Robert Bouchal und Wolfgang Meyer: Land der Burgen. Burgenland#
Robert Bouchal und Wolfgang Meyer: Land der Burgen. Burgenland. Burgen, Ruinen, Schlösser, Kastelle. Kral Verlag Berndorf. 360 S., ill., € 29,90
Das Burgenland, Österreichs jüngstes (und drittkleinstes) Bundesland feiert seinen 100.Geburtstag. Dieses "Jahrhundertbuch" ist ein würdiges Geschenk. Schon 1907 bestand der Plan, die deutschsprachigen Regionen der Komitate Pressburg, Ödenburg, Eisenburg und Wieselburg an Österreich anzuschließen. Dieses Ansinnen hatte zwangsläufig eine Reihe von Gegnern, schreibt Wolfgang Meyer, der im Landesdienst für Archive, Bibliotheken, Museen und wissenschaftliche Anstalten zuständig war. Heute zählt das Burgenland 318 Katastralgemeinden mit rund 120 erfassten Burg- und Wehranlagen. Eine Auswahl von 22 stellen Wolfgang Meyer und Robert Bouchal im Geburtstagsbuch vor. Der Bildautor hat 346 seiner faszinierenden Fotos ausgewählt. Dazu kommen 30 künstlerische und 40 historische Ansichten der Objekte, sowie Portraits und Grafiken. Besonders zu erwähnen sind die von Wolfgang Meyer gezeichneten Grundrissdarstellungen der Burg- und Schlossanlagen. Die Texte sind angenehm übersichtlich strukturiert. Bei jedem Bauwerk findet man die Schwerpunkte Zeittafel mit den Eckdaten der Objekte, Kultur- und kunstgeschichtliche Bedeutung, Wirtschaftlicher Hintergrund, Sagen, belletristische Literatur, bedeutende Persönlichkeiten. Der Anhang informiert u. a. über Burgenbau und Adelsfamilien (mit Stammtafeln).
Bei den vorgestellten Objekten handelt es sich um acht Burgen und Ruinen sowie 14 Schlösser und Kastelle. Das älteste Beispiel ist Landsee, die größte Burgruine Österreichs. 1158 erfolgte ihre erste Erwähnung im Zusammenhang mit steirischen Grafen. Im 15. Jahrhundert war die Burg mehrfach verpfändet, u. a. an Herzog Albrecht VI. von Österreich. 1553 kaufte der Erzbischof von Gran, Nikolaus Oláh, die große Herrschaft und überließ sie seinem Neffen. Dessen Enkelin brachte sie 1612 in die Ehe mit dem Begründer der Magnatenfamilie Esterházy ein - in deren Besitz sich die Burg noch heute befindet. Sie wurde im 18. Jahrhundert durch Brände zerstört, nicht mehr aufgebaut und diente als Steinbruch. In jüngster Zeit wird Ruinensicherung betrieben und die baulichen Reste im Zuge von Führungen zugänglich gemacht.
Ein Happy End erlebt hingegen Burg Güssing. Sie entstand um 1157 gemeinsam mit einem Benediktinerkloster. Dieses existierte nur zwei Jahrzehnte und die erste Burg musste einer neuen weichen. Türkenzüge, Rebellionen und Aufstände setzten dem Bauwerk mehr als zwei Jahrhunderte hindurch zu. Für 1778 heißt es in der Zeittafel: Der erste Dachziegel wird entfernt - der Weg zur Ruine beginnt. Seit 1870 bzw.1950 setzen sich die Batthyány-Stiftung und der Burgverein für die Erhaltung ein. In der Folge entstanden ein Museum, mehrere Ausstellungen - darunter die Landesausstellung "Die Ritter" - und Burgspiele. Dazu kommt jetzt eine Reihe von Veranstaltungen und Workshops, die Theaterspielen, Musik und künstlerische Techniken ebenso umfassen wie etwa Jonglieren. Ein Schrägaufzug erleichtert das Erreichen der hoch gelegenen Burg. Die Dauerausstellung präsentiert die zuvor in Schlaining beheimatete Sammlung von Udo Illig.
Der ehemalige Bundesminister für Handel und Wiederaufbau DDDr. Udo Illig (1897-1989) erwarb 1956 die devastierte Burg Schlaining, restaurierte sie, richtete darin seine Eisenkunstguss-Sammlung und Gemäldegalerie ein und verkaufte sie 1980 an das Land Burgenland. 38 Museumsräume standen zur Verfügung und 15 Sonderausstellungen fanden statt. Auch die bedeutende volkskundliche "Sammlung Ludwig Toth" war im Schloss untergebracht. Mit der Gründung des Österreichschen Instituts für Friedensforschung wurde Schlaining 1983 zur "Friedensburg" samt Friedensmuseum. Die bisher hier gezeigten Sammlungen übersiedelten nach Güssing. Das Jubiläumsjahr 2021 bringt ein neues Ausstellungskonzept.
Unterschiedliche Nutzungen kennzeichnen auch die Schlösser und Kastelle des Bundeslandes. Im Schloss Deutschkreutz sollte 1960 eine Champignonzucht aufgebaut werden. Diese scheiterte jedoch. 1966 besichtigte Prof. Anton Lehmden (1929-2018), Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, das herabgekommene Objekt - es war "Liebe auf den ersten Blick". Der Maler ermöglichte umfangreiche Sanierungen, Entdeckungen und Restaurierungen. 1999 standen dem Lehmden-Museum 800 m² Ausstellungsfläche zur Verfügung. Im historischen Ambiente ist die Schlosskapelle eine Besonderheit. In den letzten Kriegstagen schwer beschädigt, wurde sie vom Künstler neu gestaltet. Aktivitäten wie der "Kultursommer" finden auch nach seinem Ableben Fortsetzung.
"Das" Schloss im Burgenland steht in Eisenstadt. Das Gesamtkunstwerk Schloss Esterházy kam 1622 in den Besitz der Fürsten, deren Herrschaftsbereich sich nicht nur im nördlichen und mittleren Burgenland erstreckte. Zur Hochfürstlichen Esterházysche Domäne zählten zahlreiche Güter in Österreich, Ungarn, der Slowakei und Deutschland. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts begann Paul I. mit dem Umbau der ehemaligen Burg nach Plänen von Carlo Martino Carlone. 1805 erfolgte nach dem Konzept von Charles Moreau, eine Umgestaltung, zu der die Neuanlage des Schlossparks zählte. Es entstand ein englischer Landschaftsgarten mit Orangerie, Tempeln und künstlichen Wasserläufen. Der Haydnsaal des Schlosses erinnert an die Tätigkeit des Komponisten, der 1790 bis 1809 als Kapellmeister für die Unterhaltungsmusik zuständig war. Der Raum gilt als "der schönste und unvergleichliche Saal des Burgenlandes".
Ein bedeutender Edelhof der Esterházy'schen Domäne war das Kastell Leisserhof in Donnerskirchen. Seine vergangene Pracht ist noch zu ahnen. Seit 1937 befindet sich das Gebäude mit seinen beeindruckenden Kelleranlagen im Besitz der Marktgemeinde, die ihn unterschiedlichen Pächtern zur Nutzung überließ. Winzergenossenschaften, ein Haubenlokal und Restaurant waren untergebracht, seit 2015 betreibt der Verein Genuss Burgenland das "Martinsschlössl".
Zahlreiche andere Schlösser sind oder waren dem Kulturgenuss verpflichtet. Halbturn mit seinem "Maulpertsch-Saal" erfüllt seit 1973 eine wichtige Aufgabe als Ausstellungsraum und kulturtouristischer Schwerpunkt der Region. In Kittsee befand sich 1974 bis 2008 das Ethnographische Museum als Außenstelle des Österreichischen Museums für Volkskunde. Über Schloss Lackenbach im Jahr 2000 schreibt Wolfgang Mayer, es erwacht zu neuem Leben. Das Museum "Der Natur auf der Spur" zeigt nicht nur die Lebensräume des Wildes, sondern auch Forstwirtschaft, Holz, erneuerbare Energie und Umweltschutz. In Hodis bildet das Kastell mit seinem Skulpturenpark seit 1967 Lebensmittelpunkt der Künstlerfamilie Kedl. In Unterrabnitz hält der Schlossherr und Künstler Harro Pirch die "Rabnitztaler Malerwochen" ab. Schloss Neuhaus am Klausenbach wurde 2019 vom Land angekauft und in sein Kulturprogramm eingebunden. So entsteht der Eindruck, dass das kulturelle Bewusstsein des jungen Bundeslandes zunehmend stärker wird. Das glänzendste Beispiel ist wohl das historistische Schloss Rotenturm, ein Sichtziegelbau mit einem 34 m hohen Turm. Seit 1970 "eingemottet", gelangte es 2008 wieder in private Hand. Der Wiener Versicherungs- und Immobilienspezialist Prof. Heinz Schinner erwarb und sanierte es vorbildlich in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt. Auch der Schlosspark mit seinen neun Naturdenkmalen erwachte aus dem "Dornröschenschlaf". Der eigenwilligste Schlossbau des Landes wurde zum Hotel und zur stimmungsvollen Kulisse für Hochzeiten, Firmenevents und private Feste.