!!! Martin Czapka: k.u.k. & Co. [{Image src='Czapka.jpg' height='200' class='image_left''}] '' Martin Czapka: k.u.k. & Co. Ein lexikales Sammelsurium rund um das Leben in der Doppelmonarchie. Amalthea Verlag Wien. 288 S. ill., € 40,- '' \\ \\ ''Martin Czapka hat es zum Glück wieder getan. Nachdem er sich akribisch dem unendlichen Universum ["Wiener Kaffeehaus"|Kunst_und_Kultur/Bücher/Bücher_über_Österreich_2023/Czapka_-_Cafes] gewidmet und im Anschluss die Legende ["Wien 1900"|Kunst_und_Kultur/Bücher/Bücher_über_Österreich_2024/Czapka_-_Wien_1900] mit feiner Feder und pointierten Texten filetiert hat, wendet er sich mit diesem Buch der Ära Kaiser Franz Josephs zu,'' beginnt die Sachbuchautorin Barbara Sternthal ihr zehnseitiges Vorwort. Der zusammenfassende Einstieg liefert den Kontext für die Einträge in Martin Czapkas "lexikalem Sammelsurium". Im 19. Jahrhundert veränderte sich das politische, soziale und wirtschaftliche Leben wesentlich. Franz Joseph trat die Herrschaft als Achtzehnjähriger an, was er dem politisch-diplomatischen Geschick seiner Mutter, Erzherzogin Sophie, zu verdanken hatte. Sie regierte ihrem Sohn auch weiterhin in seine Angelegenheiten hinein. Ihr (offiziell: sein) neoabsolutistisches Gebaren wirkte sich besonders in Ungarn fatal aus. Nicht zufällig war es ein Ungar, der 1853 auf den Kaiser ein - verhindertes - Attentat verübte. Franz Joseph hielt nichts von seinen liberal eingestellten Verwandten wie seinem Onkel Johann, seinem Bruder Ferdinand Max und schon gar nicht seinem Sohn Rudolf. Max wurde - als Kaiser von Mexiko - standrechtlich erschossen. Rudolf beendete sein Leben mit Mord und Selbstmord. Bei allem Konservatismus erkannte der Kaiser aber, dass sein Vielvölkerstaat unregierbar geworden war. Die Wiener Ringstraße blieb als sichtbares Zeichen, dass er doch Weitblick beweisen konnte. Der Straßenzug, der an Stelle der Stadtbefestigungen und des Glacis entstand, findet in Martin Czapkas Buch entsprechende Würdigung. Darüber gibt es nicht nur einen faktenreichen Artikel, sondern auch einen eindrucksvollen Plan mit den wichtigsten Gebäuden und die Stichworte "Ringstraßencafé" und "Ringstraßenkorso". Wie die beiden vorangegangenen Bände besticht dieser durch die Harmonie von Text, Bild und Layout - alles vom Autor in künstlerischer Harmonie konzipiert. Übernommen wurde auch das Erfolgsrezept der großteils vergessenen alt-wiener Vokabel - viele aus dem höfischen und Beamtenmilieu, wie "degagiert" (zwanglos, frei), "Eidam" (Schwiegersohn), "hinfort" (zukünftig), "impertinent" (frech, unverschämt), "konjizieren" (vermuten), "molestieren" (belästigen), "Nonchalance" (Lässigkeit), "promulgieren" (öffentlich bekanntgeben), "Rout" (Abendgesellschaft, Abendempfang), "tenue" (Franz Josephs Lieblingsvokabel: Haltung) oder "Virginia" (vom Kaiser bevorzugte Zigarre). Bewährt und großartig sind die Übersichtspläne, Cartoons und Zitate. So lernt man optisch die Länder der Donaumonarchie kennen, folgt der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition des Jahres 1873, spaziert durch die Hofburg, deren Bauteile aus dem 13. bis 20. Jahrhundert stammen, sieht das Projekt des Kaiserforums, lernt die Route der Weltumseglung der Fregatte "Novara" kennen, bewundert Schloss Schönbrunn und den Schlosspark mit seinen charakteristischen Bauten anno 1874, sieht die Portraits aus dem Kaiserhaus - 1879 waren 39 Personen abgebildet -, verfolgt die Stadterweiterungen von 1850, 1890 und 1904 und sieht die Ausdehnung des Glacis. Die Cartoons nehmen meist Franz Joseph und Katharina Schratt freundlich aufs Korn. Die Zitate - von Johann Nestroy bis Alfred Polgar - spiegeln den Geist einer versunkenen Zeit. Polgar meinte: "Die militärische Tracht verrät unzweideutig, was in ihr steckt. Freilich nicht, wer. Eben dies scheint Witz der Uniform, dass sie den 'Wer' verschluckt und nur das 'Was' gelten lässt. " Martin Czapka schreibt: ''Sein ganzes Leben lang trug der Kaiser Uniform, meist die Campagne-Uniform eines Feldmarschalls: aus hechtgrauem Tuch mit scharlachrotem Kragen und Ärmelaufschlägen, versehen mit goldgestickten Distinktionen … Empfing der Kaiser Staatsgäste oder Vertreter anderer Staaten, trug er stets eine Uniform des jeweiligen Landes, da er in vielen dieser Länder Regimentsinhaber war. '' Das nebenstehende Bild zeigt ihn in der ungarischen Galauniform eines Feldmarschalls in ungarischer Adjustierung. Des Kaisers Röcke gaben dem Grafiker, Designer und Illustrator viel Gelegenheit, die Uniformen abzubilden. Sei es in der "Allerhöchsten Kaiserfamilie", zum Stichwort "Armeen", "Beamtenuniformen", "Egalisierung" und vielen anderen. Daraus kann man den oft zitierten "Zauber der Montur" (C. M. Ziehrer) erahnen. "Egalisierung" nannte man das Farbsystem zur Unterscheidung der Regimenter. Das "Farbenkastl" umfasste 28 Töne von Dunkelrot bis Aschgrau. Viele Stichworte beschreiben den kaiserlichen Lebensstil oder sind auch nur nach der Majestät benannt, allein auf kulinarischem Gebiet: Kaiserbirne, -consommé, -dukaten, -gerstel, -granat, -guglhupf, -gulasch, -knödel, -melange, -omlette, -roulade, -schlegel, -schmarrn, -schnitzel, -schöberl, -semmel. Von Kaiserin Elisabeth erfährt man unter dem Stichwort "Sisi" viel Persönliches von "Attentat" bis "Zahnpflege". Ein Zitat lässt tief blicken: "Warum bin ich geboren ? Mein Leben ist unnütz. Ich stehe nur zwischen dem Kaiser und Frau Schratt. Ich spiele doch da nur eine fast lächerliche Rolle" soll sie ihrer Tochter Valerie anvertraut haben. Aufschlussreich sind Informationen über das aristokratische Leben, wie Adelstitel, die "Ausformung des Hofstaates", Rang der Hofbediensteten, Hofgesellschaft, Kragenspiegel, Livreediener, Orden, große und mittlere Titel… Herausragende Personen, nicht nur "allerhöchsten Herrschaften", werden in Kurzbiographien vorgestellt, darunter Viktor Adler, Theodor Herzl, Karl Lueger, Alfred Redl, Georg Schönerer, Johann Strauss, Franz X. Winterhalter und Elisabeths Hof- und Mehlspeisköchin Therese Teufl. Etwas Besonderes waren die k.u.k. Hoflieferanten, in ihrer Branche führende Unternehmen. Der Titel, ein Gütesiegel, mit dem sie werben durften, wurde erst nach mehreren Jahren verliehen und war an eine Taxe gebunden. In der österreichisch-ungarischen Monarchie konnten sich von 2500 Unternehmen rund 500 Hoflieferanten nennen, heute tragen noch ca. zwei Dutzend den Titel. Bekannt sind u. a. die Hofkartographische Anstalt Freytag & Berndt, die Süßwarenerzeuger L. Heiner, Gustav und Wilhelm Heller, die Spezereiwarenhändler Johann Kattus und Johann Baptist Cameel, die Paprikamühle Kotányi, auf dem Texilsektor "Zur Schwäbischen Jungfrau" und der Hofschneider Knize, der auch den Sultan des Osmanischen Reiches und den Schah von Persien belieferte. Eine noch größere Auszeichnung war es, als Hof- und Kammerlieferant zu dienen. Kammerlieferanten hatten Zugang zu den Privatgemächern, wie der Kleidermacher Jungmann & Neffe, die Orden- und Juwelenhersteller Mayer's Söhne, Rozet & Fischmeister und J. F. Rothe, der den Hausorden vom Goldenen Vlies produzierte. Zu dem exklusiven Kreis zählte ebenso der Büchsenmacher Springers Erben. Im Buch findet auch der Alltag Erwähnung: Die Stichworte Dampftramway, Donauregulierung, Elektrizitätswerk, Etrich-Taube, Franz-Josefs-Bahnhof, Frauenbewegung, Gasometer, Grabennymphe, Maschinenstürmer, Migration, soziale Verbesserungen oder Streik der Wiener Maurer erinnern an das Leben abseits von Glanz und Glorie. So wird man Barbara Sternthal Recht geben, wenn sie ihr Vorwort schließt: ''Mit seinen virtuosen Illustrationen, seinen treffsicheren Texten und den Wortspenden aus allen Richtungen der österreichisch-ungarischen Monarchie durchdringt Martin Czapka den ganzen, unendlich weiten Kosmos dieses langen 19. Jahrhunderts bis in seine verborgensten Gefilde. Es ist ein besonderes, in jeder Hinsicht außergewöhnliches Vergnügen, ihn durch diese Welt zu begleiten, die längst untergegangen ist, deren Nachklang jedoch nichts je an Zauber eingebüßt hat.'' \\ \\ [hmw|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Wolf_Helga_Maria_(Volkskunde_und_Hauptherausgeber)] [{Metadata Suchbegriff='Bücher, Österreich, Monarchie, Kaiser Franz Joseph ' Kontrolle='Nein'}]