vaters, ''Glück, Talent und Fleiß'' garantierten seiner Meinung nach ein erfolgreiches Leben. ''Der große Glücksfall ereignete sich im Jahre 1962, als meine Eltern auf einer Paris-Reise … zufällig Frottehandtücher von ganz besonderer Qualität entdeckten. '' Sogleich nahmen sie mit der amerikanischen Erzeugerfirma Fieldcrest Kontakt auf. Überraschend wählte der Vertreter, die "Jungfrau" als exklusiven Handelspartner in Europa, die anderen waren Harrods in London und Maison Blue in Paris. Mehr als 40 Jahre blieb Fieldcrest "ein toller Geschäfts- und Handelspartner."  Kunden, die solche Tücher einst auf ihrer Hochzeitsliste hatten, schwärmen noch heute von der Qualität. Auch privat entwickelten sich gute Kontakte mit den Herstellern, samt interessanten USA-Besuchen inklusive Metropolitan Opera und Las Vegas. 

Talent bewies Hanni Vanicek in vielerlei Hinsicht: Ihr Geschäft bot geschmackvolle Stoffwaren, feinste Tisch- und Bettwäsche in höchster Qualität und niveauvollen Service. Dies wusste und weiß nicht nur "Tout Vienne" zu schätzen, sondern auch internationale Kundschaft, wie die malaysische Königsfamilie. Der Palast - "ein architektonischer Traum aus 1001 Nacht mit vergoldeten Dächern" - sollte mit Tischwäsche für 900 Personen ausgestattet werden. Die Regierung war mit der Ausführung so zufrieden, dass weitere Aufträge folgten und andere Traditionsunternehmen zugezogen wurden. ''Das gesamte Auftragsvolumen brachte einen Umsatz von rund 43 Millionen Schilling.'' Die lustige Geschichte dazu: Wenig später kam der Sultan von Perak mit Familie und Hofstaat auf Staatsbesuch nach Wien. Abends war Frau Vanicek zum Staatsdinner eingeladen. Als sie der Bundespräsident dem König offiziell vorstellte, meinte dieser:'' I already know her, she is my Linen-Lady''. Mittlerweile beliefert sie die ganze Welt und die Kundenliste liest sich wie ein "Who is who" - vom saudi-arabischen König Abd al-Aziz Ibn Saud bis zum Wiener Schauspieler Heinz Zuber. Er schrieb in seinem Jubiläums-Glückwunsch: '' Sie ist zauberhaft, charmant, witzig, unglaublich tüchtig, kulturbegeistert und kulturverständig, opern- und theaterliebend'' und auf gut schwäbisch fügte er hinzu: ''Du bisch e tolle Frau un des  find net nur i, sondern alle anderen au!''

Fleiß ist der rote Faden im Leben der vielfach ausgezeichneten Geschäftsfrau. ''Recht schnell musste ich als junge Unternehmerin erkennen: Als Selbstständige zählt man die Arbeitsstunden nicht.'' Andererseits hat sie es verstanden, Freizeitaktivitäten zu genießen, wie in der Lehrzeit den Besuch der Tanzschule des Rittmeisters Elmayer. Später war das Reisen ihre große Leidenschaft, wobei sich Geschäftliches und Privates kombinieren ließ. 

Es war eine originelle Idee des Verlags, Glückwünsche prominenter Kunden einzusammeln und bei den entsprechenden Anekdoten zu platzieren. Der besonderen Begegnungen waren viele, im Geschäft, auf Reisen oder bei kulturellen Veranstaltungen, beispielsweise mit Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Luciano Pavarotti, Dagmar Koller, Chris Lohner, Ernst Fuchs, Karl Wlaschek oder Richard Lugner. ''Er war bescheiden, umsichtig und manches Mal auch etwas schüchtern - eigentlich die richtigen Eigenschaften für einen Mann! Mein Standpunkt, dass ich letztendlich nie heiraten wollte, führte später zu unserem Bruch. … Wenn wir uns zufällig treffen, ist er wieder mein alter Richard!'' Ein Foto zeigt die beiden 1974 bei den Salzburger Festspielen.  Andere Bilder erinnern an illustre Gäste im Hause Vanicek oder US-Präsident Jimmy Carter und seine Frau Rosalynn am Machu Pichu in Peru. 

Seit 14 Jahren arbeiten der Neffe Theodor Vanicek und seine Ehefrau Lia im Geschäft mit, wo die Inhaberin mit vollem Einsatz tätig ist. Ihre Berufsentscheidung habe sie nie bereut, schreibt Hanni Vanicek: ''Die "Schwäbische Jungfrau" ist nicht nur mein Geschäft, sie ist mein Leben! Wobei ich an dieser Stelle trotzdem festhalten möchte: Im nächsten Leben stehe ich auf der Bühne!''\\ \\

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