!!!Einführung zur Lesung von Peter Stögers „Die Wetteraussichten vom Tage" 
__im Rahmen der Ausstellung "1 von 9 Kunst aus Oberösterreich", Galerie MUSEUM AUF ABRUF (MUSA), 1. Dezember 1999__\\ \\

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Es freut mich sehr, anlässlich der Lesung __„Die Wetteraussichten vom Tage"__ einige Worte zum
Werk des oberösterreichischen Künstlers __Peter Stöger__ sprechen zu dürfen, der heuer im
Oktober sechzig Jahre alt geworden wäre und der 1997 leider viel zu früh verstarb; vor allem
angesichts der großen bildkünstlerischen und literarischen Projekte, die er noch zu
verwirklichen gedachte wie etwa das vierteilige schriftstellerische opus magnum „das monokel
des polyphem" oder die intendierten graphischen Zyklen „Agnostikon" und „Paralipomena".

!Lust an der Sprache

Heute Abend werden wir ein kurzes und pointiertes Theaterstück für zwei Personen hören. Es
handelt sich dabei um ein gleichermaßen gelehrtes wie poetisch-humoristisches
Zwiegespräch zwischen dem Protagonisten, genannt „Autor P." und seinem kritischen Freund
„K", der als zweite Hälfte, als anderes „Ich" des Schreibenden gesehen werden kann. Der
__„barometrische Dialog"__, wie der Untertitel lautet, gibt Eindruck in die Schreibpraxis Peter
Stögers und dessen Umgang mit Sprache. Der Titel „Die Wetteraussichten vom Tage" steht
metaphorisch für Unvorhersehbarkeit, den ständigen Wechsel der Themen, Empfindungen
und Sprachen. Wir finden keinen paraphrasierbaren Handlungsablauf, der Text erscheint als
Gewebe aus aphoristischen Fragmenten, Textsplittern, lateinischen Sprichwörtern und
Namensaufzählungen, die wie zitiert aus einem Lexikon historischer Persönlichkeiten wirken.
Zwischen den emphatischen, stakkatoartig formulierten Sätzen und der wahren Befindlichkeit
der Hauptpersonen scheint eine Entfremdung zu bestehen. Oft hat man den Eindruck, als hätte
sich die Sprache verselbständigt, als würden das Verbale, die Begriffe und Namen der
Künstler und Philosophen, die in einem Übermaß zitiert werden, und die humanistische
Gelehrsamkeit eine wirkliche Kommunikation zwischen den Individuen unmöglich machen.
„Die Wetteraussichten vom Tage" kennzeichnet große Lust an der Sprache und zugleich eine
tiefe Skepsis an den Möglichkeiten des genormten Sprachgebrauchs - ein Haltung, die Peter
Stöger mit vielen Schreibenden der Moderne, in erster Linie mit dem von ihm besonders
verehrten __James Joyce__, aber auch mit den Künstlern im Umfeld der __Wiener Avantgarde__
verbindet.

Zu einem der zentralen Themen im Gespräch der Freunde wird das Verhältnis zwischen
künstlerisch gestalteter Realität und Natur - zwischen Kunst und Wirklichkeit. So provoziert
„K" den in seinen geistigen Sphären sich bewegenden Autor, indem er ihn mit dem Diktum,
Kunst sei Sublimierung tatsächlichen Lebens provoziert und meint: „Höre: Nur wer nicht 
handeln kann, macht „Kunst"! Dieselbe ist ihm das wohlfeile Mittel, der Provokation durch
die Realität bei jedem Wetter auszuweichen!" Der Autor kontert zornig: „Meine Kunst wird
deine Realität unnachsichtig provozieren....und zwar bei jedem Wetter ~[...]."
Die Stelle scheint deshalb so interessant, da sie eine wichtige Thematik in Leben und Werk
von Peter Stöger anspricht und sein eigenes Hin- Hergerissensein zwischen den verschiedenen
Wirklichkeiten berührt.

!Der multimediale Künstler 

Der heute vorgetragene Dialog bringt nur eine Seite Peter Stögers zum Ausdruck: die
literarische. Der künstlerische Ausdruckswille Stögers hat sich aber in mehreren Medien und in
der Verwendung unterschiedlicher Zeichensysteme manifestiert. Wie einst sein zeichnender
und schreibender Landsmann __Alfred Kubin__, hat Stöger das Changieren zwischen Bildlichkeit
und Sprachlichkeit und die Kombination von Wort und Bild gesucht. In der derzeit laufenden
Ausstellung „1 von 9. Kunst aus Oberösterreich" ist er mit einer kleinen Graphik aus dem
Jahr 1958 als bildender Künstler vertreten. 

1958 ist biographisch eine Schnittstelle, denn zu dieser Zeit beginnt der damals 19jährige Absolvent der Linzer Kunstschule als Grafiker, Maler, Kostüm- und Bühnenbildner für das Linzer Landestheater und später für
unterschiedliche Wiener Bühnen zu arbeiten. Die eigene künstlerische Arbeit Stögers ist bereits in den 60er Jahren stark von einem „work in progress"-Gedanken, auch einem Einbeziehen chemischer Vorgänge und Naturprozesse in
den künstlerischen Akt geprägt, wodurch sich ein Bezug zu dem Theaterstück „Die
Wetteraussichten vom Tage" ergibt. Dies zeigte die aufsehenerregende __„Fumages"-Aktion__
1968 im „Forum 67" in Linz, die zeitgleich zu den großen Kunstaktionen der „Wiener
Aktionisten" im Jahr des internationalen Protestes stattfand, das in Österreich stärker in der
Kunstwelt als politisch ausgetragen wurde. Bei der konstruktiven, symbolischen
„Bilderverbrennung", wie Peter Stöger seine Aktion rückblickend einmal charakterisierte, hat
er mittels offenen Feuers während der Eröffnung in einem subtraktiven Verfahren aus
Plastikbahnen Formen herausgebrannt und so die Sicht auf das dahinterliegende Environment
enthüllt; durch die Zerstörung und das Einbeziehen unvorhersehbarer Naturprozesse wurde
etwas sichtbar, das zuvor verdeckt, unsichtbar war. Zugleich entstand etwas Neues. Dieses
Aufdecken, Durchscheinenlassen und Überschichten hat Stöger auch in seinem späteren
graphischen Werk - wenn auch in veränderter Form - fortgesetzt, wie etwa 1989 in dem
__Ausstellungsprojekt „diaphanion" im Wiener Theseustempel__. In der großformatigen seriellen
Glasplatten-Installation hat Stöger den Betrachter in ein Labyrinth aus farblichen
Überlagerungen, Spiegelungen, Transparenzen und Irritationen geführt. Peter Stöger selbst
hat das Prozessuale seiner Kunst manifestartig betont und den Akzent auf die Tätigkeit und
nicht das Produkt gelegt, wenn er einmal meinte: 

''„Ich bin kein gegenstandsloser Maler',
vielleicht nicht einmal ein abstrakter, denn meine Bilder stehen im vollen Erlebnisbezug zur
sichtbaren Wirklichkeit. Meine Bildmotive sind jedoch keine Hauptworte wie Strauch oder
Felsen. Sie stehen mehr mit Tätigkeitswerten in Beziehung, wie wachsen, wuchern, zerfallen.
Die Natur entwirft und erzeugt immer neue Formen, Grundstrukturen und Diagramme, die
man überall ablesen kann: in Baumstammquerschnitten, Blattaderungen, Felserosionen,
ausgetrockneten Bächen, im Röntgenbild. Das Erlebnis dieser Formen und Strukturen ist der
optische Anlass zur Bilderfindung. Doch beim Malen herrschen andere Gesetze: Sie sind von
der Art und Intensität des Erlebnisses diktiert und bestimmen die bewußte Gestaltung meiner
Bilder".''

!Zwischen Boheme und Bürgerlichkeit

Aus dieser Selbstcharakterisierung seiner Kunst spricht, was ich an dem multimedialen Werk
aber auch der Biographie Peter Stögers, dem Schwanken zwischen Boheme-Leben und
Bürgerlichkeit, interessant und zeitgemäß finde. Es ist ein nicht linear-zielgerichtetes
Weltbild, das Stögers Werk und Leben durchzieht. Vielmehr kann man von einem im
positiven Sinne brüchigen, durchsichtigen OEuvre und Leben sprechen; von einem - um mit
dem Begriff von __Deleuze/Guttari__ zu operieren - „rhizomatisch" orientiertem Denken, das
sich in ständigen Verästelungen, Neuanknüpfungen und verschiedenen Ausdrucksformen -
literarisch, bildkünstlerisch, theatralisch - manifestiert. Wie sein Protagonist __„Peregrinus"__ des
heute vorgetragenen Theaterstückes und des gleichnamigen Buches, hat sich Peter Stöger als
Reisender, als Fremder, als jeweils „Anderer" Zeit seines Lebens in unterschiedlichen
Wirklichkeits- und Kunstbereichen bewegt. Dieser sehr aktuelle, dissoziierte Künstler- und
Kunstbegriff zeigt sich auch in der Art wie er einen Menschen gefunden hat, seine langjährige
Lebensgefährtin __Helga Schicktanz__, die an den Verästelungen und Knotenpunkten seines
Werks zu Lebzeiten, besonders nach dessen Tod angeknüpft hat und so auch die
Fertigstellung und Veröffentlichung des posthum erschienenen Text-Bild-Bandes
„Peregrinus", ermöglicht hat. Dieser Aspekt der Fortschreibung, die Heterogenität des Werks,
die Betonung der Entfremdung des Individuums und das Anliegen, einen Dialogpartner in den
künstlerischen Prozeß miteinzubeziehen, macht Stögers Werk im gegenwärtigen Kunstdiskurs
unter dem Schlagwort „multiple Autorenschaft" - man denke an die derzeitige
Kunsthallenausstellung „Get together" - äußerst spannend.

__Johanna Schwanberg__


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