!!! Johannes Sachslehner: Jeder Platz ein Geheimnis [{Image src='Sachslehner.jpg' height='200' class='image_left'' width='140'}] '' Johannes Sachslehner: Jeder Platz ein Geheimnis. Wiener Plätzen auf der Spur. Fotos von Harald Jahn. Styria Verlag Wien. 224 S. ill., € 32,- '' \\ \\ Johannes Sachslehner, Historiker, Autor und Lektor des Styria-Verlags hat eine Trilogie abgeschlossen. Nach ["Wiener Hotels"|Kunst_und_Kultur/Bücher/Bücher_über_Österreich_2024/Sachslehner_-_Hotels] und "Wiener Villen" ist er in seinem jüngsten Werk ''Wiener Plätzen auf der Spur''. Ein rundes Dutzend ''Fixpunkte der urbanen Welt'' hat sich der Autor angesehen: acht in der Inneren Stadt (Stephansplatz, Stock-im-Eisen-Platz, Platz Am Hof, Franziskanerplatz, Dr.-Ignaz-Seipel-Platz, Judenplatz, Lobkowitzplatz, Heldenplatz), drei in den ehemaligen Vorstädten (St.-Ulrichs-Platz, Jodok-Fink-Platz, Sobieskiplatz) und einen in Heiligenstadt (Pfarrplatz). Historische Ansichten und aktuelle Fotos von Harald Jahn vermitteln die jeweils typische Atmosphäre. ''Wie sonst nirgendwo werden hier der Geist der Stadt, ihr Charakter und ihre "Seele", lebendig, verschränken sich Vergangenheit und Gegenwart, Politisches und Privates.'' Der Autor beleuchtet die Geschichte der Häuser, ihrer Umgebung und ihrer Bewohner. Fast immer beziehen sich die Geheimnisse kritisch auf die Zeitgeschichte. Umso befremdlicher wirkt, dass er den ''abwegig anmutenden Spekulationen'' des "Mythomanen" Guido List (1848-1919) breiten Raum widmet. Dass er Leopold Schmidt (1912-1981), den Doyen der österreichischen Gegenwartsvolkskunde, aufgrund eines willkürlich herausgegriffenen Zitates als ''germanophil geprägt'' bezeichnet, wird dem Gelehrten nicht gerecht, dem die Politik der Dreißigerjahre zeitlebens "fremd und unsympathisch war". ''Der Stock-im-Eisen-Platz bildet heute mit dem Stephansplatz eine geschlossene Platzgruppe … Auch wenn er in seiner Erkennbarkeit stark eingeschränkt wurde - er ist nach wie vor ein Herzstück der Stadt und schafft Identität.'' Seit einem halben Jahrhundert weiß man, dass es sich bei dem namengebenden Baum um eine Zwieselfichte handelt, die ca. 1440 gefällt wurde. Von 1715 datiert eine Nachricht, dass diese mit einem eisernen Band umgeben sei, zu dessen Schloss es keinen Schlüssel gebe. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Attrappe ohne Mechanismus handelt. Sie trägt die Jahreszahl 1575. Zu dieser Zeit begann in der Vorstadt St. Ulrich - einem Teil des heutigen 7. Wiener Gemeindebezirks - der Abbruch der Pfarrkirche. Sie hatte in der Ersten Osmanischen Belagerung schwere Schäden davongetragen. In der Zweiten, 1683, beobachtete Kara Mustafa vom Kirchturm aus die Truppenbewegungen. Das Gotteshaus wurde zum Munitionsdepot und etliche Häuser des Platzes zerstört. Die erhalten gebliebenen geben ihm eine besonderes Flair. Das Haus Nr. 4, wo sich die älteste Apotheke befand, besitzt einen achteckigen Arkadenhof aus dem 16. Jahrhundert, in Wien eine Rarität. 1721 ließ der Schottenabt als Grundherr eine neue Kirche bauen. Das Hochaltarbild, das den Patron, den hl. Ulrich, zeigt, stammt von Paul Troger. Auch Josef Ignaz Mildorfer und Franz Anton Maulbertsch waren an der barocken Ausstattung beteiligt. Ein frühes Hauptwerk Maulbertschs sind die Deckenfresken der Piaristenkirche Maria Treu in der Josefstadt (Wien 8). Der allgemein Piaristenplatz genannte Vorplatz heißt seit 1929 nach dem christlichsozialen Politiker Jodok Fink (1853-1929). Die Kirche nach Plänen von Johann Lukas Hildebrand wurde 1756 geweiht. Sie bildet den Mittelpunkt eines der schönsten Plätze Wiens. Den linken Flügelbau bildet das Piaristenkolleg, den rechten das Löwenburgkonvikt. Davor erhebt sich seit 1713 eine Immaculata-Säule zum Dank für das Erlöschen der Pestepidemie. Die "Väter der frommen Schulen" (Patres Piarum scholarum) wurde ihre Niederlassung nicht leicht gemacht - andere Orden fürchteten die Konkurrenz. Erst nach zwei Jahrzehnten, 1698, legte Kaiser Leopold I. den Grundstein. Zwei Jahre später zogen die Piaristen ein und ein Jahr danach eröffneten sie fünf Klassen mit 453 Schülern. An die Josefstadt, den 8. Bezirk, schließt der Alsergrund, der 9., an. Im Buch erfährt der Sobieskiplatz eine Würdigung. Hier wohnten und werkten im 18. und 19. Jahrhundert die ''Wäschermädel-Amazonen'', wie der Autor die Wäscherinnen nennt. ''Der Sobieskiplatz wurde zum Mittelpunkt eines in der Geschichte Wiens einzigartigen "weiblichen Freistaats",'' betont Johannes Sachslehner. ''Die Wäscherinnen waren keine Lohnarbeiterinnen, sondern als "Angehörige des Wäscherstandes" (Alfred Wolf) selbständige Gewerbetreibende. In der Wäscherkolonie waren sie untereinander bekannt, ganze Familien schlossen sich zu Gruppen zusammen und organisierten gemeinsam die Arbeit - so gab es kaum einen Konkurrenzkampf. Die Arbeit verlangte den Frauen alles ab und hatte nichts mit Romantik zu tun.'' Heute erinnern an jene Zeit die mehrfach versetzte Statue des "Johannes mit dem Regendach" und - seit 1985 - eine verkleinerte Nachbildung der "Bassena". So nannte man den Auslaufbrunnen der Kaiser-Ferdinand-Wasserleitung, wo sich die Wäscherinnen mit Butten das zur Berufsausübung nötige Wasser holten. Mit Wasser hat auch das Kapitel über den Pfarrplatz in Heiligenstadt (Wien 19) zu tun. Nach der sagenhaften Überlieferung befand sich unter der Kirche St. Jakob ein See, in dem "schwarze Fische mit Glotzaugen" schwammen. Beim Weltuntergang werde die Quelle wieder aufbrechen und die Kirche verschlingen. Real war jedoch eine Heilquelle auf der anderen Seite der Grinzinger Straße, die einen Tümpel speiste. 1784 bestätigte ein ärztliches Gutachten die heilkräftige Wirkung bei Rheuma, Haut- und Leberleiden. In der idyllischen Gegend entstand eine Badeanstalt mit Gartenanlagen, die von den Wienern gern besucht wurde. '' Zu den Gästen, die in Heiligenstadt Heilung suchten, zählte auch Ludwig van Beethoven (1770-1827). … 1817 war der letzte Sommer, den der bald völlig taube Komponist in Heiligenstadt verbrachte. Warum er nicht mehr dorthin zurückkam, ist unbekannt.'' Bekannt ist aber, dass die Heilquelle nach der Donauregulierung allmählich versiegte und die Kuranstalt 1896 gesperrt wurde. Die Gemeinde Wien legte auf dem Areal den Heiligenstädter Park an. Auch derzeit sind Parks und die "Nachhaltigkeit urbaner Plätze" ein Thema für die Wiener Stadtverwaltung. Johannes Sachslehner schließt sein Vorwort: '' Anspruch und Wirklichkeit werden weiterhin auseinanderklaffen, aber auch das Erfassen der Defizite ist bereits ein Fortschritt. Und auch nicht jeder Platz hat das Zeug zu einer Piazza Del Duomo - aber es sollten möglichst viele sein! ''\\ \\ [hmw|Infos_zum_AF/Editorial_Board/Wolf_Helga_Maria_(Volkskunde_und_Hauptherausgeber)] [{Metadata Suchbegriff='Bücher, Österreich, Wien, Plätze ' Kontrolle='Nein'}]