!!! FWF - Nationales Forschungsnetzwerk: Organische Elektronik
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Von

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__Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Günther Daum__\\

Institut für Biochemie

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[{Image src='0203_CHEM_Biokatalysator_Hefe1.jpg' alt='Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Günther Daum' caption='Günther Daum' width='82' height='110' popup='false'}]


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''© Forschungsjournal WS 2002/2003''
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__Lipide (Fette) bilden eine wichtige biochemische Substanzklasse,
die einerseits für den Aufbau zellulärer Strukturen (Organellen, biologische
Membranen) benötigt wird und anderseits als Reservestoff
für einen Organismus dient, der bei Bedarf mobilisiert wird. Die Arbeitsgruppen
des Instituts für Biochemie der TU Graz beschäftigen
sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Problemen der Lipidsynthese,
des Einbaus von Lipiden in Membranen und den biochemischen,
biophysikalischen und zellbiologischen Auswirkungen von Defekten,
die durch Abnormitäten im Lipidhaushalt hervorgerufen werden.
Meine Arbeitsgruppe studiert seit vielen Jahren unterstützt durch
den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
in Österreich grundlegende Aspekte der Biochemie, Zellbiologie und
Molekularbiologie der Lipide am Modellsystem Bäckerhefe (Saccharomyces
cerevisiae). In den beiden Projekten „Lipidpartikel der Hefe“
(FWF 13669) und „Neutrallipide der Hefe“ (FWF 15141) wurden
speziell die Synthese, die Depotbildung und die Mobilisierung von
Triglyceriden und Sterolestern, den beiden wichtigsten Lipid-Reservestoffen
in Hefe, untersucht.__

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__Die Problemstellung__

Bestimmte Substanzklassen der Lipide (Phospholipide, Sterole,
Sphingolipide) spielen als Strukturelemente für biologische Membranen
eine wichtige und zum Teil sogar essentielle Rolle. Sie bilden
in den meisten Fällen Membrandoppelschichten, die die Zelle
einerseits nach außen abgrenzen und anderseits innerhalb der
Zelle bestimmte Kompartimente (Organellen) umschließen. Neben
den genannten Lipidklassen kennt man zwei Kategorien der sog.
Neutrallipide (so bezeichnet, da sie keine freie Ladung besitzen): die
Triglyceride (Fettsäureester des Glycerins) und Sterolester (Fettsäureester
der Sterole, wie z.B. Cholesterin). Diese Lipide bilden mehr
oder weniger erwünschte Energiedepots. Sowohl Triglyceride (TG)
als auch Sterolester (STE) gelten als Risikofaktoren, da ihre Akkumulation
z.B. beim Menschen zu krankhaften Erscheinungsbildern wie
etwa Arteriosklerose führen kann. Andererseits bilden Neutrallipide
einen wichtigen Rohstoff für technologische Prozesse. Aus diesen
Gründen ist ein grundlegendes Verständnis der Biosynthese dieser
Substanzen, des molekularen Hintergrunds ihres Stoffwechsels
sowie der Regulation der beteiligten Stoffwechselwege auf enzymatischer
und zellulärer Ebene von größtem Interesse.

__Das Modellsystem__

Ein biochemisches Modellsystem, das in den letzten beiden Jahrzehnten
große Bedeutung in Forschung und praxisorientierter Entwicklung
biologischer Prozesse erlangte, ist die Hefe Saccharomyces
cerevisiae. Dieses experimentelle System eignet sich sehr gut für Untersuchungen
zu den oben beschriebenen Fragestellungen. Obwohl
die Verwendung dieses Mikroorganismus, den man im täglichen
Leben eher mit Bierproduktion oder Brotbacken in Zusammenhang
bringt, für wissenschaftliche Untersuchungen banal klingen mag, besitzt
er doch ein immenses Potenzial für den Bio-Wissenschaftler. Die
Hefe weist nicht nur strukturell und funktionell sehr viele Parallelen
zu den Zellen anderer sog. höherer Organismen (Eukaryonten) wie
Pflanzen, Tiere und Mensch auf, sondern sie besitzt auch unschätzbare
Vorteile im experimentellen Umgang. Einfache Anzüchtung, rasche
Vermehrung, einfache Manipulierbarkeit durch Wachstumsbedingungen
und Nährstoffe, sowie die Verfügbarkeit relativ einfacher
molekularbiologischer Methoden zur Veränderung des Genoms und
der Konstruktion von Mutanten zählen zu den wichtigsten Vorteilen der Hefe gegenüber anderen zellulären Systemen. Hefe war die erste
Eukaryontenzelle, deren Genom vollständig sequenziert worden
war. Inzwischen existieren bereits Stammsammlungen, die Mutanten
mit Defekten in jedem einzelnen der über 6000 Hefegene beinhalten.
Diese Sammlungen, die auch für unsere Untersuchungen in hohem
Maße herangezogen wurden, bilden eine wertvolle Grundlage für
zellbiologische und biochemische Studien.

__Die Resultate: Lipide, Organellen und Gene__

Die beiden Projekte „Lipidpartikel der Hefe“ und „Neutrallipide der
Hefe“ beschäftigen sich (i) mit molekularbiologischen, zellbiologischen
und biochemischen Strategien zur Identifizierung von Genen
und Genprodukten, die an der Biosynthese und dem Metabolismus
von TG und STE der Hefe Saccharomyces cerevisiae beteiligt sind,
sowie (ii) mit der Lokalisierung der entsprechenden Stoffwechselschritte
in bestimmten Zellkompartimenten (Organellen). Ziel der
Projekte ist es somit, die molekulare Basis der Depotbildung der
Neutrallipide und deren Mobilisierung besser verstehen zu lernen.
Ein Organell, das von meiner Arbeitsgruppe in diesem Zusammenhang
bereits seit einigen Jahren sehr genau untersucht wurde,
ist das sog. Lipidpartikel der Hefe Saccharomyces cerevisiae (siehe
Abb. 1). Lipidpartikel bestehen aus einem Kern von Neutrallipiden
(TG und STE), der von einer Phospholipid-Membran umgeben ist, in
welche einige wenige Proteine eingelagert sind. Lipidpartikel wurden
bisher immer nur als Depot für TG und STE betrachtet. Im Zuge
unserer Arbeiten konnten wir jedoch einige Lipidpartikel-Proteine als
Enzyme der Lipid-Biosynthese identifizieren. Es handelt sich dabei
vor allem um Enzyme der Biosynthese von Phosphatidsäure, Sterolen
und TG. Phosphatidsäure ist ein wichtiges Zwischenprodukt und eine
Vorstufe für die Bildung von Phospholipiden und TG. Unsere Studien
zeigten, dass bestimmte Enzyme dieses Stoffwechselweges jedoch
nicht nur in Lipidpartikeln, sondern auch in anderen Organellen, u.a.
im endoplasmatischen Reticulum und in Mitochondrien vorkommen.
Außerdem gibt es eine Reihe von Enzymen, sog. Isoenzyme, deren
Strukturen zwar nicht identisch sind, die jedoch die gleiche biochemische
Reaktion katalysieren. Unserer Arbeitsgruppe gelang es
erstmals, ein Enzym der Phosphatidsäure-Biosynthese zu identifizieren,
das einen wichtigen Schritt dieses Stoffwechselwegs katalysiert, und
dem entsprechenden Gen zuzuordnen. Defekte in diesem Stoffwechselschritt
können z.B. beim Menschen zu Erbkrankheiten mit fatalen
Folgen führen. Weiters konnten wir ein neues Gen bzw. Genprodukt
der TG-Synthese identifizieren und charakterisieren. Dieses Enzym
ist auch zum Großteil auf Lipidpartikeln lokalisiert und ebenfalls das
erste seiner Art, das in Hefe beschrieben wurde. Gleichzeitig mit zwei
ausländischen Forschergruppen konnten wir zeigen, dass mehrere
Stoffwechselwege zur Bildung von TG führen.



Neben TG bilden STE die Lipiddepots der Hefe-Lipidpartikel. In
Zusammenarbeit mit zwei ausländischen und einer Grazer Arbeitsgruppe
wurde das Zusammenspiel der Organellen einer Hefezelle
bei der Synthese von Sterolen und STE studiert. Die einzelnen
Schritte dieser komplexen Biosynthesewege sind auf Lipidpartikel
und das endoplasmatische Reticulum aufgeteilt. Offenbar scheint
eine Koordination auf der Ebene der Organellen ein wichtiges Mittel
zur Regulation der Lipidsynthese darzustellen. Ähnlich wie bei der
Synthese von Phosphatidsäure und TG wird die Biosynthese der
STE auch durch zwei in ihrer Funktionalität überlappende Enzyme
katalysiert. Beide Enzyme sind in diesem Fall jedoch in ein und demselben
Organell, dem endoplasmatischen Reticulum, lokalisiert. Die unterschiedliche Spezifität dieser Enzyme erlaubt die Synthese eines breiten Spektrums an STE.


Wie TG und STE vom Ort ihrer Synthese in ihre Depots, die
Lipidpartikel, gelangen, ist noch weitgehend ungeklärt. Eine sehr
wahrscheinliche Hypothese besagt, dass die Depotbildung direkt
mit der Synthese der beiden Lipidspezies verknüpft ist. TG und
STE können bei Bedarf jedoch auch aus ihren Depots mobilisiert
werden. Dieser Vorgang erfordert Katalyse durch bestimmte Enzyme
(Lipasen, Hydrolasen). Identifizierung der entsprechenden Gene
und Genprodukte, Charakterisierung der koordinierten Regulation
des TG- und STE-Auf- und Abbaus durch Isoenzyme in verschiedenen
Zellkompartimenten, sowie die zellbiologischen Konsequenzen
des TG- und/oder STE-Mangels oder deren Überproduktion sind
Gegenstand derzeit laufender Untersuchungen.



Die Relevanz der Forschungsergebnisse
Oft wird die Frage nach der Anwendbarkeit und der Bedeutung
von Ergebnissen der Grundlagenforschung, wie sie meine Arbeitsgruppe
hauptsächlich betreibt, gestellt. Unsere Arbeiten sind
primär nicht darauf ausgerichtet, Substanzen im großen Maßstab zu
produzieren oder technologische Prozesse zu konzipieren. Vielmehr
sehe ich die Bedeutung unserer Studien in der Darstellung fundamentaler
Erkenntnisse, die eine Basis für die Anwendung, z.B. in
biotechnologischer oder medizinischer Hinsicht, bilden. Kann ein
Modellsystem wie die Hefe diesen Anforderungen genügen? Können
wir mit solchen zellbiologischen Modellen etwas über allgemein
gültige Gesichtpunkte eines biologischen Sachverhalts lernen? Beide
Fragen können mit ruhigem Gewissen positiv beantwortet werden.
Die Querverbindungen zwischen experimentellen biologischen Systemen
(Hefe, Pflanze, Tier, Mensch), die durch die rasante Entwicklung
der Bioinformatik immer deutlicher werden, bestätigen diese
Ansicht. Korrekterweise muss man natürlich feststellen, dass Hefe
nicht einfach das getreue Mini-Abbild eines Säugetiers oder des
Menschen ist. Trotzdem können unter kritischer Abschätzung der
Randbedingungen sehr wohl physiologisch relevante Aussagen mit
Untersuchungsergebnissen des Modellsystems Hefe für komplexere
Systeme gemacht werden.

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[{Image src='0203_CHEM_Biokatalysator_Hefe2.jpg' alt='Ein Blick in eine Hefezelle' width='200' caption='Abb 1.: Ein Blick in eine Hefezelle \\© Forschungsjournal' height='210'}]
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''Abb 1: Von etwa 40 seriellen Einzel-Ultradünnschnitten durch eine Hefezelle werden elektronenmikroskopische Bilder angefertigt, die durch geeignete Computerprogramme in Form einer 3-dimensionalen Struktur rekonstruiert werden. Nach Abstraktion der Zellwand und Zellmembran durch den Computer werden die einzelnen Organellen im Inneren der Zelle wie z.B. Zellkern, Mitochondrien, Endoplasmatisches Reticulum, Vakuole in verschiedenen Farben sichtbar. Die Depots der Triglyceride und Sterolester, die sog. Lipidpartikel, sind hier in gelber Farbe als kompakte globuläre Strukturen dargestellt.

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Mit freundlicher Genehmigung von G. Zellnig und A. Perktold, Institut für Pflanzenphysiologie, KFU Graz.''
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