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Beppo Beyerl - Thomas Hofmann: Die Dörfer von Wien#

Bild 'Beyerl-Hofmann'

Beppo Beyerl - Thomas Hofmann: Die Dörfer von Wien. Geschichten einst und jetzt. Braumüller Verlag Wien. 240 S., ill., € 24,-

Beppo Beyerl und Thomas Hofmann zählen derzeit zu den produktivsten Viennensia-Autoren. Nachdem sie u. a gemeinsam Die Stadt von gestern erkundet haben, den Spuren der alten Wiener Vergnügungen gefolgt sind und Wien mit der Bim entdeckt haben, sind nun die historischen Vororte ihr Ziel. Die meisten der ehemaligen Dörfer vor dem Linienwall sind seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Wien eingemeindet.

32 dieser Teile von Wiener Außenbezirken hat das Autorenduo ausgewählt. Meist sind es solche, die das Wort "Dorf" im Namen tragen, wie auch Dörfer, deren ländliche Strukturen heute noch erkennbar und prägend sind, wie etwa Breitenlee oder Leopoldau. Mit ihrer unverwechselbar liebevoll-ironischen Handschrift erzählen Beppo Beyerl und Thomas Hofmann individuelle und bunte Geschichten und G'schichterln. Vollständigkeit ist nicht ihr Anspruch und wohl auch nicht zu erreichen. Jedes Kapitel begleiten historische Planausschnitte und nostalgische Ansichtskarten.

Die Reise beginnt unkonventionell in Transdanubien. Floridsdorf, das Dorf der Dörfer macht den Anfang, obwohl gerade dieses große Ambitionen hatte. Ab 1892 bestanden Bestrebungen, "Großfloridsdorf" zur Landeshauptstadt von Niederösterreich zu machen, mit einem dementsprechenden Rathaus am Floridsdorfer Spitz und mit einem Dom auf dem Kintzerplatz, dessen Kirchturmhöhe mit 96 Metern fast an die höchsten Kirchen Wiens heranreichen sollte. Doch 1904 wurde die (1894 gebildete) Großgemeinde Floridsdorf (Floridsdorf, Donaufeld, Jedlesee und Neujedlersdorf) gemeinsam mit Aspern, Hirschstetten, Kagran, Leopoldau (1885 gebildet), Stadlau sowie Teilen angrenzender Marchfeldgemeinden (Breitenlee, Groß-Enzersdorf, Großjedlersdorf, Langenzersdorf, Mannswörth, Stammersdorf und Strebersdorf) als 21. Bezirk Floridsdorf nach Wien eingemeindet. 1910 kam noch der bis dahin selbständig gebliebene größere Teil von Strebersdorf dazu. In den nächsten Jahrzehnten folgten weitere Gebietsveränderungen. Hier werden Strebersdorf am Fuße des Bisambergs, Stammersdorf Via Kellergasse zum Bisamberggipfel, Großjedlersdorf Fußballerische Reminiszenzen und Leopoldau, das Dorf der Gänse, näher behandelt.

Der 22. Bezirk, der zeitweise zum 21. gehörte, erhielt 1954 den Namen Donaustadt. Aus dem mehr als 100 km² großen Stadtteil haben die Autoren Breitenlee als agrarischer Rückhalt sowie Aspern und Essling, Napoleons Waterloo, ausgewählt. Mit Breitenlee verbinden sie persönliche Reminiszenzen, denn beide haben das Schottengymnasium besucht. Das Benediktinerkloster betreibt im 22. Bezirk einen Landwirtschaftsbetrieb. Ein breites Angebot von Äpfeln, Kirschen und Weichseln kommt aus Breitenlee, das wir hiermit zum Wiener Obstdorf küren.

Von der Lobau, dem napoleonischen Kriegsschauplatz, geht die Reise in einen anderen ehemaligen Auwald, nach Kaiserebersdorf. Im Ortszentrum hat sich das habsburgische Lustschloss in eine Justizanstalt verwandelt. Simmering, zwischen Haide und Hauptsraße, war Anfang des 20. Jahrhunderts für sein Flugfeld bekannt. 1909 gab der französische Flugpionier Louis Blériot - drei Monate nach seiner ersten Ärmelkanal-Überquerung - dort eine Vorführung. 200.000 Zuschauer, unter ihnen der Kaiser, verfolgten die waghalsigen Manöver des Monoplans.

In Favoriten sind Ober- und Unterlaa - Frischer Wein, warmes Wasser und dazu Gas - sowie Rothneusiedl Ziele der Stadtrand-Expeditionen. Während man im letzten Dorf fragt: Und wo ist hier das Stadion? findet man in vielen anderen Kapiteln ausführliche Würdigungen des Fußballsports. Das Austria-Stadion für 30.000 Besucher, samt riesiger Shoppingmall, wurde hier nicht realisiert. Liesing erstreckt sich mit acht Katastralgemeinden über 32 km². Fünf von ihnen werden im Buch gewürdigt und zeigen, wie abwechslungsreich dieser Wienerwaldbezirk ist: Inzersdorf Ziegel und Konserven, Atzgersdorf Fett-, Sarg- und Klavierfabriken, Rodaun zwischen Dürrer und Reicher Liesing, Kalksburg Wer will hier (nicht) einkehren ? und Mauer zwischen Kadolz, Kroiss- und Sauberg stellen die vielen Gesichter des 23. Bezirks vor.

Meidling ist mit Altmannsdorf rund um den Khleslplatz, Gaudenzdorf, das Vorbeifahrdorf, und Hetzendorf zwischen Modeschule und Rosenhügel vertreten. Vom Schloss Hetzendorf führt die Grünbergstraße bzw. Schönbrunner Allee schnurgerade zur kaiserlichen Residenz in Schönbrunn. Doch nicht die gleichnamige Katastralgemeinde repräsentiert im Buch den Nobelbezirk Hietzing, sondern Lainz mit dem ehemaligen Versorgungsheim, nun Krankenhaus Hietzing genannt. Außer diesen mehrfachen Spitalsmetamorphosen verdient die 1968 geweihte Konzilsgedächtniskirche auf dem Kardinal-König-Platz Erwähnung. Sie ist, wie sie ihr kunstsinniger Rektor nennt, ein "Bau des Anfangs". Offenheit und Experimentierfreude kennzeichnen die neue Lainzer Pfarrkirche, so wie seinerzeit das Zweite Vatikanische Konzil. Ein Barockkunstwerk ist hingegen das Gotteshaus von Ober St. Veit, bei dem sich die Sommerresidenz der Erzbischöfe befand. Seit den Zeiten Rudolf des Stifters stand es im Besitz des Domkapitels von St. Stephan.

Gar nicht fromm geht es im Kapitel über Hütteldorf zu, obwohl dessen Untertitel Sankt Hanappi schau runter heißt. Kein anderes Dorf identifiziert sich so mit einem Fußballverein wie Hütteldorf. In Hadersdorf, ebenfalls im 14. Bezirk, ist das Wasserschloss Laudon sehenswert, das als Verwaltungsakademie des Bundes dient. In Breitensee lebten Persönlichkeiten von Artmann bis Zatzka. Der Dichter H.C. Artmann ist hier aufgewachsen. Der Breitenseer Baumeister Ludwig Zatzka schuf das historistische Ensemble auf dem Laurentiusplatz. Auch "das älteste noch bespielte Kino von Wien" befindet sich in diesem Teil des 14. Bezirks.

Mit einem großen Sprung werden der 15. und 16. ausgelassen, um im Hernalser Ortsteil Dornbach zu landen, wo der Pfarrer ausschenkt. Dann noch eine Rast in Pötzleinsdorf - Schloss, Schlössl und Gescheiterte. Mit letzterem ist der Bankier Johann Jakob Geymüller gemeint, der angeblich Ferdinand Raimund als Vorbild des "Flottwell" in seinem Schauspiel "Der Verschwender" gedient haben soll. Bei Neustift und Salmannsdorf changierte die Zugehörigkeit zu Währing bzw. Döbling. Jetzt zählen sie beide zum 19. Bezirk. Dieser ist mehrfach prominent im Buch vertreten. Außer über die beiden Dörfer wissen die Autoren viel Interessantes über Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, Josefsdorf zu erzählen. Den Schlusspunkt setzen wir am Fuße des Kahlenberges, im idyllischen Kahlenbergerdorf. Mit dem Ausblick von diesem Berg lässt sich zusammenfassen, was schon Franz Grillparzer formulierte: Hast du vom Kahlenberg das Land dir rings besehn, dann wirst du was ich schrieb und was ich bin verstehn.

hmw